Hamburg. Dem 58-jährigen Türken wird Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Unterstützer widersprechen.

Ein mutmaßlicher Funktionär der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK muss sich seit Dienstag vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Hamburg verantworten. Dem 58-jährigen Türken wird Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Er soll unter anderem Spendensammlungen überwacht sowie Propagandaveranstaltungen und Ausbildungsreisen in den Nordirak organisiert haben.

Die PKK sei eine Vereinigung, deren Zweck und Tätigkeit es sei, Mord und Totschlag zu begehen, sagte der Bundesanwalt in seiner Anklage. Die Kurdenpartei ist seit 1993 in Deutschland verboten, im Jahr 2002 erklärte die EU sie zur Terrororganisation.

Unter dem Decknamen „Ali“ soll der 58-Jährige zwischen Ende 2012 und seiner Verhaftung im August 2015 nacheinander die PKK-Sektoren Süd 1, Nord und Mitte geleitet haben. Nach Angaben des Bundesanwalts ist die PKK Deutschland in vier Sektoren eingeteilt: Nord, Mitte, Süd 1 und Süd 2. Der Angeklagte sei als Sektorleiter der Europaführung der PKK in Belgien rechenschaftspflichtig gewesen und habe den ihm unterstellten Mitgliedern Anweisungen erteilt. Zur Konspiration habe er mehrfach seine Handys gewechselt.

Die kurdische Arbeiterpartei strebe einen staatenähnlichen Verbund der kurdischen Siedlungsgebiete in der Türkei, Syrien, Iran und Irak an und setze dabei auf bewaffneten Kampf, erklärte der Bundesanwalt weiter. Seit der Festnahme ihres Anführers Abdullah Öcalan im Jahr 1999 bis August 2015 habe sich die PKK zu mehr als 120 Anschlägen bekannt. Diese hätten sich hauptsächlich gegen türkische Sicherheitskräfte gerichtet, unter den Opfern seien aber auch Zivilisten gewesen.

Die Linksfraktion in der Bürgerschaft bewertete die Rolle der PKK dagegen positiv: Sie leiste Widerstand gegen systematisches Unrecht und Kriegsverbrechen durch die türkische Regierung und wirke für multiethnisches und multireligiöses Zusammenleben sowie für Demokratie und Frieden. Der Prozess in Hamburg sei politisch motiviert. Der Angeklagte habe bereits 20 Jahre in der Türkei in Haft gesessen. „Ihn jetzt erneut wegen seines Engagements für die Menschenrechte vor Gericht zu stellen, ist mehr als zynisch“, erklärte der justizpolitische Sprecher Martin Dolzer, der den Prozess selbst beobachtete.

Nach Verlesung der Anklageschrift forderten die Verteidiger einen zweiten Übersetzer als „Vertrauensdolmetscher“. Das lehnte die Strafkammer ab. Die Auseinandersetzung darüber führte jedoch zu insgesamt vier Unterbrechungen bis zur Mittagspause. Mehrere der rund 40 Zuschauer winkten dem Angeklagten aufmunternd zu.

Im Februar 2013 hatte das Oberlandesgericht Hamburg erstmals in Deutschland einen hochrangigen PKK-Kader wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung verurteilt. Der Staatsschutzsenat verhängte gegen den damals 48 Jahre alten Türken eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren. Eine Revision gegen das Urteil hatte der Bundesgerichtshof 2014 verworfen. Das Gericht stellte dabei fest, dass es keine völkerrechtliche Rechtfertigung für den Kampf der PKK in der Türkei gebe.

Seitdem haben weitere Prozesse gegen PKK-Funktionäre stattgefunden. Erst am vergangenen Freitag begann vor dem Oberlandesgericht Celle eine Verhandlung gegen einen 38-Jährigen. Er soll von Norddeutschland aus den Kampf der Kurdenpartei gefördert haben.