Hamburg. Sie sollen ihr „individuelles Einkommen oder die Freizeit maximiert“ haben. Machen Hamburger Hafenarbeiter, was sie wollen?
Den 29. Februar dieses Jahres werden die vier HHLA-Vorstände nicht so schnell vergessen. An diesem Tag präsentierten ihnen Experten der Unternehmensberatung Metaplan ihre Ergebnisse über die betriebliche Lage am Containerterminal Burchardkai (CTB). Zwei Jahre zuvor hatte die HHLA-Führung die Spezialisten selbst ins Haus geholt, weil sie der Meinung war, dass sie kompetente und externe Expertise benötigt.
Diese Einschätzung war richtig. Denn was die Unternehmensberater den Vorstandsmitgliedern im Februar schließlich vorlegten, besagt nichts anderes, als dass die betrieblichen Abläufe am Burchardkai dem Machtbereich des Vorstandes offenbar entglitten sind. Das Organisationskonzept am Terminal sei „mangelhaft“, heißt es in der Präsentation von Metaplan, die dem Abendblatt exklusiv vorliegt. „Informelle Machthaber haben sich gegen jede Veränderung gestemmt und die Umsetzung von Projektergebnissen hintertrieben“, lautet einer der brisanten Sätze in der Untersuchung.
Mitarbeiter nutzen Führungsvakuum aus
Wieder einmal geht es um den Burchardkai. Das ist das Containerterminal, an dem im Sommer 2014 die Mitarbeiter den Bahnumschlag lahmlegten, infolgedessen der Zugverkehr im ganzen Bundesgebiet außer Takt geriet. Bahnchef Rüdiger Grube eilte damals ins Hamburger Rathaus, um sich zu beschweren. Der Burchardkai ist auch das Terminal, für das Fuhrunternehmen aus dem Bundesgebiet einen Stauzuschlag einfordern wollten, weil die Abfertigung der Lkw zu schleppend verlief. Praktisch täglich beschweren sich auch jetzt noch Trucker über die mangelnde betriebliche Organisation.
Für die Gründe haben die Unternehmensberater eine einfache Erklärung parat: „Der CTB war über viele Jahre sich selbst und den Beschäftigten überlassen. Deshalb haben die Beschäftigten die Organisationszwecke und -ziele selbst definiert“, heißt es in dem Gutachten. Sie hätten das Terminal über Jahrzehnte so organisiert, „dass entweder individuelles Einkommen oder die Freizeit maximiert wurden“. Die Prozesse seien auf die private Aneignung der Erträge ausgerichtet. Unternehmerische Ziele wie Containerumschlag, Gewinn und Beschäftigungssicherung seien für viele Arbeitnehmer nachgeordnet, steht in dem Gutachten, dessen Ergebnisse der Vorstand eigentlich unter Verschluss halten wollte.
Im Klartext: Am Burchardkai ist ein Führungsvakuum entstanden, das zahlreiche Mitarbeiter kräftig ausgenutzt haben. Eine schlechte Ausgangslage für ein Unternehmen, das aufgrund der Russlandkrise und der Konjunkturabkühlung in China mit einem Einbruch des Containerumschlags zurechtkommen muss. Zumal die Standortbedingungen – aufgrund der fehlenden Elbvertiefung – ohnehin alles andere als ideal sind.
Gesamte Organisationsstruktur überarbeiten
Vom Abendblatt mit der Untersuchung konfrontiert, erklärt HHLA-Vorstand und Arbeitsdirektor Heinz Brandt, was es aus seiner Sicht damit auf sich hat: „Das Papier, das der Vorstand in Auftrag gegeben hat, ist das Ergebnis eines langen Untersuchungs- und Arbeitsprozesses, das schonungslos Mängel der Vergangenheit aufdeckt, um daraus Schlussfolgerungen für die Zukunftsgestaltung abzuleiten.“
Brandt räumt ein, dass organisatorische Veränderungen in der Vergangenheit nur schwer durchsetzbar gewesen seien. Zum einen, weil Führungspersonal fehlte. Das lag am alten Arbeitsmodell, wonach nicht Arbeitszeiten für die Beschäftigten bindend waren, sondern nur ein Pensum, das geschafft werden musste. Zum anderen wurde von bestimmten Kreisen auch offen gegen Veränderungen opponiert, weil sie Nachteile befürchteten.
Ein Teil der Mängel sei inzwischen behoben worden, etwa mit der Abschaffung des Pensums. Klar ist aber auch, dass die gesamte Organisationsstruktur überarbeitet werden muss: „Um die außergewöhnlich großen Containerschiffe mit einer Kapazität von 20.000 Standardcontainern abzuwickeln, wird die heutige Betriebsorganisation nicht ausreichen“, sagt Brandt. „Aktuell werden wir jetzt mit den Arbeitnehmervertretern über eine Veränderung der Betriebsorganisation verhandeln.“ Das habe er dem Betriebsrat bereits angekündigt.
Zwei Millionen Euro hat das brisante Gutachten gekostet
Die mangelnde Führungsorganisation am Burchardkai hat zu personellen Veränderungen geführt. „Es hat Fehler auf allen Führungsebenen gegeben, wir haben daraus die Konsequenzen gezogen, und das Management wurde verändert“, sagt Brandt. Zum Preis des Gutachtens will er sich nicht äußern. Wie das Abendblatt erfuhr, liegen die Kosten bei zwei Millionen Euro.
Dass unter der mangelhaften Betriebsorganisation Kunden wie Reeder oder Spediteure zu leiden hätten, bestreitet Brandt allerdings vehement: „Wir haben Mitarbeiter, die ihr Geschäft verstehen. Der Umschlag am Burchardkai läuft gut.“