Hamburg. „Antifaschisten“ drohen Schatzmeisterin und ihrer Familie auf Plakaten – und veröffentlichen Wohnadresse

Extreme Linke greifen in Hamburg zu immer drastischeren Mitteln in ihrer Auseinandersetzung mit der AfD. In Wilhelmsburg wurden jetzt rund 100 Plakate aufgehängt, in denen unter dem Titel „Achtung, Rassist_Innen im Viertel“ Namen und Adres­se der AfD-Landesschatzmeisterin Nicole Jordan, ihres Mannes und ihrer minderjährigen Tochter genannt werden. „Mit diesem Flugblatt informieren wir Sie über die Rassistin Nicole Jordan, die in unserem Stadtteil wohnt“, heißt es auf dem Plakat, das im Wilhelmsburger Reiherstiegviertel aufgehängt wurde. Darüber ist ein Foto von Jordan in einer Gruppe zu sehen. Ihr Gesicht ist eingekreist, das Ganze wirkt wie ein Steckbrief. „Wer für die AfD aktiv ist und die menschenverachtende Politik öffentlich vertritt, muss dafür zur Verantwortung gezogen werden“, heißt es auf dem Plakat, das mit dem Logo „Antifaschistische Aktion“ gekennzeichnet ist. „Nazis und Rassist_innen beim Namen nennen, dem gesellschaftlichen Rechtsruck entgegen treten!“ Sätze, die man auch als Aufforderungen zur Gewalt deuten könnte.

Jordan hat die Plakate selbst abgenommen und Anzeige bei der Polizei erstattet. „Ich finde es ungeheuerlich, dass hier meine ganze Familie hineingezogen wird“, sagte Jordan dem Abendblatt. „Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis mein Haus gebrandmarkt wird. Ich fühle mich inzwischen politisch verfolgt, werde mich aber nicht einschüchtern lassen.“ Die AfD sei eine demokratische Partei und bei der vergangenen Bürgerschaftswahl demokratisch ins Parlament gewählt worden, so Jordan. „Diese Wahl hat jeder zu akzeptieren.“ Sie bedanke sich „für die zahlreichen E-Mails von Wilhelmsburgern“, in denen sich diese mit ihr solidarisierten. Auch wenn sich die meisten davon nicht der AfD nahe fühlten, hätten doch alle betont, dass sie für die Meinungsfreiheit einstünden.

„Hier werden Menschen von Linksextremisten aufgehetzt, unsere Leute im Alltag anzugreifen – was dann auch praktisch täglich passiert“, sagte AfD-Landeschef Bernd Baumann dem Abendblatt. „Ohne dass die Extremismus-Bekämpfer im rot-grünen Senat das auch nur beachten.“ AfD-Fraktionschef Jörn Kruse sagte, er fühle sich „an üble Polit-Praktiken aus vergangenen Zeiten“ erinnert. „Hier soll jemand bloßgestellt werden, nur weil er einer bestimmten Partei angehört, die sich im demokratischen Spektrum befindet.“ Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Alexander Wolf, sagte, er fühle sich „einmal mehr an Weimarer Verhältnisse erinnert, wo das Faustrecht die politische Ausein­andersetzung dominierte“.

Polizei ermittelt wegen des Verdachts der Verleumdung

Auch aus den anderen Bürgerschaftsfraktionen kam zum Teil scharfe Kritik an der Aktion. „So etwas ist völlig inakzeptabel“, sagte Dirk Kienscherf, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Farid Müller, sagte: „Ein solches Plakat, das wie ein politischer Steckbrief wirkt, geht gar nicht. Hier werden eindeutig Grenzen überschritten und die Konsequenzen nicht bedacht. Das Ausmaß des politischen Hasses an den extremen Rändern unserer Demokratie – beispielsweise auch gegenüber den türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten – finde ich insgesamt verstörend.“

CDU-Innenpolitiker Dennis Gladidator sprach von „widerlichen Methoden“, die der Rechtsstaat nicht tolerieren dürfe. „Politische Auseinandersetzungen werden in Demokratien mit Argumenten geführt und nicht mit Denunziation oder der Androhung von Gewalt und Straftaten.“ Ähnlich äußerte sich FDP-Fraktionschefin Katja Suding. „Wir verurteilen diesen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte aufs Schärfste. Die Freien Demokraten und die AfD trennen politisch Welten. Aber sie ist ebenso wie andere Parteien ein politischer Mitbewerber, der Teil unserer Demokratie ist“, so Suding. „Und in dieser Demokratie gibt es Prinzipien, die für uns unumstößlich sind.“ Wer sich mit der AfD auseinandersetzen wolle, sollte das inhaltlich tun. Auf offener Bühne, mit offenem Visier.

Christiane Schneider, Innenpolitikerin der Linksfraktion, sagte: „Die AfD ist eine rechtspopulistische Partei, die rassistische Ressentiments bedient und schürt und die wir politisch bekämpfen. Methoden der persönlichen Nachstellung und Einschüchterung, die Veröffentlichung von Adressen und ähnliches lehnen wir ab. Sie führen in eine gefährliche Eskalation.“

Die Polizei habe nach der Anzeige von Jordan die Ermittlungen wegen des Verdachts der Beleidigung und Verleumdung aufgenommen, sagte Sprecherin Heike Uhde. Diese richteten sich zunächst gegen unbekannt. Denn der auf den Plakaten unter „Verantwortlich im Sinne des Presserechts“ mit Wohnadresse genannte Benjamin B. dürfte kaum der Urheber des Antifa-Steckbriefs sein. Name und Adresse stammen von einer Liste aller Teilnehmer des AfD-Bundesparteitags in Stuttgart, die Linksextremisten kürzlich im Netz veröffentlich hatten.

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