Hamburg . Henning Vöpel, Chef des Hamburger WeltWirtschaftsInstituts, über die Folgen des Brexits für den Norden.

Er ist am Donnerstagabend mit dem Bewusstsein schlafen gegangen, dass Großbritannien in der Europäischen Union (EU) bleibt. Als er am Freitag um 5.00 Uhr morgens ins Internet schaute, folgte ein böses Erwachen: Henning Vöpel, Direktor des Hamburger WeltWirtschaftsInstituts HWWI, war „geschockt“, wie er sagt. Das Abendblatt sprach mit ihm wenige Stunden später über die Folgen für die Hamburger Wirtschaft, Beschäftigte und Touristen.

Was bedeutet der überraschende Brexit für die Hamburger Wirtschaft?

Henning Vöpel: Wir werden jetzt bis zu zwei Jahre lang in einer großen Unsicherheit leben. Denn so lange kann sich der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union hinauszögern. Bis dahin wird Unsicherheit für Hamburger Firmen herrschen, die in Großbritannien investiert haben oder investieren wollen. Denn um längerfristig Rechtssicherheit für Investitionen auf der Insel zu haben, muss es bilaterale Nachfolgeregelungen für den Kapital- und Warenverkehr zwischen Großbritannien und der EU geben. Diese Ungewissheit könnte dazu führen, dass Investitionen zurückgestellt werden. Deshalb muss die EU schnell verlässliche Regelungen finden – wie zum Beispiel mit der Schweiz oder Norwegen.

Henning Vöpel leitet das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI)
Henning Vöpel leitet das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) © HWWI | Juerco Boerner Fotografie

Wird der Hamburger Hafen aus Ihrer Sicht unter dem Brexit leiden?

Vöpel: Das sehe ich derzeit nicht. Schließlich verändern sich durch den Brexit ja nicht die Routen der Containerschiffe. Aber der Hafen zeigt exemplarisch, wie wichtig Großbritannien für den Norden ist. Schließlich ist die Insel nach den USA und Frankreich der drittwichtigste Handelspartner für Norddeutschland. Zudem hat Hamburg aus der Historie heraus die wohl engsten soziokulturellen Verbindungen aller deutschen Städte mit Großbritannien.

Was kommt auf Hamburger zu, die in Großbritannien arbeiten?

Vöpel: Auch sie müssen sich auf neue Regelungen bei der Einreise einstellen. Denn eigentlich gibt es nach dem Brexit ja keine Arbeitnehmerfreizügigkeit mehr.

Hamburg ist ein wichtiger Startpunkt für Touristen auf dem Weg nach England – ob mit dem Flugzeug oder dem Kreuzfahrtschiff. Wird man als Urlauber nun länger an der Grenze warten müssen?

Vöpel: Das kann durchaus passieren. Allerdings sind die Grenzkontrollen in Großbritannien ja heute schon sehr viel strenger als in anderen EU-Staaten.