Hamburg. In St. Ansgar wurde das Projekt für ein neues Instrument vorgestellt, in dem ab 2018 auch eine „Kino-Orgel“ klingen soll.

Die Kinder, die sich hier für ein Fotoprojekt mit den Pfeifen der alten Orgel spielerisch aufnehmen lassen, kommen aus verschiedenen Ländern, was für die katholische Gemeinde des Kleinen Michels typisch ist. Nicht nur aus Hamburg, sondern aus verschiedenen europäischen Ländern, aber auch von den Philippinen oder aus Westafrika stammen die Menschen, die sich in dieser Innenstadtkirche heimisch fühlen. „Da viele unserer ­Gemeindemitglieder ohne Orgelmusik aufgewachsen sind, wollten wir uns nicht allein auf unsere Tradition ­beschränken, sondern ein Instrument planen, das auch andere musikalische Sprachen spricht“, sagte Pfarrer Martin Löwenstein, als er das Projekt einer neuen Orgel im gut besuchten Kleinen Michel am Sonntagmittag vorstellte.

Dass dort jetzt überhaupt eine neue ­Orgel gebraucht wird, hat eine Vor­geschichte: Nach der Kriegszerstörung wurde St. Ansgar, wie die Kirche offiziell heißt, bis 1955 wiederaufgebaut. Die Krell-Orgel aus dieser Zeit erwies sich jedoch bald in technischer wie klanglicher Hinsicht als problematisch. 2002 war sie überhaupt nicht mehr spielbar und musste abgebaut werden.

Fünf Jahre später konnte man eine romantische Chororgel aus dem späten 19. Jahrhundert erwerben, die von der österreichischen Firma Mauracher stammt. Bereits dafür hatte sich der 2002 gegründete Orgelbauförderverein engagiert, der aber letztlich den Bau einer neuen großen Orgel für St. Ansgar anstrebte. Mit einer großzügigen Spende ermöglichte Ute Louis, die Witwe des 2012 gestorbenen Hamburger Unternehmers Detlev Louis, ein solches Vorhaben.

Orgelbauer Gaida verwendet historisches Pfeifenmaterial

Dass es sich dabei um ein wirklich außergewöhnliches Projekt handelt, machte der für das Hamburger Erzbistum zuständige Orgelkoordinator Norbert Hoppermann am Sonntag mit ­Erläuterungen und einer Reihe von Klangbeispielen deutlich. Den Auftrag für das 1.024.000 Euro teure Werk ­erhielt mit Thomas Gaida einer der ­interessantesten und innovativsten europäischen Orgelbauer. Gaida, dessen Werkstatt sich im saarländischen Wemmetsweiler befindet, verwendet häufig historisches Pfeifenmaterial aus aufgegebenen Orgeln. „Ich finde, dass die Pfeifen, die oft schon lange Dienst getan haben, einen ganz eigenen Charakter haben und ihre eigene Geschichte erzählen“, sagte er. So wird Gaida in dem neuen Instrument für St. Ansgar nicht nur die erhaltenen Pfeifen aus der Krell- sowie der Mauracher-Orgel, sondern auch von anderen aufgegebenen Orgeln aus mehreren europäischen Ländern wieder gemeinsam zum Klingen bringen: „Da kann dann eine Flöte aus dem Elsass mit einer aus Norddeutschland spielen.“

Dass heutige Pfeifenorgeln oft auch elektronisch hoch aufgerüstet sind und dadurch ein enormes Klangspektrum erreichen, zeigt sich in Hamburg etwa an der historische Marcussen-Orgel in St. Johannis Harvestehude, deren Restaurierung im Frühjahr vergangenen Jahres vollendet war.

„Wie das alles klingen wird, wissen wir noch nicht genau"

Doch bei der neuen Orgel für St. Ansgar kommen noch einige Element hinzu, die ziemlich außergewöhnlich anmuten: So wird es akustisch erzeugte Percussions- und Schlagwerkklänge ­geben, ergänzt durch einige enorm modulationsfähige Register, die der heute fast 92 Jahre alte Hamburger Ingenieur Ernst Zacharias für die Firma Hohner entwickelt hat.

Zusätzlich plant Thomas Gaida, ein Orchestrion, das als Kinoorgel Anfang des 20. Jahrhunderts in England ­benutzt wurde, in das neue Instrument zu integrieren, das an verschiedenen Orten im Kirchenraum aufgestellt wird: Die Hauptorgel nimmt die Westempore ein, doch darüber hinaus gibt es sechs weitere Aufstellungsorte. „Wie das alles klingen wird, wissen wir noch nicht genau, da bleibt ein bestimmter Anteil an Spekulation“, meint Orgelexperte Norbert Hoppermann, der von einem Prozess spricht, in dem sich das alles entwickeln wird. Der Zeitplan steht allerdings bereits fest: Spätestens 2018 soll dieses Klangwunder im Kleinen Michel zu erleben sein. Die Umbauarbeiten werden 50.000 Euro kosten, Spenden sind willkommen.

Infos www.orgel.kleiner-michel.de