Winterhude. Miniatur-Wunderland-Chef Frederik Braun lebte mit dem früheren HSV-Spieler in Winterhude unter einem Dach. Die rassistischen Äußerungen von AfD-Vize Gauland entrüsten ihn

    Aus Frederik Braun platzte es irgendwann förmlich heraus. Der Chef des Miniatur Wunderlands hatte sich durch viele Artikel geklickt, die sich mit den rassistischen und beleidigenden Äußerungen des stellvertretenden AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland in Bezug auf den Nationalspieler Jérôme Boateng auseinandersetzen. „Herr Gauland!“, schrieb Braun entrüstet auf der Seite seines Facebook-Accounts. „Ich hatte die Ehre, Jérôme Boateng als direkten Nachbarn im selben Haus in seiner HSV-Zeit – hier spielte er von 2007 bis 2010 – zu haben. Ich habe selten einen höflicheren, netteren und vor allem lustigeren Nachbarn gehabt als ihn. Wenn ich allerdings Sie als Nachbarn hätte, dann würde ich ausziehen!“

    Der Hintergrund: Gauland hat im Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gesagt, dass Boateng, der eine deutsche Mutter und einen ghanaischen Vater hat und in Berlin aufwuchs, zwar als Spieler der deutschen Nationalmannschaft geschätzt werde, was jedoch nicht bedeute, dass er nicht als fremd empfunden werde. Das Original-Zitat lautet: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“

    Mittlerweile relativiert Gauland diese Äußerungen. Der Politiker behauptet, die Aussagen stammten aus einem Hintergrundgespräch, das er als vertraulich angesehen habe. Er habe darin die Einstellung mancher Menschen beschrieben, „aber mich an keiner Stelle über Herrn Boateng geäußert“. Er kenne ihn nicht und „käme daher auch nicht auf die Idee, ihn als Persönlichkeit abzuwerten“, so Gauland.

    Kurz vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft kocht die Debatte hoch – und auch der Hamburger Wunderland-Macher ist entrüstet. „Eigentlich ist Nachbarschaft ganz klar Privatsphäre“, sagt Braun. Dennoch ärgert sich der Dreifach-Vater so sehr, dass er den ehemaligen HSV-Abwehrspieler verteidigen möchte. „Ich bin ihm etwa 30-mal begegnet innerhalb der anderthalb Jahre, die wir im selben Fünf-Parteien-Haus in Winterhude gewohnt haben“, sagt Braun, der 2011 der Kinder und Familie wegen an den Stadtrand gezogen ist. „Meine Erinnerungen an den Nachbarn Boateng sind durchweg positiv, er war unglaublich nett.“ Gerade ihm als glühendem Fan des HSV habe der Fußballstar durch seine zurückhaltende, dabei aufgeschlossene und interessierte Art die Scheu genommen, ihn anzusprechen. „Ich war eher der aufgeregte Bubi, der sich gefreut hat, als er in unser Haus zog. Mit seinem freundlichen Verhalten hat er gezeigt, dass er frei von Starallüren ist.“

    Wenn sie sich in der Garage trafen – Braun lebte im dritten Stock, Boateng im Erdgeschoss – sprachen sie öfter über die aktuelle Situation des Vereins, das letzte Spiel. Oder über Autos. „Da ich auch ein sehr großer Autoliebhaber bin, fand ich seine Autos klasse und habe mich dafür interessiert“, sagt der 49-Jährige. Zeitweise habe der Jung-Profi einen Hummer gefahren, dann einen weißen Porsche Cayenne.

    „Ich kann nur sagen, dass ich einen netten, lustigen Jungen kennengelernt habe, der oft Freunde zu Besuch hatte. Jeder, der ihn als Nachbarn hat, kann sich glücklich schätzen“, so Braun. „Herr Gauland hätte sich für die Klischees, die er treffen wollte, keinen dümmeren Vergleich aussuchen können.“

    Jérôme Boateng selbst sagte nach dem Länderspiel am Sonntag lediglich: „Kann ich nur drüber lächeln. Ist traurig, dass so etwas heute noch vorkommt.“ Lässig postet er indes auf seinem Profil der Plattform Instagram unter „jeromeboateng“ den Hashtag #DefendYourStyle, was so viel bedeutet wie: Bleib deinem Stil treu. Auf dem dazugehörigen Foto scheint er im Flugzeug zu sitzen, ausgestattet mit verspiegelter Sonnenbrille, Ohrstöpseln und verkehrt herum aufgesetzter Kappe. Die darunter stehenden Kommentare sind gereckte Daumen und Sätze wie „Ich wär gern deine Nachbarin“.

    Auch Frederik Braun, dessen Post knapp 1000-mal gelikt wurde und etwa 50 Kommentare hat, erhält Lob. Die Mehrzahl der Schreiber goutiert es, dass „Freddie“ sich für seinen ehemaligen Nachbarn einsetzt. Nur zu einem kam es bislang nicht: dem Boateng-Besuch im Wunderland. Aber auch dafür hat Braun eine Erklärung: „Damals hatte er noch keine Kinder – die Fußballprofis kommen meist zu uns, wenn sie Familienväter geworden sind.“