Hamburg. Ex-Manager der Konzerntochter Hamburg-Mannheimer und Chef einer Event-Agentur müssen sich ab 14. Juli wegen Untreue verantworten.
Der Startschuss für die Party fällt auf einem Schiff, zur Einstimmung auf die bevorstehende kollektive Triebabfuhr gibt es einen Vorgeschmack. Auf einem Video ist zu sehen, wie eine Barkasse mit barbusigen Frauen an den Versicherungsvertretern der Hamburg-Mannheimer International (HMI) vorbeischippert. Jede der Damen, es handelt sich um Hostessen, reckt ein Schild mit einem Buchstaben in die Höhe, zusammen ergeben sie einen Slogan: „We love HMI“.
Die bizarre Szene auf der Donau bei Budapest war der Auftakt der Lustreise von Versicherungsangestellten der Ergo-Tochter Hamburg-Mannheimer im Juni 2007. Und sie ist Teil der Anklage gegen zwei Männer, die sich nun im Zusammenhang mit dem Skandal vor dem Hamburger Landgericht verantworten müssen.
Sexparty mit 20 Prostituierten
Unter dem Motto „Party Total“ hatte die Versicherung damals ihren besten Vertretern eine Incentive-Reise in die ungarische Hauptstadt spendiert. Die Sause endete in der berühmten Gellert-Therme – und für die Hamburg-Mannheimer in einem beispiellosen PR-Desaster. In dem Bad stieg eine vom Strukturvertrieb der HMI organisierte Sex-Party mit 20 Prostituierten und mindestens 66 Angestellten. Der Versicherung soll ein Schaden von 52.000 Euro entstanden sein.
Für die mit dem Vorstand der Hamburger-Mannheimer offenbar nicht abgesprochene Sex-Orgie müssen sich vom 14. Juli an der ehemalige HMI-Manager Daniel D. und Robert A., Mitgeschäftsführer einer Event-Agentur, verantworten. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Untreue und Beihilfe zur Untreue. Der Fall liegt bei der Großen Strafkammer 31.
Einstellung gegen Geld wäre möglich gewesen
Ursprünglich war noch ein weiterer ehemaliger Manager der Versicherung angeklagt – gegen ihn ist das Verfahren im Juni 2015 jedoch gegen Zahlung von 12.000 Euro eingestellt worden. Auch den jetzt Angeklagten sei gegen Geldauflage eine Einstellung nach Paragraf 153a der Strafprozessordnung offeriert worden. Dem hätten die Männer aber nicht zugestimmt. Sie strebten die „Aufarbeitung in einem geordneten Verfahren an“, sagt Gerichtssprecher Kai Wantzen auf Anfrage.
2011 hatte die Konzernmutter Ergo den Fall durch eine Strafanzeige ins Rollen gebracht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen Manager vor, mit der Beauftragung von Prostituierten gegen die damaligen internen Richtlinien der Hamburg-Mannheimer verstoßen zu haben. Grob besagten die Statuten, dass die Mitarbeiter imageschädliche Handlungen unterlassen müssen. Insofern sei auch die Beauftragung der Prostituierten nicht „genehmigungsfähig“ gewesen, sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nana Frombach. Obgleich er und sein Kollege gewusst hätten, dass derartige Leistungen „nicht vom Unternehmenszweck gedeckt“ seien, sollen sie eine Event-Agentur mit der Organisation der Sex-Orgie beauftragt haben. Deren Chef, Event-Manager Robert A., soll ebenfalls gewusst haben, dass eine Sex-Party gegen die Richtlinien verstieß. Daher, so der Vorwurf, soll er die Kosten für die Liebesdienste in den Rechnungen verschleiert haben.
Frauen an Armbändern unterscheiden
Manager Daniel D. und sein damaliger Kollege hätten mehrere Rechnungen der Event-Agentur freigegeben, so Frombach. Grundsätzlich waren sie befugt, externe Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen – aber eben nur solche, die den Richtlinien nicht zuwider liefen. Der Großteil der 333.000 Euro, die die Agentur der Hamburg-Mannheimer in Rechnung stellte, war aus Sicht der Strafverfolger beanstandungsfrei. Nur nicht jene 52.000 Euro für die Sex-Party in der Gellert-Therme. Über Stunden waren 20 Prostituierten und etliche Hostessen dort für das Amüsement der Männer zuständig. Welcher Umgang mit den Damen angezeigt ist, konnten sie zuvor der Begrüßungsansprache der Führungskräfte entnehmen, wie aus der Anklage hervorgeht. Demnach trügen die Damen – je nachdem, ob es sich um Hostessen oder Prostituierte handelt – unterschiedlich gefärbte Bänder am Handgelenk: Mit den einen, den Hostessen, sei zu reden. Mit den anderen müsse man sich nicht unterhalten, hieß es damals.
Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft die Manager bereits im November 2012 vor dem Amtsgericht St. Georg angeklagt. Wegen des Umfangs der Sache verwies es den Fall zum Landgericht hoch. Das fühlte sich aber nicht zuständig. Schließlich entschied das Hanseatische Oberlandesgericht, dass das Verfahren nun doch vor dem Landgericht zu führen sei. Dass die Verhandlung erst jetzt beginnt, sei darauf zurückführen, dass die zuständige Große Strafkammer 31 mit Haftsachen, ausgelastet gewesen sei, sagt Wantzen.
Für die Ergo könnte es unbequem werden: Wie das „Handelsblatt“ berichtet, wollen die Angeklagten darlegen, dass sie nicht schuldig sein können. Sex als Belohnung sei bei der Hamburg-Mannheimer „normal“ gewesen. Möglicherweise wäre das sogar nicht völlig abwegig: Bei einer Konzernrevision vor vier Jahren war ans Licht gekommen, dass Vertreter der Versicherung in den Jahren 2009, 2010 und 2011 Reisen in einen Swingerclub auf Jamaika organisiert hatten.