Hamburg. Der fünffache Weltmeister ist seit 50 Jahren Mitglied im Hammerdeicher Ruderverein – die Feier wurde zum Familientreffen.
Eine seiner ersten Begegnungen mit Peter-Michael Kolbe hat Axel Schindowsky noch gut vor Augen. Es muss 1969 gewesen sein, der Ruder-Club Allemannia hatte zum Ball ins Hotel Atlantic geladen. Und da erschien dieser junge Mann aus dem Arbeiterverein, dessen Ausnahmetalent sich auch in den feinen Alsterclubs herumgesprochen hatte, mit Fliege und samtenem Jackett, inmitten einer Welt, die nicht die seine war. „Er lief da etwas staksig herum“, erzählt Schindowsky schmunzelnd.
Am Sonnabend war Kolbe, 62, zurück in seinem Revier: Der Hammerdeicher Ruderverein von 1893 hat ihn für 50 Jahre Mitgliedschaft geehrt, und natürlich ist Kolbes langjähriger Weggefährte Schindowsky gekommen. Jürgen Düse auch, der einstige Landestrainer. Und als Überraschungsgast auch Thomas Lange. Er hatte 1988 in Seoul, damals für die DDR startend, Kolbes Traum von der olympischen Goldmedaille im Einer endgültig zerstört.
„Wir freuen uns, dass Peter-Michael Kolbe immer Kontakt zu der Hamburger Ruderszene gehalten hat“, sagte Werner Glowik, der Vorsitzende des Landesruderverbands, „sein Name hat immer noch Strahlkraft.“ Im Rahmen der Feier wurde ein Vierer in Betrieb genommen, die Anschaffung wurde auch dank einer Spende der Stadtreinigung ermöglicht.
Kolbe kehrte immer wieder einmal zu seinem Stammverein zurück
„Als ich in den Verein eintrat, gab es nicht einmal einen Einer“, erzählte Kolbe. Erst recht kein modernes Rennboot. Einige Modelle waren damals noch ohne Rollsitze. Aber das war dem damals zwölfjährigen „Michel“ egal. Er wollte einfach nur rudern. Wasser war sein Element, auch geangelt hat er gern. Und der Hammerdeicher RV, der kleine Arbeitersportclub am Nordufer der Bille, lag nun einmal gleich um die Ecke seines Elternhauses in Hammerbrook.
Das Revier dort ist für Kolbe noch heute „das beste in Hamburg, ruhig, windgeschützt“. Er ist immer wieder einmal zu seinem Stammverein zurückgekehrt, in dem 1966 eine der bekanntesten deutschen Sportgeschichten der Nachkriegszeit begann: in einer kleinen Jugendgruppe. Diese Welt wurde ihm bald zu klein, sein Ausnahmekönnen und das Leben haben Kolbe in die große Welt hinausgetragen. Eigens für ihn wurde in den 80er-Jahren der Ruderclub Hamburg gegründet. Das sollte helfen, die vielen Erfolge zu vermarkten: 13 internationale Medaillen wurden es, darunter fünf Weltmeistertitel im Einer. 1982 siedelte Kolbe zu seiner damaligen Frau nach Norwegen über.
Erst 2007 kehrte er nach Norddeutschland zurück, seitdem lebt er mit seiner früheren Ruderkollegin und heutigen Frau Karin Kaschke in Lübeck. Bis vor Kurzem war er als Lagerist im Hamburger Hafen tätig, inzwischen ist er in die passive Phase seiner Altersteilzeit eingetreten.
Noch heute ist Kolbe im Ruderboot extrem ehrgeizig – er will immer gewinnen
Die Jägerei hat als Hobby überdauert. Mit dem Rudern hat Kolbe erst nach seiner Rückkehr aus Norwegen wieder angefangen, aber der Ehrgeiz ging auch nach 19 Jahren Pause wieder mit ihm durch. „Wenn ich mich ins Boot setze“, sagt Kolbe, „möchte ich auch gern gewinnen.“ Nicht auf Masters-Rennen, „1000 Meter sind mir zu kurz“. Aber gern einmal auf längeren Strecken, nur zum Spaß oder auch für den guten Zweck.
Im Herbst trat Kolbe bei der Regatta „Quer durch Berlin“ im Vierer an und gewann. Mit ihm im Boot: Thomas Lange, 52. „Früher haben sich die beiden kaum Guten Tag gesagt“, erinnert sich Schindowsky. Doch aus den Rivalen von einst sind Freunde geworden. Gelegentlich sitzen die beiden überragenden Individualisten des deutschen Ruderns zusammen im Boot. Sie sind sich auch räumlich näher gekommen. Lange, der seinen Olympiasieg 1992 wiederholen konnte, arbeitet inzwischen als Chirurg in Bad Schwartau und ist seit Februar Vorsitzender des Ratzeburger Ruderclubs.
1980 verhinderte der Boykott der Moskauer Spiele den Olympiastart
Mit der olympischen Niederlage gegen ihn hat Kolbe seinen Frieden geschlossen, wie auch mit den epischen Finalduellen gegen den Finnen Pertti Karppinen 1976 und 1984, die er auf den letzten Metern verlor und jeweils Zweiter wurde. 1980, als Kolbe wohl auf der Höhe seines Könnens stand, verhinderte der Boykott der Spiele von Moskau den Olympiastart.
Vielleicht hat die besondere Tragik, das vergebliche Trachten nach der Krönung, diesen Hamburger Jung aus kleinen Verhältnissen berühmter gemacht, als es ein Olympiasieg vermocht hätte. Peter-Michael Kolbe jedenfalls ist mit seiner Karriere im Reinen: „Wenn ich auf mein Leben zurückschaue, bin ich sehr dankbar, was der liebe Gott mir geschenkt hat.“