Hamburg/Kiel. Ungewöhnlich starke Niederschläge im Juli, jedoch weniger Blitze. Immer mehr Hamburger wollen sich gegen das Wetter versichern.
Die Wetterlage in Hamburg bleibt paradox. Während in einigen Hamburger Stadtteilen am Montagnachmittag die Sonne schien, fiel in unmittelbarer Nähe des Autobahndreiecks Hamburg-Nordwest so viel Regen, dass die Feuerwehr zu insgesamt 41 witterungsbedingten Einsätzen ausrücken musste.
Laut Frank Böttcher vom Institut für Wetter- und Klimakommunikation in Hamburg kamen zwischen 16 und 17 Uhr knapp 30 Liter Regen pro Quadratmeter vom Himmel. „Das entspricht fast der Hälfte des sonst üblichen Monatsniederschlags.“ Die Abwassersiele konnten die Regenmenge in der kurzen Zeit nicht aufnehmen, so dass zahlreiche Keller voll liefen. Auch die Autobahn 7 musste zwischenzeitig erneut gesperrt werden, nachdem sich auf der Fahrbahn sehr viel Wasser gesammelt hatte.
Mehr Straßensperrungen wegen Überflutungen
Bereits Mitte Juni musste die A7 ebenfalls zwischen Schnelsen und Schnelsen-Nord sogar für fast viereinhalb Stunden gesperrt werden. „Straßensperrungen wegen Überflutungen werden in Zukunft zunehmen“, sagte ADAC-Experte Carsten Willms vor einigen Wochen dem Abendblatt. Beim Bau von Autobahnen sei zwar eine ausreichende Entwässerung vorgeschrieben. „Aber die Richtlinien stammen von 2008.“ Starkregen-Ereignisse seien darin nicht berücksichtigt. „Genau diese werden aber wegen der Klimaveränderungen in den nächsten Jahren zunehmen.“
Häufung von extrem starken Niederschlägen
Nach Angaben des Wetter-Experten Frank Böttcher habe man es in den vergangenen Wochen mit einer Häufung von extrem starken Niederschlägen zu tun. Dabei gebe es jedoch zum Teil große regionale Unterschiede in der Hansestadt. So kamen in den vergangenen 30 Tagen im Bereich Billstedt und Glinde vereinzelt bis zu 150 Liter Regen pro Quadratmeter vom Himmel. „Das ist etwa die doppelte Niederschlagsmenge als normal.“
Ein völlig anderes Bild bietet sich dagegen im Süden Hamburgs. Im Bereich der Autobahnanschlussstelle Harburg fielen im selben Zeitraum gerade einmal 30 Liter pro Quadratmeter. „Diese punktuellen Starkregenfälle sind typisch für diese Gewitterlagen, wie wir sie erlebt haben“, sagt Meteorologe Frank Böttcher. Die Menschen würden die Wetterlage daher sehr unterschiedlich wahrnehmen. „Während bei einigen der Garten wegschwimmt, müssen andere mit der Gießkanne rumgehen, damit die Pflanzen nicht vertrocknen.“
Wetterexperte erklärt regionale Niederschlagsunterschiede
Im Gesamtdurchschnitt sind Rahlstedt und Poppenbüttel demnach die nassesten Stadtteile im Juli. Hier verzeichnet der Deutsche Wetterdienst (DWD) um die 85 Liter Regen im pro Quadratmeter im langjährigen Mittel. Der im Mittel trockenste Stadtteil ist hingegen Neugraben mit 74,6 Liter pro Quadratmeter.
Wie kommt es zu den zum Teil gewaltigen Unterschieden? „Die meisten Gewitter ziehen von Süden und vom Südosten an. Über den Harburger Bergen können wir einen leichten Absinkeffekt beobachten, weshalb in den Stadtteilen am Fuß weniger Regen fällt“, sagt Frank Böttcher. Über der Innenstadt würden die Gewitter durch die Wärme hingegen neue Energie ziehen, die dann in Niederschläge umgewandelt werde.
Auch bei der Hamburger Feuerwehr wundert man sich über die ungewöhnlich lang anhaltende Unwetterserie. „Die Gewitter waren in den vergangenen Wochen deutlich stärker und häufiger, als wir das bislang gekannt haben“, sagt Werner Nölken, Sprecher der Hamburger Feuerwehr. Dies schlage sich auch in den Einsatzzahlen nieder, auch wenn man diese nicht konkret auswerten könnte. „Wir hatten immer wieder partiell in einzelnen Stadtteilen ein erhöhtes Einsatzaufkommen“, so Nölken. Vergangene Woche habe man beispielsweise im Bereich Billstedt um die 40 Einsätze verzeichnet. In Farmsen und Berne musste die Feuerwehr Anfang Juni zu rund 250 Einsätzen ausrücken, nachdem ein Tornado über das Gebiet gezogen war.
Nachfrage nach Elementarschutzversicherungen steigt
Die Unwetterserie der vergangenen Wochen bleibt nicht ohne Folgen. Demnach steigt derzeit die Nachfrage nach sogenannten Elementarschutzversicherungen, sagt Bernd Greve, Versicherungsexperte der Hamburger Feuerkasse. Denn Starkregen zählt zu den Elementarereignissen. Zum Schutz vor Starkregen sei daher eine Ergänzung zur Gebäude- und Hausratversicherung erforderlich.
„Naturgefahren werden noch immer unterschätzt“, so Greve weiter. Während in Baden-Württemberg rund 95 Prozent aller Gebäude gegen Elementarschäden versichert sind, ist in Hamburg nur rund jedes 6. Gebäude versichert. Das entspricht einer Quote von 17 Prozent. Die Elementarschadenversicherung schütze demnach unter anderem vor Überschwemmung, vor Rückstau von Wasser in der Kanalisation nach starken Regenfällen und auch vor Erdrutsch und Absenkung des Bodens.
Norden bundesweit von Blitzen am wenigsten getroffen
Während man sich Hamburg also vor allem Sorgen wegen drohender Überschwemmungen zu machen scheint, muss man sich über ein Wetterphänomen im Norden deutlich weniger Gedanken machen: Denn das Risiko vom Blitz getroffen zu werden, ist in Norddeutschland besonders gering. Das geht aus dem sogenannten Blitz-Atlas hervor, den der Technologiekonzern Siemens am Dienstag vorstellte. Demnach sind im Norden Deutschlands im Jahr 2015 die wenigsten Blitze eingeschlagen.
In Kiel waren es die wenigsten: In der Landeshauptstadt gingen gerade einmal 0,18 Blitze pro Quadratkilometer zur Erde nieder. In absoluten Zahlen registrierten die Messstationen für Kiel 20 Einschläge. Auch in den vergangenen Jahren zählte Kiel zu den blitzärmsten Regionen. Im Bundesland Hamburg wurden 1081 Einschläge registriert, nur Berlin und Bremen hatten weniger. Mit 1,47 Blitzen pro Quadratkilometer landete die Hansestadt diesbezüglich bundesweit auf Rang 9. Spitzenreiter ist Sachsen.
Blitze dürfte es in den nächsten Tagen dort wieder zu beobachten geben. Für den Süden und Osten Deutschlands sagt der Deutsche Wetterdienst für Mittwoch bereits wieder schwere Gewitter voraus. Auch im Norden wechseln sich weiterhin heitere Abschnitte mit kräftigen Schauern und Gewittern ab. Oder wie Meteorologe Frank Böttcher sagt: „Das Wetter bleibt auf Linie.“