Tonndorf. Nach dem Wirbelsturm über dem Osten Hamburgs kommt die Entwarnung für Norddeutschland. Experten erklären Probleme mit Wetterprognosen.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) gibt Entwarnung. Nach der Abkühlung ist in Norddeutschland zumindest bis zum Wochenende nicht mit weiteren Wetterextremen zu rechnen. Am späten Dienstagnachmittag hatte ein Tornado Bereiche im Nordosten Hamburgs schwer verwüstet.
Der Deutsche Wetterdienst hatte bereits am Dienstagmittag vor einem Tornadopotenzial in der Region Hamburg gewarnt. Seit einer Woche gab es immer wieder Unwetterwarnungen für die Hansstadt, die umliegenden Regionen und den Rest von Deutschland.
Zu extremen Wettersituationen kam es im Raum Hamburg allerdings nur in Bereichen. Während in Bramfeld der Wirbelsturm tobte, schien in Altona die Sonne. „Wir nennen es den Kochtopfeffekt“, vereinfacht der Meteorologe Rüdiger Hartig vom Seewetterdienst Hamburg. So wie in einem Kochtopf, der mit Wasser auf einer eingeschalteten Herdplatte steht, sei es mit dem Gewitter. „Wir haben alle nötigen Zutaten, die zum Blubbern des Wassers führen, oder eben dem Gewitter, aber im Topf vorherzusagen, wo die Blasen auftreten, das können wir nicht.“
Warnungen vor einem Tornado sind sogar noch schwieriger, da sie noch kleinräumiger sind. Zwar kann mehrere Stunden vor einer möglichen Bildung eines Tornados vor einem Tornadopotential gewarnt werden, dann sind aber auch die Experten meist von Augenzeugenbeobachtungen abhängig, da sich die Stürme innerhalb von wenigen Minuten bis Sekunden bilden und nicht mit Wetterradargeräten oder Wettersatelliten zu messen sind, wie der Tornado-Experte des DWD, Andreas Friedrich, erklärt.
Aufräumarbeiten gehen weiter
Nach dem schweren Unwetter in Hamburg hat die Feuerwehr am Mittwoch ihre Aufräumarbeiten fortgesetzt. Die Einsatzkräfte räumten in den betroffenen Stadtteilen im Nordosten vor allem umgeknickte Bäume und abgebrochene Äste fort, wie ein Sprecher der Feuerwehr am Morgen sagte. Der zwischenzeitlich verhängte Ausnahmezustand sei wieder aufgehoben worden. Die Rettungskräfte waren seinen Angaben zufolge seit Dienstagabend zu mehr als 250 Einsätzen ausgerückt.
Über 1000 Feuerwehrleute waren im Einsatz. Verletzte gab es nach Angaben des Sprechers trotz der Verwüstungen nicht. Ein Gesamtbild des entstandenen Schadens habe sich die Feuerwehr bislang noch nicht machen können, ergänzte der Sprecher.
Spur der Verwüstung
„Es war nur eine Sache von zehn Sekunden, dann war der Tornado durch den Garten gezogen.“ Doch in dieser kurzen Zeit hatte das Wetterphänomen eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Ein halber Baum sei umgeknickt, die Gartenmöbel seien durch die Gegend geschleudert und Dachziegel von den Dächern gefegt worden, erzählt Sandra T., 29, aus Farmsen-Berne.
Am Dienstagabend erlebte der Nordosten Hamburgs ein Unwetter, das man bislang eher aus Nordamerika kannte. Ein Tornado zog über mehrere Stadtteile hinweg. Neben dem orkanartigen Sturm erlebten die Bewohner Starkregen und Hagel. Bäume wurden entwurzelt, Dächer teilweise abgedeckt. Eine Reihe von Autos wurde von umstürzenden Bäumen beschädigt. Über Verletzte wurde bislang nichts bekannt.
Höhenretter im Einsatz
Um 18.44 Uhr war der erste Notruf in der Einsatzzentrale der Feuerwehr eingegangen. Bäume wurden samt Wurzeln aus dem Boden gerissen. An der Haldesdorfer Straße in Bramfeld schlug ein Blitz in ein neunstöckiges Hochhaus ein und zerfetzte einen Sendemast. Das Dach wurde auf einer Fläche von 400 Quadratmetern abgedeckt. Dort waren Höhenretter im Einsatz, weil Dachteile in die Tiefe zu stürzen drohten.
Am Tegelweg in Farmsen-Berne traf es ein achtgeschossiges Wohnhaus. Auch hier wurden Teile des Daches weggerissen. Überall in dem Bereich lagen umgekippte Bäume. An der Straße Kiebitzhegen trafen mehrere umgestürzte Bäume Bungalows. Dächer wurden stellenweise abgedeckt. Ein Hausbesitzer fand in seinem Garten ein Dixi-Klo, das von einer Baustelle stammte.
Auch viele Autos wurden in der Gegend von umgestürzten Bäumen getroffen. „Zum Glück waren in keinem der Fahrzeuge Personen“, sagt Feuerwehrsprecher Werner Nölken. Überhaupt grenzt es an ein Wunder, dass am Abend keine Verletzten gemeldet wurden. An anderen Stellen setzte der Sturzregen mehrere Straßen unter Wasser. An der Bekassinenau fluteten die Wassermassen eine Tiefgarage.
Rund 400 Notrufe pro Stunde
„Wir hatten rund 400 Notrufe pro Stunde“, sagte Feuerwehrsprecher Werner Nölken um kurz nach 20 Uhr. Feuerwehrchef Klaus Maurer ordnete den „Ausnahmezustand“ an. Damit wurde zusätzliches Personal alarmiert. Die Feuerwehr war gegen 21 Uhr mit 44 freiwilligen Wehren, drei Ortsgruppen des Technischen Hilfswerks (THW), sechs Zügen der Berufsfeuerwehr und zahlreichen Sonderfahrzeugen sowie deutlich mehr als 1000 Mann vor Ort. Einsatzleiter Frank Stadler verschaffte sich aus einem Hubschrauber der Bundespolizei einen Überblick aus der Luft.
An der Haldesdorfer Straße richtete die Einsatzführung eine Sammelstelle ein. Von dort wurden die Fahrzeuge zu den Einsatzstellen geschickt. „Eine Koordinierung über die Einsatzzentrale wäre schwerer gewesen“, sagt Nölken. Dort musste die Feuerwehr die „normalen“ Einsätze im restlichen, nicht von der Windhose betroffenen Teil der Stadt abarbeiten. Die Schäden, das war bereits am Dienstagabend absehbar, werden in die Millionen gehen.
Tornado hatte Bodenkontakt
Ursprünglich sei der Tornado in einer Linie von Gewittern entstanden, sagte Frank Böttcher, Geschäftsführer des Instituts für Wetter- und Klimakommunikation in Hamburg, der von seinem Büro im Studio Hamburg in Tonndorf aus den Tornado beobachten konnte. „Dabei entstand zunächst über Sasel und Rahlstedt eine Gewitterzelle mit kräftigem Regen. Westlich davon ist dann gegen 18.25 Uhr ein starker Aufwind entstanden, der die warme und feuchte Luft in die Höhe gerissen hat. Dieser Aufwand rotierte und bildete kurz darauf einen Tornado.“ Die Zelle sei dann über Tonndorf weiter in Richtung Nordosten gezogen und habe Farmsen-Berne sowie Rahlstedt überquert, bevor sie sich über Wandsbek aufgelöst habe, sagte Böttcher weiter.
Zwischenzeitlich habe der Tornado Bodenkontakt gehabt. Das ist für die Einordnung wichtig. Ein Tornado sei nur dann ein Tornado, wenn er Bodenkontakt habe, twitterte der bekannte Meteorologe Jörg Kachelmann. Sonst sei es nur eine Trichterwolke. Frank Böttcher meinte: „Auf dem Video konnte man erkennen, wie Trümmerteile durch die Gegend geflogen sind.“
Tornado extrem außergewöhnlich
Im März 2006 raste schon einmal eine Windhose durch den Harburger Binnenhafen. Zwei Männer starben, als sie in ihren Baukränen von dem Tornado überrascht wurden. Der Tornado hatte damals auch zwei Hochspannungsleitungen getroffen. Dadurch kam es zu einem stundenlangen Stromausfall in Teilen des Bezirks.
Ein Tornado wie dieser sei für Hamburg extrem außergewöhnlich, sagt Böttcher. „Zum einen bedarf es großer Temperaturgegensätze zwischen warmen Luftmassen am Boden und kalter Luft in der Höhe. Feucht-warme Luft ist die zweite Zutat, die dazu führt, dass Luftpakete schneller und weiter nach oben steigen. Der dritte Faktor besteht aus unterschiedlichen Windrichtungen am Boden und in der Höhe. Steigt ein Luftpaket dann auf, muss es seine Richtung im Aufwind ändern, und es kann zur Tornadobildung kommen.“