Hamburg. Simone Theophilus-Speer ist früh Mutter geworden – und früh Oma. Ein Lebensentwurf, den sie auch anderen Frauen empfiehlt.

„Waaas? Sie sind Oma?“, diese Reaktion ihrer Mitmenschen kennt Simone Theophilus-Speer schon, wenn sie mit Ayo im Kinder­wagen spazieren geht. Die meisten halten sie für eine Spätgebärende. Denn die Frau, die sich im Stil der 50er-Jahre kleidet, geht glatt als Mutter des vier Monate alten Babys durch. Simone Theophilus-Speer ist aber Oma – mit 43 Jahren.

Als sie mit 18 Jahren mit Tochter Michelle schwanger war, reagierten die Leute ähnlich. Sie waren ungläubig, auch weil Simone mit 18 aussah wie 15. „Da ist so’n Gör, das ein Kind bekommt“, riefen viele. Heute ist sie nicht nur Mutter, sondern Oma. „Mein Kind hat ein Kind“, sagt Simone Theophilus-Speer noch ein wenig ungläubig, vier Monate nach der Geburt von Ayo.

Sie war in den 90er-Jahren schwanger mit 18 Jahren. Das war schon sehr jung, lag das Alter der Mutter bei der Geburt des ersten Kindes 1970 bei durchschnittlich 24 Jahren, kletterte es bis 1995 auf 28 Jahre und liegt heute bei 29, bei Akademikern sogar bei 33 Jahren. Und während die Zahl der Geburten bei den unter 30-jährigen Frauen sinkt, steigt sie bei den über 40-Jährigen langsam an. 1991 waren es 0,8 Prozent aller Erstgeborenen, die eine Mutter über 40 hatten, zehn Jahre später waren es zwei Prozent. Physiologisch gesehen ist der Körper einer Frau zwischen 20 und 30 Jahren am besten dafür gerüstet, Kinder zu bekommen. In diesem Alter ist die Fruchtbarkeit am höchsten und das Risiko für genetische Defekte beim Nachwuchs am geringsten. Je älter eine Schwangere, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt und das Risiko für Fehlbildungen des Embryos.

Genau wie ihre Mutter wollte Michelle früh ein Kind

Vielleicht wäre Simone Theophilus-Speer, die das Retro-Bekleidungsgeschäft Fräulein Stadtfein in der Altstadt betreibt, auch später Mutter und damit auch später Großmutter geworden, wenn sie besser aufgepasst hätte. Hat sie aber nicht. Es war jugendlicher Leichtsinn, der bei ihr vor 24 Jahren zur Schwangerschaft führte. „Das war krass, ich war in der Ausbildung“, sagt sie. Im Februar hatte sie ihre Ausbildung zur Bürokauffrau begonnen, im März war sie schwanger. Das habe zwar nicht in die Lebensplanung gepasst, aber ihre Eltern hätten sie immer unterstützt. Nach eineinhalb Jahren Pause nach der Geburt von Michelle stieg sie wieder in ihren Job ein.

Bei Michelle war es allerdings eine bewusste Entscheidung: Sie kannte es nicht anders, als eine junge Mutter zu haben, und wollte deshalb auch jung Kinder bekommen. Nur nicht gerade im Teenageralter wie ihre Mutter: „Ich finde, Mitte 20 ist das perfekte Alter“, sagt sie. Ihre Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistentin unterbricht die 24-Jährige jetzt. Wenn Ayo eineinhalb Jahre alt ist, wird sie wieder einsteigen.

Dass Tochter Michelle es ihr nachgemacht hat, sieht Simone Theophilus-Speer locker: „Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, ein Kind während der Ausbildung zu bekommen. Es ist keine Katastrophe.“ Man bekomme das hin. „Ein Zeitplan nützt nichts, es kommt immer etwas dazwischen.“

Für Simone Theophilus-Speer steht fest: Es ist gut gewesen, jung ihre Kinder Michelle und Jasha (20) zu bekommen. Sie plädiert geradezu für eine frühe Mutterschaft: „Wenn man jung ist, ist man lockerer und sieht nicht überall Probleme.“ Ausgehen, feiern – das habe sie nachgeholt, als ihre Kinder alt genug waren und allein bleiben konnten. Sie weiß, wie gut es sich anfühlt, mit 40 wieder spontaner sein zu können – nur mit mehr Falten als mit 19. „Viele meiner Freunde haben kleine Kinder oder fangen jetzt mit dem Kinderkriegen an.“ Dass die jungen Eltern zeitlich eingeschränkt sind, sei kein Problem. Sie weiß ja: „Es kommen auch wieder andere Zeiten.“

Bei der Geburt von Ayo war Oma Simone dabei

Simone Theophilus-Speer ist eine besondere Oma, die bei der Geburt ihrer Enkelin dabei war. „Das war toll, mein Kind bei der Geburt zu erleben.“ Das machen nicht viele, und nur wenige werden in diesem Alter Großmutter: Sie gehört zu lediglich 9,4 Prozent der 40- bis 54-jährigen Frauen, die Oma sind (Stand 2014). 1996 waren es noch 14 Prozent. Zwischen 55 und 69 Jahren werden die meisten Frauen das erste Mal Großmutter (34 Prozent). In den USA würde Oma Simone weniger auffallen, dort liegt das durchschnittliche Alter einer Frau bei der Geburt des ersten Enkels laut einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung bei unter 48 Jahren. Das liegt an den Teenagerschwangerschaften.

An Mütter im Teenageralter denkt Erziehungs- und Entwicklungspsychologe Ulrich Schmidt-Denter jedoch nicht, wenn er an junge Großmütter denkt – wer unter 60 Jahre alt ist, sei aber natürlich „meist fitter und aktiver bei der Betreuung der Enkelkinder“. Häufig seien sie Ersatzeltern. Simone Theophilus-Speer wird sich, glaubt man der Konrad-Adenauer-Studie über „Großelternschaft im Wandel“, besser auf ihre Enkelin einstellen als ältere Großeltern, auch weil sie sich noch gut an den Umgang mit Kleinkindern erinnert. Andererseits sind die jüngeren Großeltern häufig berufstätig und nicht allzeit einsatzbereit. Es wird also auch so sein, dass Simone Theophilus-Speer nicht als Babysitter einspringen kann, wenn ihre Tochter ausgehen will – weil sie selbst tanzen geht.