Hamburg. Die 120 Jahre alte „Rickmer Rickmers“ wird bei Blohm+Voss saniert. Am 2. September ist das Museumsschiff zurück.

Hier unten im Dock, direkt unter dem massigen Rumpf, riecht es nach Fisch, etwas abgestanden und vermischt mit dem Geruch alter Farbe. Ein Arbeiter fegt dort ein schlammiges Gemisch zusammen, und wenn man genau hinschaut, sind tatsächlich winzige kleine Muscheln zu erkennen: Der Belag stammt von dem 1896 gebauten Windjammer „Rickmer Rickmers“, der jetzt im Dock 16 der Hamburger Traditionswerft Blohm + Voss liegt. Das Hamburger Wahrzeichen und Museumsschiff von den Landungsbrücken muss derzeit umfangreich saniert werden. 1,9 Millionen Euro aus Denkmalschutzmitteln hat der Bund dazu bereitgestellt.

In den vergangenen Tagen hatten Industriekletterer mithilfe der hohen Werftkräne die Takelage des Dreimasters abgebaut: also den oberen Teil der fast 50 Meter hohen Masten, die Querstreben und auch sämtliche Drähte, die im Fachjargon Wanten und Stage heißen. Die Maststumpfen sind nun eingerüstet und mit Folien verpackt, der Rest lagert zur Reparatur in einer Werfthalle.

Das eigentlich Spannende der umfangreichen Sanierung zeige sich allerdings erst jetzt, sagt Joachim Stratenschulte, der geschäftsführender Vorstand der Rickmer-Rickmers-Stiftung ist und sein Büro immer noch auf dem Schiff, aber nun vorübergehend mitten im Dock hat. Mit einem Hochdruckstahlgerät und rotierenden Bürsten hatten Arbeiter am Wochenende die alte Rumpffarbe und eben auch den Bewuchs der letzten Jahren vom Unterwasserschiff befreit. Wie würde es darunter aussehen, wie viel hat der Rost gefressen, gibt es vielleicht hauchdünne Stellen? Das waren die Fragen. „Doch es sieht gut, wir werden wohl so hinkommen“, sagt Stratenschulte, der am Montag gemeinsam mit Besuchern und Pressevertretern die Arbeiten anschaut. Überall wo der Stahlrumpf dünner als drei Millimeter ist, sollen nun zwölf Millimeter dicke Stahlplatten aufgeschweißt werden. „Wir haben mit etwa 100 Quadrametern kalkuliert und hoffen nun, dass es nicht viel mehr werden“, sagt Stratenschulte.

Inspektion am Rumpf:
Überall, wo er sehr dünn
erscheint, markiert
Detlev Löll mit roter
Farbe. Dort soll später
mit Ultraschall genau
gemessen werden
Inspektion am Rumpf: Überall, wo er sehr dünn erscheint, markiert Detlev Löll mit roter Farbe. Dort soll später mit Ultraschall genau gemessen werden © HA | Roland Magunia

Während er seinen Besuchern erklärt, warum dieses Aufschweißen auf einen genieteten Rumpf und 120 Jahre alten Stahl besonders schwierig sei, rumpelt ein Hubwagen vorbei. Ein Mann in gelber Sicherheitsjacke steht dort auf der Arbeitsbühne und streicht immer wieder mit der Hand über das Metall am Rumpf. Hier und dort markiert er Stellen mit roter Farbe: Rund 330 solcher Punkte werden es später sein, die noch einmal mit einem speziellen Ultraschallgerät nachgemessen werden, um die Materialstärke exakt messen zu können. Detlev Löll, der Mann in der gelben Jacke, hat für die Stiftung des Hamburger Museumsschiffs die Bauaufsicht übernommen. Löll und sein Unternehmen sind vor allem auf Großsegler spezialisiert, kon­s- truierten bereits die Takelage für so bekannte Windjammer-Neubauten wie für den Kreuzfahrer „Sea Cloud II“. Auch er ist nach der ersten Inspektion optimistisch. „Sieht gut aus, wir werden wohl mit dem Budget hinkommen“, sagt er.

Weil dieses Budget von der öffent­lichen Hand kommt, musste die Sanierung ausgeschrieben werden. Mehrere Werften hatten sich beteiligt, Blohm + Voss habe dann am Ende das beste Angebot gemacht, sagt Löll. Tatsächlich aber ist der alte Windjammer, der 1983 von Portugal nach Hamburg gekommen ist, wohl ein Exot hier auf der weitläufigen Anlage gegenüber von seinem angestammten Liegeplatz. Von den Landungsbrücken sind nur drei größere Docks zu erkennen. Doch dahinter umfasst das Werftgelände auf Steinwerder gut 420.000 Quadratmeter: Sieben Docks verteilen sich dort, das größte ist 351 Meter lang und 59 Meter breit. Große Kreuzfahrtschiffe und Containerfrachter werden hier normalerweise überholt, im hinteren Teil ließen schon einige Milliardäre ihre Megayachten bauen, und auch Marineschiffe werden hier repariert und neu gebaut.

Erst im letzten Jahr hat sich Blohm + Voss „neu aufgestellt“, wie es in der Wirtschaft heißt, und die zuvor getrennten Bereiche Neubau und Reparatur zusammengelegt. Und doch ist der Auftrag für die „Rickmer Rickmers“ offensichtlich auch hier etwas Besonderes: „Als Hamburger Unternehmen sind wir natürlich besonders stolz, ein Wahrzeichen des Hafens zu modernisieren“, sagt Fred van Beers, der neue Vorstandsvorsitzende von Blohm + Voss. Und genau wie bei anderen Aufträgen für seegehende Schiffe auch komme es bei diesem Auftrag auf einen genauen Zeitplan an. „Ein Museumsschiff kann sich schließlich im Sommer keine lange Pause gönnen“, so der Werftchef.

Arbeiter machen einen Windenblock
der Takelage wieder gangbar
Arbeiter machen einen Windenblock der Takelage wieder gangbar © HA | Roland Magunia

Tatsächlich soll die „Rickmer Rickmers“ bereits am 2. September wieder zurück an ihren festen Liegeplatz an den Landungsbrücken sein. Im Gastrobereich, der jetzt ebenfalls modernisiert wird, sind schon am nächsten Tag wieder Veranstaltungen geplant. Und auch der Museumsbetrieb auf dem Schiff soll bald wieder aufgenommen werden. So, wie es Besucher seit Herbst 1987 gewohnt sind.

Davor war der frühere Frachtsegler im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen erstmalig und wohl noch viel umfassender saniert worden: Ursprünglich fuhr das 1896 in Bremer­haven für die heute noch existierende Rickmers-Reederei gebaute Schiff auf weltweiter Fahrt. Bis nach Hongkong gingen manche Reisen, voll beladen mit Reis und Bambus kam der nach dem Enkel des Firmengründers benannte Windjammer jedes Mal wohlbehalten zurück an die Weser. 1912 wurde das Schiff dann nach Hamburg verkauft und fuhr unter dem Namen „Max“ in der Salpeterfahrt nach Chile. 1916, im Ersten Weltkrieg , lief es die Azoren an und wurde von Portugal beschlagnahmt. Wie in der Chronik der „Rickmer Rickmers“ zu lesen ist, gaben die Portugiesen den Segler an die Engländer, die ihn unter dem Namen „Flores“ für den Transport von Kriegsmaterial einsetzten.

Joachim Stratenschulte, von der
Stiftung Rickmer Rickmers
Joachim Stratenschulte, von der Stiftung Rickmer Rickmers © HA | Roland Magunia

Nach Ende des Kriegs ging das heutige Museumsschiff wieder in den Besitz von Portugal über. Die dortige Marine ließ es zum Schulschiff umbauen. 1930 wurden dann sogar zwei 350-PS-Krupp-Dieselmotoren eingebaut. Heute noch sieht man im Dock die Propellerausgänge, die allerdings wieder verschweißt sind. Bis 1958 fuhr das Schiff als „Sagres“ im Dienst der portugiesischen Marine und nahm erfolgreich an Regatten teil. 1962 wurde es außer Dienst gestellt und lediglich als Depotschiff genutzt. Bis es 1983 von einer Gruppe Hamburger entdeckt wurde, die den Verein „Windjammer für Hamburg“ gegründet hatten und seit Jahren auf der Suche nach einem solchen Schiff waren.

1983 wurde die „Rickmer Rickmers“ nach Hamburg geschleppt und in mehrjähriger Arbeit zu dem heutigen Zweck restauriert und schließlich in den Besitz einer eigenen Stiftung übergeführt. Die Stiftung finanziert das Museumsschiff seitdem durch Spenden, Pachten und Eintrittsgelder. Die jetzige Sanierung ist nun seit 1987 das erste Mal, dass die „Rickmer Rickmers“ mit Steuergeld wieder flottgemacht wird.