Hamburg. Interaktive Klassenzimmer, zugeschaltete Dolmetscher: Hamburg ist digital gut aufgestellt. Noch mehr Zukunft versprechen neue Projekte.
Busse, die mit Ampeln kommunizieren; Straßenbeleuchtung, die automatisch heller wird, sobald sich Fußgänger oder Radfahrer nähern; oder Weichen, die sich selbst melden, wenn sie geschmiert werden müssen. Die Digitalisierung der modernen Welt hat viele nützliche Effekte. Besonders berührend wird es aber auch hier, wenn man sieht, wie die neue Technik auch in Not geratenen Menschen unmittelbar das Leben erleichtern kann. So war es auch bei der Vorstellung der Ergebnisse von zwei Jahren Hamburger Digitalisierungsstrategie am Dienstag im Hamburger Rathaus.
Das UKE, das nach Aussagen von Technikchef Henning Schneider intern bereits seit 2011 papierlos arbeitet, stellte dabei ein Projekt vor, mit dem krebskranken Kinder und Jugendliche auch von der Klinik aus weiterhin am Schulunterricht teilnehmen können. Mittels Videokonferenzen sind sie so in der Lage trotz ihrer Erkrankung zumindest einen Teil ihres Alltags und ihrer sozialen Beziehungen aufrechtzuerhalten, wie es das UKE auch in einem kleinen Videofilm sehr plastisch am Beispiel eines Jungen vorführte.
Abitur vom Krankenzimmer aus
Immerhin drei Schüler hätten diese neue Möglichkeit des „virtuellen Klassenraums“ zuletzt genutzt, ein Jugendlicher mache auf diese Weise gerade sein Abitur, so Schneider. Voraussetzung sei natürlich immer, dass Schule, Mitschüler und Eltern einverstanden seien, dass der Unterricht per Stream übertragen werde. Die technischen Voraussetzungen seien schnell geschaffen, an dem Verständnis und der Akzeptanz bei den Betroffenen müsse länger gearbeitet werde. Als weiteres innovatives Projekt führte das UKE Dolmetscherkabinen ein, in denen etwa Flüchtlingen mit Hilfe eines zugeschalteten Dolmetschers mit den Ärzten kommunizieren können.
Die kleinen, aber sehr anschaulichen UKE-Projekte sind nur zwei der Pilotprojekte, die seit der Unterzeichnung eines „Memorandums of Unterstanding“ (MoU) zwischen der Stadt und dem Telekommunikations-Giganten Cisco vor zwei Jahren umgesetzt wurden. Ein weiteres Beispiel, wie eine „Smart City“ künftig aussehen könnte, präsentierte die Hamburg Port Authority (HPA) mit dem Projekt smartROAD. „Damit testen wir, wie wir den Verkehrsfluss im Hafen und die umgebenden Faktoren wie Lärm oder Kohlendioxid mittels neuester Sensor-Technologien erfassen, auswerten und beeinflussen können“, sagte HPA Digitalchef Sebastian Saxe. „Die intelligente Straße ist ein Mosaikstein im Gesamtkonzept des intelligenten Hafens. Ziel ist, sowohl die Verkehrsträger Straße, Schiene, Wasser als auch den darauf stattfindenden Verkehr an sich intelligenter steuern zu können, um die Gesamteffizienz im Hafen zu erhöhen.“
Baustellen könnten digital koordiniert werden
Auch die Koordinierung von Baustellen in Hamburg soll im Rahmen der digitalen Revolution so verbessert werden, dass sich Auto- und Radfahrer nicht mehr so viel über Dauerstaus ärgern müssen. Das vom Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) dafür ins Leben gerufenen Projekt heißt ebenfalls ROADS. Herzstück ist ein „Multitouch-Tisch“, der es ermöglichen solle, „die Entscheidungsträger im zeitlichen Vorfeld der Maßnahme übersichtlich mit den relevanten Projektinformationen zu versorgen“, wie der Senat das in schönsten Behördendeutsch zusammenfasste.
Soll heißen: Dadurch, dass allen Planern sämtliche Daten über Bauprojekte zur Verfügung stehen, wird im besten Fall vermieden, dass etwa eine Straße dreimal aufgerissen wird, weil erst Rohre, dann Kabel und einen Monat später die Straßenbeläge erneuert werden. Es sei eine „kreative Zukunftsaufgabe, die ständig wachsenden Daten einer Stadt aufzubereiten, um kooperative Prozesse zu erleichtern“, sagte Christoph Heel vom LSBG.
Datenschutz soll verstärkt werden
Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) zog eine wie zu erwarten durchweg positive Zwischenbilanz der Kooperation mit Cisco. „Hamburg ist ein Inkubator für Trends. In den vergangenen zwei Jahren haben wir mit unseren Partnern einige herausragende Projekte entwickelt“, so Horch. „Es geht um anwendungsorientierte Innovationen für den Wirtschaftsstandort Hamburg und das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Darum verfolgen wir den Weg, Hamburg zu einer Smart City zu entwickeln.“ Als Smart City, also „kluge Stadt“ wird eine Stadt bezeichnet, in der Vernetzung und Digitalisierung das Leben aller erleichtern.
Christian Korff von der Firma Cisco sieht Hamburg hier auf einem sehr guten Weg. „Weltweit sind wenige Smart Cities so weit wie Hamburg“, so Korff. „In Hamburg arbeiten Behörden, öffentliche Einrichtungen und Unternehmen aus verschiedensten Branchen erfolgreich zusammen.“
Horch: Keine große Gefahr für Arbeitsplätze
Wirtschaftssenator Horch betonte, dass sich die Kooperation keinesfalls auf Cisco beschränke, sondern auch zahlreiche andere, größere und mittlere Unternehmen an der Digitalisierungsstrategie beteiligt seien. Horch wies zugleich darauf hin, dass die Einhaltung des Datenschutzes angesichts der wachsenden Digitalisierung und der Massen anfallender Daten, etwa durch automatische Registrierung von Autos an Digitalampeln oder Brücken, von großer Bedeutung sei. Eine Stärkung des Datenschutzes solle auf den Weg gebracht werden, sagte Horch. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte müsse die entsprechenden Voraussetzungen bekommen.
Massive Gefahren für den Hafen durch die immer stärkere Nutzung der 3D-Druck-Technologie, mit deren Hilfe fertige Güter vor Ort ausgedruckt werden können, sieht Horch nicht. Es werde auch künftig nötig sein, Produkte zu transportieren. Im Zuge der Digitalisierung würden nicht Hunderttausende von Arbeitsplätzen verloren gehen, so der Senator - auch wenn es „sicherlich Verschiebungen geben wird“.