Hamburg. Am 25. Mai erinnert der Tag der vermissten Kinder an Familien-Schicksale. Initiativen fordern bessere und schnellere Suchsysteme.
Es ist ein Alptraum: Das Kind kommt nicht nach Hause, nicht nach Stunden, nicht nach Tagen, nicht nach Monaten. Kamil und Ayla Ercan aus Lurup haben ihre Tochter Hilal seit 17 Jahren nicht mehr gesehen.
Am 27. Januar 1999 kam das zehn Jahre alte Mädchen mit einem so guten Zeugnis nach Hause, dass die Eltern ihm Geld gaben. Zur Belohnung durfte sich Hilal Süßigkeiten kaufen. Sie kehrte nie zurück.
An Schicksale wie das von der Hamburgerin Hilal, ihrer Eltern und ihrer Geschwister erinnert an jedem 25. Mai der „Tag der vermissten Kinder“. 1983 wurde er erstmals begangenen – in Erinnerung an einen sechs Jahre alten New Yorker, der auf dem Schulweg verschwand.
Hamburger fordern schnelleres Suchsystem
Es ist auch der Tag, den Initiativen nutzen, um auf die Schicksale aufmerksam zu machen. Die Verbesserung bei der Suche ist das Thema, das die Hamburger Initiative "Vermisste Kinder" voranbringen will. Sie fordert ein europaweites, schnelles Alarmsystem. Vorbild ist das amerikanische Amber Alert. Damit können innerhalb weniger Stunden Notfallmeldungen über eine Vielzahl digitaler Kanäle verbreitet werden. Lars Bruns ist im Vorstand der Initiative, er sagt: „In vielen unserer Nachbarländer sind solche Systeme erfolgreich eingeführt, in Deutschland hinken wir hinterher.“
Dabei reagiert die Polizei bei vermissten Kindern umgehend. Jörg Schröder, Sprecher der Hamburger Polizei, sagt: „Während bei vermissten Erwachsenen noch abgewogen wird, wird bei Kindern sofort eine Vermisstenfahndung eingeleitet.“ Der Grund ist auch folgender: Erwachsene haben ein eigenständiges Aufenthaltsbestimmungsrecht, wie es im Behördendeutsch heißt. Kinder nicht.
Prominente Fälle vermisster Kinder
Und doch mache es laut Schröder Sinn, wenn Eltern zunächst eigenständig aktiv werden. Etwa das Kind anrufen, bei Freunden oder in der Schule nachfragen. „Dennoch sollte keine Zeit verloren werden, wenn der Verdacht besteht, dass das Kind verschwunden ist“, sagt Schröder. Gerade bei jüngeren Kindern, die seltener weglaufen.
Anders ist die Situation bei Jugendlichen. Die meisten verschwundenen Teenager kehren unversehrt nach Hause zurück. Etwa die sogenannten Streunerkinder, die immer mal wieder verschwinden. Oder die Jugendlichen, die in einer Konfliktsituation – sei es ein Streit, Ärger in der Schule oder ähnliches – von zu Hause weglaufen. So wie zwei Jungen, 13 und 14 Jahre alt, die am Dienstag aus einer betreuten Einrichtung bei Kiel ausgebüxt sind. Bundespolizisten griffen die Jungen in einem Zug in Richtung Rostock auf. Die Einrichtung hatte bereits eine Vermisstenanzeige aufgegeben.
Der Fall Hilal Ercan
Schröder nennt noch ein relativ neues Feld, dass die Zahl der vermissten Minderjährigen in die Höhe treibt: Flüchtlingskinder, die bei ihrer beschwerlichen Reise von den Eltern getrennt werden.
Jede dieser Vermisstenanzeigen, so schnell wie sie sich oft erledigen, wird in der Bundesdatenbank gespeichert. Dort ist auch der Fall Hilal Ercan immer noch zu finden. Auch bei der Hamburger Polizei geht die Suche nach dem Mädchen weiter. Schröder: „Es gibt bis heute einen Sachbearbeiter für den Fall.“ Der Ermittler halte unter anderem Kontakt mit den Eltern. Schröder: „Es gibt auch immer mal wieder Anrufe mit Hinweisen.“