Hamburg. Erste Tiersegnung bei Hagenbeck. Erzbischof Heße vor 500 katholischen Schülern: „In jedem Tier steckt ein bisschen Gott“.

Manchmal müssen Walrosskühe zu ihrem Glück gezwungen werden. Eine Tierpflegerin lockte am Mittwoch die elfjährige Walrossdame Raissa mit Heringen auf einen Felsen. Sie sollte möglichst nah an einem Mann postiert werden, der da in vollem Ornat die Absperrung überwunden hatte und vor dem 700 Kilogramm schweren Raubtier stand.

Während Erzbischof Stefan Heße sonst in geschützten Kirchenräumen arbeitet, besprengte er nun am Rande von Hagenbecks „Eismeer“ die unerschrockene und vor allem am Futter interessierte Meereskuh mit Weihwasser – stellvertretend für alle rund 1800 Tiere bei Hagenbeck. Dann wandte sich der Geistliche den Menschen zu, die das Geschehen aus nächster Nähe verfolgten – katholischen Viertklässlern aus Hamburg. „Wasser zu Wasser!“, rief er und schaute wieder zu Raissa. Man merkte dem katholischen Oberhirten an, dass er zwar täglich gewohnt ist, seine Schäflein zu segnen. Nicht aber Walrosse.

Die Tiersegnung bei Hagenbeck bildete am Mittwoch den Höhepunkt eines einzigartigen Gottesdienstes. Rund 500 Schüler katholischer Schulen in Hamburg nahmen an dem Aktionstag „Tiere der Bibel“ teil. Veranstalter waren der Katholische Schulverband, das Bonifatiuswerk und das Erzbistum Hamburg.

Während Enten schnatterten und Flugzeuge im Fünfminutentakt über Hagenbecks Himmel flogen, begann auf der Wiese vor dem „Eismeer“ eine Premiere: Erstmals veranstaltete die katholische Kirche hier einen Tiersegnungsgottesdienst. Beflügelt von der Umweltenzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus sollten der Stellenwert der Tiere, die Vollkommenheit und Schönheit der Schöpfung in den Mittelpunkt gestellt werden.

Walross-Geburtstag bei Hagenbeck

Walross-Geburtstag bei Hagenbeck

Walross-Mädchen Loki feierte bereits am 5. Juni Geburtstag
Walross-Mädchen Loki feierte bereits am 5. Juni Geburtstag © dpa | Axel Heimken
Die beiden Tierpfleger Dirk Stutzki und Christin Zimmer überreichen die Torte
Die beiden Tierpfleger Dirk Stutzki und Christin Zimmer überreichen die Torte © dpa | Axel Heimken
Eine aus Fischen und Sahne bestehende Geburtstagstorte
Eine aus Fischen und Sahne bestehende Geburtstagstorte © dpa | Axel Heimken
Loki kann mit der Torte nicht viel anfangen. Sie ernährt sich hauptsächlich von Muttermilch
Loki kann mit der Torte nicht viel anfangen. Sie ernährt sich hauptsächlich von Muttermilch © Picture Alliance / dpa
Moderator Jörg Pilawa gratulierte am Mittwoch persönlich
Moderator Jörg Pilawa gratulierte am Mittwoch persönlich © dpa | Axel Heimken
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Plötzlich begannen die Viertklässler zu klatschen. Doch der spontane Applaus galt nicht den versammelten Kirchenleuten, sondern dem Reporter Willi Weitzel von der TV-Sendung „Willi wills wissen“ und „Ein guter Grund zum feiern“ (ZDF).

Die Kinder winkten ihrem Star zu, der an diesem Tag in Hagenbecks Tierpark durch das Programm führen sollte. „Ich bin immer wieder von der atemberaubenden Schönheit und Vielfalt der Schöpfung hingerissen“, sagte er. „Aber ich sehe auch, wie wir Menschen die Schöpfung oft ausbeuten, missbrauchen und zerstören.“

Dann sprach der Erzbischof zu den Kindern. „Schaut euch die Tiere an“, rief Stefan Heße ihnen zu und hob seine Hand weit nach oben. „Danke, Gott, dass es diese Tiere gibt.“

Er nannte nicht nur die „flinken Erdmännchen“ und die „sorglosen Vögel“. Erzbischof Heße brachte auch zur Sprache, das Tiere von Menschen gequält und ausgebeutet werden. Das sei nicht im Sinne Gottes. Stattdessen gelte es, Tiere wertzuschätzen. „In jedem Tier steckt ein bisschen Gott drin.“

Mehrere Wochen lang hatten sich die Viertklässler im Unterricht mit dem Thema „Tiere und Religion“ beschäftigt. Dazu gehörten unter anderem die Geschichte über die Arche Noah in der Bibel, die Gleichnisse Jesu und der Schöpfungsbericht im Ersten Buch Mose. „Die Lehrer bekamen dafür eine Fortbildung bei Hagenbeck und umfangreiche Materialien“, sagte Schulleiterin Bettina Kuhn von der Domschule St. Marien. Auch im Deutschunterricht sei projektbezogen über das Thema Tiere gesprochen worden. So mussten die Schüler kleine Lexikontexte über bestimmte Tierarten schreiben.

In der katholischen Kirche hat die Tiersegnung vor allem in ländlichen Gegenden eine lange Tradition. 1988 wurde zum ersten Mal ein Tiergottesdienst im ZDF übertragen. Auch in der evangelischen Kirche gibt es gelegentlich Gottesdienste, zu dem die Teilnehmer ihre Haustiere mitbringen können. Einmal im Jahr veranstaltet die Hauptkirche St. Petri einen „Franziskus“-Gottesdienst für Mensch und Tier. „In der neueren Theologie führt die Rückbesinnung auf die biblischen Wurzeln, das franziskanische Erbe und Albert Schweitzers Grundgedanken der ,Ehrfurcht vor dem Leben‘ zu einer verantwortungsvollen Haltung gegenüber der Schöpfung“, betont St.-Petri-Pastor Rolf-Dieter Seemann. Und an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Münster arbeitet sogar ein Institut für „Zoologische Theologie“. Es hat das Ziel, das Verhältnis des Menschen zum Tier „als Vollzug einer schöpfungsgemäßen Spiritualität zu erarbeiten“ und ins kirchliche und öffentliche Bewusstsein zu rücken.

Walrossdame Raissa erhielt den kirchlichen Segen

Nach dem Empfang des Segens reckte Walrossdame Raissa ihre Schnauze gen Himmel und ließ sich von der Tierpflegerin streicheln. Segen und Fische mussten erst mal verdaut werden. Auf die Frage, ob der Erzbischof denn auch die beiden schwulen Pinguine segnen würde (das Abendblatt berichtete), sagte er schmunzelnd: „Den einzelnen Königspinguin schon, aber nicht ihre Ehe.“