Neustadt. Erkan U. steht wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz vor Gericht. Viel mehr scheint ihn aber seine unerwünschte Tätowierung im Gesicht zu beschäftigen

    Es sollte für die Ewigkeit sein: „MFFM“ ließ er sich in fetten Lettern auf jede Wange tätowieren. Für „Mongols forever, forever Mongols“ stehen diese Buchstaben, doch jetzt kann Erkan U. diese dauerhafte Signatur aus seiner Zeit bei der Hamburger Rockergruppe offenbar nicht mehr ertragen. Der Mann, der sich lange Zeit als einer der finstersten Typen der Stadt inszenierte, mit düsterem Hofstaat, martialischen Gesten und wütendem Blick, möchte nun ein neues Erscheinungsbild. „Das ist schon echt bedrückend, also ehrlich“, sagt der 37-Jährige über seine Tattoos und bittet darum, sie noch in der Untersuchungshaft weglasern lassen zu dürfen.

    Wird das jetzt lediglich eine kosmetische Veränderung, oder geht sie auch unter die Haut? Eine Radikal-Kur des Ex-Rocker-Bosses – der Kerl, der sich bisher gerne böse gab, nun ganz handzahm? Die Vorwürfe, die vor fünf Monaten zu Erkan U.’s Festnahme durch ein Sondereinsatzkommando der Polizei geführt und ihn jetzt als Angeklagten vor das Schöffengericht gebracht haben, klingen jedenfalls noch ganz nach einem Mann, der allzeit bereit zu sein scheint, eine Waffe zu ziehen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unerlaubten Besitz und Führen von halbautomatischen Kurzwaffen und dazugehöriger Munition vor, nachdem bei zwei Einsätzen im vergangenen Jahr in seiner Wohnung an der Hoheluftchaussee eine Pistole der Marke Norinco und eine Glock beschlagnahmt wurden. Darüber hinaus soll der 37-Jährige in einem Tattoo-Studio mit einer Waffe herumgefuchtelt haben. Ferner ist er wegen Besitzes von Drogen angeklagt.

    Geradezu erpicht darauf, aus seinem Leben zu erzählen, schildert Erkan U., wie er in der neunten Klasse die Schule abgebrochen und dann gejobbt habe, spricht von seinen vier Kindern aus mehreren Beziehungen. Bei den Geburtsjahren des Nachwuchses kommt er ziemlich ins Schleudern. Mit Drogen habe er „sein Leben lang nichts zu tun gehabt“, betont der gebürtige Hamburger. Doch nach zwei Schicksalsschlägen innerhalb der Familie habe er angefangen, erhebliche Mengen Rauschgift zu konsumieren. „Am Ende war es so, dass ich viele Probleme hatte: eine Handgranate unterm Auto und eine Waffe im Haus.“ Doch seine Verteidigerin bremst ihn, weiter auszuholen: „Das Thema Mongols wollen wir heute nicht“, warnt sie.

    Und schließlich schildert der Angeklagte, dem nachgesagt wird, auf dem Kiez Karriere gemacht zu haben, er habe seinen Lebensunterhalt von 2010 bis 2014 als „Fahrer im Lebensmitteltransport“ verdient und danach „von Erspartem gelebt. Ich hatte nicht viel Kosten“. Der Vorsitzende ist erstaunt. Wie es sein könne, dass Erkan U. „immerhin einen Lamborghini“ fahre, ein sehr teures Luxusauto? Das habe seine Familie mit finanziert, meint der Angeklagte. Und zuletzt erzählt der 37-Jährige von einer Zeit, die „wirklich hart“ gewesen sei. „Fünf Monate Isolationshaft, mit niemandem sprechen können“, formuliert er. „Das war Haft in der Haft.“ Aus dem Gefängnis heraus habe er sich indes schon erkundigt, wie er seine leidigen Tattoos weglasern lassen könne „und auch, was das kostet“.

    Im Prozess lässt sich keiner seiner ehemaligen düsteren Getreuen blicken

    Doch auch schon vor den langen Wochen hinter Gittern hat Erkan U. ungewohnt schwere Zeiten erlebt, die ahnen lassen, dass er sich wohl einige Feinde gemacht haben muss: Erst platzierte jemand unter seinem Luxusschlitten eine Handgranate, die explodierte und am Wagen und im Umfeld des Autos erheblichen Schaden anrichtete. Dann posierte ein Transvestit auf dem Kiez mit seiner Kutte, was als schwere Demütigung gilt. Und schließlich kürten die Mongols angeblich einen neuen Boss, kaum dass Erkan U. ins Gefängnis eingerückt war. Auch jetzt im Prozess lässt sich keiner seiner ehemaligen düsteren Getreuen blicken.

    Sie hätten durch die ersten Zeugen erfahren können, wie es war, als Erkan U. festgenommen wurde. Es sei damals, am 4. Dezember 2015, eine „Sondereinheit zur Zugangssicherung“ vorausgeschickt worden, erzählt ein Kripobeamter. „Schließlich lag der Verdächtige auf dem Bauch und gefesselt neben dem Sofa.“ Mit der Frage, ob sie sich jetzt „cool fühlen“, habe Erkan U. die Polizisten begrüßt. Auf dem Sofa fanden die Ermittler eine Schusswaffe, dazu reichlich Patronen, die unter einem Berg von Kleidung hinter dem Möbelstück versteckt war, und weitere Munition, die in einem geschickt verborgenen Hohlraum in einem Regal aufbewahrt wurde. Auf einem Sideboard hätten zwei Kuchenteller „mit Anhaftungen von weißem Pulver“ und ein Strohhalm gelegen. Unter dem Sofa hätten sie „ein riesiges Messer oder eine Machete“ gefunden. Und auf dem Boden habe „noch von den Mongols eine Kutte“ gelegen. Eine Bekannte des Verdächtigen, die bei dem Zugriff in der Wohnung von Erkan U. war, habe im Hinblick auf die Pistole gesagt, so etwas müsse der 37-Jährige doch haben. „Oder soll er sich erschießen lassen?“ Der Prozess wird fortgesetzt.