Hamburg. Erck und Bertram Rickmers wollen den Großteil ihres Schifffahrtsgeschäfts zusammenlegen. Die Firma soll 220 Frachter verwalten .


Blut ist dicker als Wasser. Es ist genau 20 Jahre her, dass die beiden Hamburger Reeder-Brüder Bertram und Erck Rickmers im Streit beruflich getrennte Wege gingen. Ber­tram – der ältere von beiden – stieg 1996 aus dem Gemeinschaftsunternehmen Nordcapital aus und machte anschließend mit der Rickmers-Linie Karriere. Erck baute die E.R. Schifffahrtslinie auf. Beide gehören heute zu den bedeutendsten Reedern und Schiffsfinanzierern in der Stadt.

Nun überlegen die beiden, das Rad zurückzudrehen: Die Brüder prüfen eine Zusammenlegung ihrer Schiffsmanagementfirmen Rickmers Maritime Services und E.R. Schiffahrt in eine international aufgestellte Gemeinschaftsreederei, wie das Unternehmen von Erck Rickmers am Donnerstag überraschend mitteilte. „Beide Gesellschaften haben eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet“, heißt es in der Mitteilung.

Damit steht eine Megafusion auf dem Schifffahrtsmarkt an. Sollte der Zusammenschluss gelingen, wäre er gleichsam historisch wie fundamental: Zusammengelegt würden die beiden Brüder 220 Schiffe bereedern. Das neue Gemeinschaftsunternehmen hätte damit deutlich mehr Schiffe als zum Beispiel Hapag-Lloyd (170) und wäre von den Transportkapazitäten her die fünftgrößte Reederei Europas, größer noch als Hamburg Süd. E.R. Schifffahrt würde rund 90 Schiffe in das neue Unternehmen einbringen, Rickmers Maritime Services etwa 130. Dabei handelt es sich überwiegend um Con­tainerschiffe, aber auch Massengutfrachter sind darunter.

Ganz freiwillig geschieht die Annäherung der beiden Brüder nicht. Die Schifffahrtskrise zwingt sie dazu. Solange die globale Handelsschifffahrt nur ungebremstes Wachstum kannte, war genügend Platz für die beiden Schifffahrtsunternehmen. Doch nach sieben finanziell auszehrenden Jahren, die von Überkapazitäten im Seetransport sowie niedrigen Charteraten für Schiffe geprägt waren, müssen die Marktteilnehmer wieder enger zusammenrücken: „Ziel ist es, die Kräfte in einem von starkem Wettbewerb gekennzeichneten Markt zu bündeln, um den Ausbau des Bereederungsgeschäfts weiter voranzutreiben und die Leistungsfähigkeit der Angebote weiter zu steigern“, heißt es in der Erklärung der E.R. Holding.

Zusammenschluss könnte erhebliche Kostenersparnisse bringen

Der Zusammenschluss der Schifffahrtsunternehmen könnte erhebliche Kostenersparnisse bringen. Diese sind auch notwendig. Allein die Rickmers-Reederei hat im vergangenen Jahr mehr als 135 Millionen Euro Verlust gemacht. Und auch für das laufende Jahr rechnet Bertram Rickmers mit sinkenden Umsätzen und einem noch schlechteren Ergebnis. Deshalb sollen unter anderem einzelne Unternehmensteile verkauft und „die Kostenstrukturen optimiert werden“, wie er selbst vor wenigen Wochen ankündigte. Sein Bruder Erck hatte bereits im Jahr 2012 ein gerade gestartetes politisches Engagement in der Hamburger Politik beendet und sein Mandat für die SPD-Bürgerschaftsfraktion niedergelegt. Er wolle sich angesichts der „tiefen und anhaltenden Struktur- und Finanzierungskrise in der Schifffahrt“ auf seine berufliche Tätigkeit konzentrieren, sagte er damals.

Beide Unternehmen wollten sich am Donnerstag über die Erklärung hinaus nicht äußern. Dabei sind etliche Fragen noch unbeantwortet: Unter anderem wird mit keinem Wort erwähnt, wo das neue internationale Gemeinschaftsunternehmen seinen Sitz haben soll. Es muss nicht notwendigerweise Hamburg sein. Auch wie die Führung des neuen Unternehmens gestaltet wird, ist nicht klar. Nach Informationen des Abendblatts ist aber eine gleichberechtigte Partnerschaft geplant, bei der beide Unternehmen je 50 Prozent der Anteile halten würden.

Schließlich sollen die beiden Holding-Gesellschaften – die E.R. Capital Holding GmbH & Cie. KG und die Rickmers Holding AG – von dem Zusammenschluss unberührt bleiben. Dies gilt auch für die Schiffsfinanzierung und die 275 Millionen Euro schwere Anleihe, die von der Rickmers Holding ausgegeben worden war. Die Prüfung der Fusion dürfte noch einige Wochen in Anspruch nehmen.

Angesichts der Konkurrenz im Schifffahrtsgeschäft und dem enormen Kostendruck hat es bereits eine Reihe von Zusammenschlüssen in Hamburg gegeben. Hapag-Lloyd hat die chilenische Reederei CSAV übernommen, Hamburg Süd die Reederei CCNI. Die französische Großreederei CMA CGM kaufte zudem die in Hamburg ansässige Oldenburg-Portugiesische Dampfschiffs-Rhederei GmbH (OPDR), das Schifffahrtsunternehmen Ahrenkiel ging an das Fondshaus MPC. Wirtschaftssenator Frank Horch begrüßte den Schritt der Rickmers-Brüder als „vielversprechende“ Option. „Eine nachhaltige Stärkung dieser Hamburger Traditionsunternehmen wäre für den Schifffahrtsstandort sehr positiv.“