Hamburg . Rot-Grün will Hansestadt zum Vorreiter der Industrie 4.0 machen, bei der Hersteller, Maschinen, Kunden und Produkte vernetzt werden.

Weichen, die sich melden, sobald sie geschmiert werden müssen, Lager, die selbstständig Waren bestellen oder Produkte, die ihren Herstellern Rückmeldungen zwecks künftiger Verbesserungen geben: Die Vernetzung zwischen Menschen und Maschinen und zwischen Maschinen untereinander wird die Zukunft unseres Wirtschaftens radikal verändern. Das jedenfalls glaubt die Bundesregierung und rief 2011 zur Hannover Messe das Konzept Industrie 4.0 aus. Demnach befinden wir uns gerade in der vierten industriellen Revolution. Nach der ersten, der Mechanisierung mit Dampfkraft, der folgenden Massenfertigung mithilfe von Fließbändern und Elektrizität und schließlich dem Einsatz von Elektronik und IT geht es nun um Vernetzung von Produzenten, Maschinen, Waren und Kunden via Internet. „Ein Ziel ist es, Kunden individuelle Einzelanfertigungen zum Preis von Massenprodukten anbieten zu können“, sagt Adrian Ulrich, Handelskammer-Geschäftsführer für Innovation.

Dass es in Hamburg in diesem Bereich ein großes Potenzial gibt, hat kürzlich eine Studie des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) im Auftrag der Handelskammer ergeben. „Am Standort Hamburg bestehen gute strukturelle Voraussetzungen, die ein Gelingen des Transformationsprozesses begünstigen könnten“, so die Autoren – etwa „die Spezialisierung auf wissensintensive Industrien und Dienstleistungen“, das „vergleichsweise hohe Qualifikationsniveau“ und die bereits ausgeprägten „Verflechtungen von Industrie und Dienstleistung bereits stark ausgeprägt sind“. Nötig sei eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Akteure in Wirtschaft und Gesellschaft.

Diesen Impuls will die rot-grüne Koalition jetzt aufnehmen – und hat für Mittwoch einen Antrag mit dem Titel „Industrie 4.0: Digitalisierung der Hamburger Wirtschaft vorantreiben“ auf die Tagesordnung der Bürgerschaft gesetzt. Ziele: Der „Masterplan Indus­trie“ soll um das Kapitel „Industrie 4.0“ ergänzt und mit allen Beteiligten ein Konzept für die Digitalisierung erarbeitet werden. Besonders gefördert werden sollen mittlere und kleine Unternehmen, Start-ups werden mit der Industrie vernetzt.

Künftig soll das Konzept auch in den Masterplan Handwerk und die Mittelstandsvereinbarung einfließen. Zugleich soll der Senat sich dafür einsetzen, „dass Hamburg aufgrund seiner Rolle als weltweit drittgrößter Luftfahrtstandort Sitzland für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt wird und unter dessen Dach ein Institut zu etablieren, das sich mit dem Thema ,Industrie 4.0 und virtuelle Produktentwicklung‘ auseinandersetzt“.

„Gerade kleine und mittlere Unternehmen hängen bei der Digitalisierung immer noch hinterher. Um den Standort zu sichern, müssen wir das Thema so aufbereiten und vermitteln, dass es für kleine und mittlere Unternehmen greifbar wird und ihnen hilft, im Kontext von Digitalisierung und Industrie 4.0 neue Geschäftsfelder zu erschließen“, sagt SPD-Wirtschaftspolitiker Hansjörg Schmidt. Dabei solle auch ein „Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum“ eine wichtige Rolle spielen, das Ende des Jahres an den Start gehen soll. Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks betont, dass es „ein enormes Potenzial in kleinen und mittleren Unternehmen“ gebe. Die Initiative solle „Hamburger Firmen unterstützen, die Chancen der Industrie 4.0 voll auszuschöpfen und hier eine Vorreiterrolle einzunehmen“.