Hamburg. In der Kunstinstallation, im Baumhaus, im DDR-Lkw: Das sind die originellsten Übernachtungsmöglichkeiten der Stadt.

Eigentlich war es eine Trotzreaktion, eine Antwort auf enttäuschende Hotelerlebnisse, auf 0815-Zimmer, wie man sie überall auf der Welt findet. Seine Frau hatte in dieser Hinsicht reichlich Erfahrungen gesammelt, erzählt Ralph Merz, war beruflich immer wieder in austauschbaren Unterkünften und meist mäßig begeistert. Irgendwann hatte sie die Nase voll von Einheitslook, Standardbüfett und abwaschbaren Oberflächen, weshalb der Werber und die Maskenbildnerin überlegten: Hotel? Das geht doch auch besser, origineller, persönlicher. Es war die Geburtsstunde für „Das kleine Schwarze“, ihrem Kunsthotel in Eimsbüttel.

Live like locals – lebe wie Einheimische, und zwar am besten ungewöhnlich. „Das ist seit einigen Jahren ein junger, internationaler Trend in der Reisebranche“, sagt Guido Neumann von der Hamburg Tourismus GmbH. Vor allem ausländische Gäste wollen natürlich die großen drei – Elbe, Michel, Alster –, aber auch überrascht werden durch das weniger populäre, möglicherweise das „wahre Hamburg“. In Ottensen, Eimsbüttel, dem Norden St. Paulis oder auch in Wilhelmsburg wird ein anderes Image gepflegt. Und wenn es dort noch drollige Übernachtungsmöglichkeiten gibt, umso besser. Neben dem gediegenen Hamburg wird mehr und mehr die coole, szenige Seite der Stadt beworben. Kunst, Kultur, Musik, Wasser – oder eben individuelle Übernachtungsorte.

Kerstin Esser und Jost Witt betreiben
Kerstin Esser und Jost Witt betreiben " Die Inselpension " in der Witternstraße in Wilhelmsburg © Klaus Bodig

„Das kleine Schwarze“, die bewohnbare Kunstausstellung, gibt es seit fünf Jahren – und der Laden läuft. Wer ein individuelles Hotel sucht, landet schnell an der Tornquiststraße. Und zwar ganz ohne Büfett. „Ich hasse Büfetts“, sagt Ralph Merz. „Bei uns gibt es Frühstück.“ Wobei der Clou des Hauses die wechselnden Ausstellungen in den Zimmern sind. Die Gästeräume werden in regelmäßigen Abständen von unterschiedlichen Künstlern neu interpretiert. „Wer vor einem Jahr da war, kann davon ausgehen, dass sein Zimmer inzwischen anders aussieht“, sagt Merz. Aktuell ist auf Anfrage sogar das Schlafen in einer Kunstinstallation möglich – im Garten des Hauses, im von Jan-Philipp Scheibe gestalteten Wohnwagen.

Beziehbares Lichtobjekt „Dunkel“ am Hotel „Das kleine Schwarze“
Beziehbares Lichtobjekt „Dunkel“ am Hotel „Das kleine Schwarze“ © Bodo Dretzke | Bodo Dretzke

Wie man sieht, kann Übernachten in Hamburg auch Avantgarde sein. „Besondere Konzepte bieten die Chance, dem Kundenwunsch nach Individualität zu entsprechen“, sagt Sascha Albertsen, Sprecher der Tourismus GmbH. „Bestenfalls schärfen sie sogar das Profil eines Reiseziels.“ In Hamburg sei naturgemäß die Wassernähe ein Pfund, mit dem man wuchern könne, vergleichbare Übernachtungen auf Hausbooten, dem Feuerschiff oder der „Cap San Diego“ könnten in Europa sonst nur Amsterdam oder Kopenhagen bieten. Alle sieben Tage auf der „Aida Prima einchecken geht nur in Hamburg. Aber auch „individuelle und kreative Konzepte sind eine Bereicherung für die Stadt“, sagt Albertsen.

Zum Schlafen stehen Fähren, Jurten und Kiezkneipen bereit

Neben 56.000 Betten in 330 Hotels gibt es noch Nischen wie Fassübernachtungen im Garten der Wein- und Friesenstube am Ochsenwerder Kirchdeich, wo Betreiber Arne Meyer vier an Hobbitbehausungen erinnernde Holzgebäude aufgestellt hat, drei liegend, eins stehend – das Sanitärfass. In Wilhelmsburg bietet die „Inselpension“ von Kerstin Esser und Jost Vitt gleich mehrere originelle Schlafmöglichkeiten wie die umgebaute Hafenfähre „Stadersand“ im Harburger Binnenhafen, ein Baumhaus auf einem Kinderbauernhof im Schatten der Hochhäuser von Kirchdorf-Süd oder die „Galerie“, ein Ladenlokal in der Wilhelmsburger Veringstraße.

Hamburgs erstes Fasshotel hat in Ochsenwerder eröffnet
Hamburgs erstes Fasshotel hat in Ochsenwerder eröffnet © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

Campen in der Großstadt? In Hamburg kein Problem. Auf dem Campingplatz Buchholz an der Kieler Straße, dem zentralsten Campingplatz der Stadt, gibt es 30 Stellplätze mit Stromanschluss. Nicht zu vergessen das Strandcamping im Elbecamp am Falkensteiner Ufer (welche Großstadt kann das sonst?) oder Knaus Campingpark im Norden am Wunderbrunnen.

Darüber hinaus hat sich eine beeindruckende Angebotspalette beim Übernachtungsportal Airbnb entwickelt. Unter den mehr als 4000 Angeboten finden sich Schlafmöglichkeiten in einer ehemaligen Kiezkneipe auf St. Pauli, einem DDR-Lkw ebendort, einer Schlosser-Koje in Harburg oder einem umgebauten Schiffscontainer aus China. Ein Zirkuswagen in Hummelsbüttel, ein Oldtimer-Caravan in Rahlstedt, eine Motoryacht in Hamm oder eine mongolische Jurte (im Alten Land) runden den Einfallsreichtum der Privatvermieter ab. Wem also die Nachbarschaft zu Udo Lindenberg im Atlantic zu gewöhnlich ist, findet in der Stadt viele besondere Alternativen.