Hamburg. Vorsitzender der islamischen Al-Nour-Gemeinde fordert sichtbare Moscheen, damit sich Muslime in Deutschland akzeptiert fühlen.
Hamburgs Muslime wollen raus aus dem Hinterhof. „Es ist nicht gut für die Gesellschaft, dass wir immer nur in dunklen Ecken sind“, sagte Daniel Abdin, Vorsitzender der islamischen Al-Nour-Gemeinde, am Donnerstagabend auf einer Podiumsdiskussion in der Moschee-Baustelle von Hamburg-Hamm. Nur „transparente, im Stadtbild sichtbare Moscheen“ könnten dafür sorgen, dass sich vor allem Muslime der 2. und 3. Generation „endlich in Deutschland akzeptiert fühlen“.
Geschätzt 150.000 Muslime leben in Hamburg. Die meisten ihrer etwa 50 Moscheen liegen in Gewerberäumen, in schlichten Wohnhäusern oder in Hinterhöfen, in Baracken, Einkaufszentren, Tiefgaragen oder anderen Provisorien. Allein die ebenso bekannte wie schöne Imam Ali Moschee an der Außenalster und vielleicht die Centrum-Moschee in St. Georg bilden bislang eine Ausnahme.
Die Al-Nour-Moschee ist dabei, eine weitere Ausnahme zu werden: Bereits 2012 hatte die islamische Gemeinde die einstige evangelische Kapernaum-Kirche in Hamburg-Hamm von einem Kaufmann erworben. Anfang 2014 begann der Umbau unter dem Motto „Außen Kirche - innen Moschee“. Zunächst waren 1,5 Millionen Euro veranschlagt, jetzt werden die Kosten auf drei Millionen Euro geschätzt. Im vergangenen September spendierte der Staat Kuwait 1,1 Millionen für neue Empfangsräume. Deren Rohbau ist fertig - aber für die Turmsanierung würden jetzt 630.000 Euro benötigt, sagte Abdin.
Gegen Parallelgesellschaften müssten sichtbare Moscheen gebaut werden
„Wir wollen zu der zentralen interreligiösen Begegnungsstätte in Hamburg werden“, versprach Abdin. Dafür setze man auf den Dialog mit allen Nachbarn, mit allen Religionen und auch mit allen Nicht-Religiösen. Wichtig allein sei, dass Gesellschaften in Frieden leben. Doch einen Eröffnungstermin konnte er nicht nennen - er hofft auf „irgendwann in 2017“. Bis dahin trifft sich auch die Al-Nour-Gemeinde weiterhin in einer Tiefgarage in St. Georg, mit bis zu 2.500 Gebetsteilnehmern.
Unterstützung erhielt Abdin von dem Hamburger Michel-Architekten Joachim Reinig. Der hatte vor drei Jahren an einer umfangreichen Studie mitgearbeitet, die über 42 Hamburger Hinterhof-Moscheen in Text und Bild erfasste. „Seitdem ist wenig passiert“, sagte Reinig. Zwar habe sich auch Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter wiederholt für repräsentative Moscheebauten ausgesprochen, doch weder in der gesamten Hafencity-Planung noch bei der sogenannten „Mitte Altonas“ sei jemals von Moschee-Ideen die Rede gewesen.
Wer etwas gegen Parallelgesellschaften unternehmen wolle, müsse sichtbare Moscheen bauen, sagte Reinig. Sie dienten der Stabilisierung, der „Stärkung der Herkunftskultur“ und der „Transformation von Heimat». Moscheen seien „Zentren des sozialen Lebens“. Es gebe Kinder- und Jugendarbeit, Nachhilfe und Computerkurse, Rechtsberatungen und „Hilfe beim Ausfüllen deutscher Formulare“. Das sei „wichtigste Integrationsarbeit“, die endlich gewürdigt werden müsse. Reinig: „Und die muslimischen Frauen stricken und häkeln wie bei jedem christlichen Gemeindebasar.“
Stefanie von Berg, religionspolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, räumte Nachholbedarf des Parlaments ein, sprach aber von „Versäumnissen von Jahrzehnten“. Der Zustand vieler Hinterhof-Moscheen sei „wenig einladend“. Auch sie plädierte für Moschee-Bauten „in allen Stadtteilen“. Angesichts der aktuellen Suche nach Grundstücken für Flüchtlingsunterkünfte oder bezahlbaren Wohnraum sei dafür aber eine breite Akzeptanz der Bürgerschaft derzeit nur schwierig herzustellen.