Hamburg. Welche Aufgaben und Grenzen Städtepartnerschaften haben, erklärt Corinna Nienstedt von der Handelskammer.

Mit Wirtschaftsfragen und Politik kennt sie sich bestens aus. Internationale Wirtschaftsbeziehungen sind der Arbeitsschwerpunkt der Politologin Corinna Nienstedt, die seit 1989 in verschiedenen Funktionen für die Handelskammer tätig ist.

Hamburger Abendblatt: Frau Nienstedt, Shanghai, Osaka und Chicago, welche dieser drei Städtepartnerschaften ist die wichtigste für Hamburg?

Corinna Nienstedt: Alle drei Städte haben ihren Reiz. Sie liegen alle am Wasser und passen gut zu Hamburg. Sie spielen im Handel und in der Industrie jeweils eine wichtige Rolle und sind auch Kulturmetropolen. Man kann aber sagen, dass wir als Hamburger Wirtschaft die Städtepartnerschaft mit Shanghai am intensivsten pflegen. Hier kommt es am häufigsten zu gegenseitigen Besuchen, aus denen immer neue wirtschaftliche Impulse entstehen, die wir aufnehmen.

Hängt das mit Shanghai selbst zusammen?

Nienstedt: Die Shanghaier fühlen sich den Hamburgern besonders zugeneigt, das spüren wir immer wieder bei der Zusammenarbeit. Man darf nicht vergessen: Shanghai hat mehr als 70
Städtepartnerschaften, und Hamburg spielt dennoch eine besondere Rolle: Die Shanghaier kommen immer wieder mit neuen Initiativen, um die Partnerschaft zu festigen. Ihnen ist diese Verbindung sehr wichtig.

Ist das schon immer so gewesen?

Nienstedt: Ja, in der Tat. Das liegt nicht zuletzt an den vielen Shanghaier Firmen, die hier in Hamburg vertreten sind. Es liegt aber auch an den Personen in der Shanghaier Stadtverwaltung, mit denen wir schon lange zusammenarbeiten. Es ist also eine Mischung aus Peoples’ Business und den wirtschaftlichen Gegebenheiten, die den Reiz dieser Partnerschaft ausmacht.

Stößt das eigentlich auf Gegenseitigkeit? Fühlt sich die Hamburger Wirtschaft auch Shanghai besonders zugetan?

Nienstedt: Ja, absolut. Das liegt natürlich nicht zuletzt an dem starken Wachstum, das China in den vergangenen Jahren erlebte und von dem nicht nur unser Hafen, sondern auch In­dustrie und Handel in Hamburg besonders profitierten.

Wenn es um die Häfen geht, hat Hamburg auch enge Beziehungen zu Osaka ...

Nienstedt: Ja, das stimmt, und Japan ist natürlich für die Hamburger Wirtschaft ein ganz wichtiger Partner. Das gilt nicht zuletzt für unsere Partnerschaft mit Osaka und die sie umgebende Kansai-Region. Aber die japanische Wirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren eher statisch entwickelt.

Wie wichtig sind Städtepartnerschaften für den Handel überhaupt?

Nienstedt: Das kommt ganz auf die Stadt beziehungsweise das Land an. In China beispielsweise, aber auch in Russland, wo der Staatseinfluss auf die Wirtschaft sehr groß ist und Dinge wie protokollarische Fragen sehr wichtig sind, da sind solche Städtepartnerschaften wahre Türöffner.

Inwiefern?

Nienstedt: Wenn Sie für wirtschaftliche Projekte oder Geschäfte in den beiden genannten Ländern die notwendige politische Flankierung erhalten, hilft das sehr. Sobald Sie in China irgendwie tätig sein wollen, haben Firmen unweigerlich mit der dortigen Verwaltung zu tun, etwa weil sie eine Lizenz brauchen oder eine Genehmigung. Wenn es dann ein Foto gibt, auf dem der Shanghaier und der Hamburger Bürgermeister bei der Vertragsunterzeichnung beispielsweise zur Gründung eines deutsch-chinesischen Joint Ventures dabei sind, dann kann das die Glaubwürdigkeit der deutschen Firma bei den chinesischen Behörden erhöhen. Das Foto unterstreicht den Verwaltungsvertretern gegenüber, dass dem Geschäft politisch eine hohe Bedeutung beigemessen wird. Solche Fotos entstehen zum Beispiel bei den regelmäßigen Delegationsreisen, und sie sind für die Wirtschaft oft bares Geld wert.

Spielt in der globalisierten und digitalisierten Welt die persönliche Beziehung noch eine Rolle?

Nienstedt: Ja, absolut.

Welche Handelsbeziehung würden Sie herausheben, bei der keine Städtepartnerschaft eine Grundlage bildet?

Nienstedt:Da fällt mir auf Anhieb Dubai ein, wo sich für Hamburg gerade unglaublich viel Spannendes entwickelt. Hier gibt es für unsere Wirtschaft viele Anknüpfungspunkte: Die in Dubai ansässige Fluglinie Emirates Airlines ist der größte Kunde von Airbus, vor Ort sitzen viele Kunden unserer Medizintechnik-Firmen, und natürlich gibt es auch enge Verbindungen zwischen den beiden Häfen und maritimen Clustern. Unsere Krankenhäuser profitieren zudem von einer steigenden Zahl von Patienten aus Dubai und den gesamten Vereinigten Arabischen Emiraten, die sich in Hamburg behandeln lassen. Besonders interessant ist auch die Dubaier Strategie zur Digitalisierung von Wirtschaft und Verwaltung, die für uns in Hamburg interessante Impulse bringen könnte.

Warum gibt es denn mit Dubai keine Städtepartnerschaft?

Nienstedt: Na ja, die Handelskammer schließt ja keine Städtepartnerschaften. Der Hamburger Senat steht auf dem Standpunkt, eher wenige Städtepartnerschaften abzuschließen und diese dafür intensiv zu pflegen. Für diese Haltung sprechen gute Gründe. Das heißt aber nicht, dass eine Städtepartnerschaft mit Dubai nicht überlegenswert wäre. Und Dubai steht Hamburg sehr aufgeschlossen gegenüber.

Welchen Einfluss hat die Wirtschaft auf die Auswahl der Städtepartnerschaften?

Nienstedt:Wir versuchen, Impulse zu setzen. Der Hamburger Handel war nicht der Treiber der Städtepartnerschaften mit León in Nicaragua und Dar­essalam in Tansania. Diese haben politisch und kulturell ihren Sinn, etwa als Entwicklungspartnerschaften, fußen aber nicht so sehr auf engen wirtschaftlichen Beziehungen. Dem Handel liegen Partnerschaften mit Städten, die wirtschaftlich auf Augenhöhe mit Hamburg sind, näher. Die Kammer berät dabei den Senat. Ich finde, Städtepartnerschaften machen besonders Sinn, wenn man auf Städte trifft, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Da kann man gut Vergleiche anstellen und die Frage stellen: „Wie geht unsere Partnerstadt mit einem Thema um, das auch uns in Hamburg gerade bewegt?“

Was kann man dabei lernen?

Nienstedt: Nehmen wir das Thema Zukunftstechnologien und Digitalisierung. Shanghai geht viel strategischer an dieses Thema heran als Hamburg: Dort hat man sich zum Ziel gesetzt, die digitalste Stadt in China zu werden. Darauf werden viele Projekte ausgerichtet. Es ist schon sehr beeindruckend, zu beobachten, wie strategisch dort dieses Thema angegangen wird und wie das übergeordnete Ziel in den einzelnen Branchen dann umgesetzt wird. Hamburg hat bei dem Thema aber auch etwas zu bieten: Das Hamburger Smart-Port-Konzept zur Digitalisierung des Hafens stößt in Shanghai auf großes Interesse.

2013 hat China mit dem Slogan „One Belt, One Road“ die Seidenstraßeninitiative gegründet. Im Grunde geht es um ein eurasisches Infrastrukturprogramm. Kann das auch für den Hamburger Handel interessant werden?

Können Spannungen zwischen Staaten Städtepartnerschaften belasten?

Nienstedt: Ich würde es andersherum formulieren: Städtepartnerschaften sind dazu geeignet, Spannungen abzubauen. Wir wissen, wie es zwischen Europa und Russland steht. Dennoch haben Hamburg und St. Petersburg vereinbart, ihre gemeinsamen Projekte fortsetzen zu wollen. So eine Partnerschaft sorgt dafür, dass der menschliche Austausch in einer politischen Eiszeit fortbesteht, und wird dadurch besonders wichtig.

Wie ist es denn um die Partnerschaft mit Osaka bestellt? Olympus kam einst mit 14 Mitarbeitern nach Hamburg und beschäftigt hier heute knapp 2000 Menschen. Ist so etwas wiederholbar?

Nienstedt: Ich glaube nicht. In den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts haben die Japaner den europäischen Markt für sich entdeckt und hier Europazentralen errichtet. Diese Phase ist vorbei. Wir können nicht erwarten, dass neue große Unternehmen wie Olympus oder Panasonic aus Japan nach Hamburg kommen. Wir müssen daran arbeiten, dass die japanischen Firmen, die hier sind, sich am Standort weiter wohlfühlen und bleiben. Zudem müssen wir uns um kleine innovative Unternehmen aus Japan bemühen. Chancen gibt es etwa in der Flugzeugzulieferindustrie. Das erfordert aber mehr Geduld als bei den Chinesen.

Die haben aber noch keine großen Unternehmen nach Hamburg gebracht...

Nienstedt: Es gibt in Hamburg knapp 100 japanische Firmen mit 7000 Mitarbeitern. Und 526 chinesische Firmen mit rund 2000 Mitarbeitern. Das sagt schon etwas über die Bedeutung der japanischen Firmen für den Wirtschaftsstandort Hamburg aus. Mit Ausnahme der Reedereien Cosco und China Shipping beschäftigen die chinesischen Unternehmen am Standort Hamburg noch nicht so viele deutsche Arbeitnehmer.Aber einige große chinesische Player wie der größte chinesische Stahlkonzern Baosteel, sind schon hier. Im Zuge der weiteren Internationalisierung der chinesischen Wirtschaft, die sich wegen der sinkenden Wachstumsraten auf dem chinesischen Markt verstärken wird, gibt es gute Chancen für einen weiteren Ausbau dieser Investitionen.

Ist die emotionale Bindung der Japaner an Hamburg ähnlich hoch wie die der Schanghaier?

Was ist das Besondere der Städtepartnerschaft mit Chicago?

Nienstedt: Das sind beispielsweise die erneuerbaren Energien und die Stadtplanung. Die Chicagoer haben großes Interesse an unserer Internationalen Bauausstellung gezeigt und auch am Konzept des Wälderhauses. Die Städtepartnerschaft mit Chicago ist von allen dreien wohl die am wenigsten intensive, und es ist ja auch die jüngste.Zudem kann sich die Wirtschaft in den USA frei entfalten, so dass eine enge politische Flankierung von neuen wirtschaftlichen Projekten dort nicht so notwendig ist. Hier bringen einen Fotos mit politischen Würdenträgern nicht viel weiter.