Wandsbek. 41 freie Stellen sollen endlich besetzt werden. Mitarbeiter beklagen bei Versammlung „katastrophale Arbeitsbedingungen“

In Hamburg einen Termin für eine Ummeldung oder die Ausstellung eines Personalausweises zu bekommen, ist momentan unmöglich: Es gibt schlicht keine. Für alle 20 Kundenzentren der Stadt zeigte das Online-Terminmanagement am Mittwochnachmittag den gleichen Warnhinweis in roter Schrift: „Terminbu­chungen sind nur für die nächsten 60 Tage im Voraus möglich.“ Mit anderen Worten: Bis Anfang Juni ist hamburgweit kein Sachbearbeiter mehr frei – so schlimm war die Situation noch nie. Dazu der gut gemeinte Hinweis: „Versuchen Sie es bitte später noch einmal. ... Wir arbeiten bereits daran, Ihnen in Kürze wieder mehr Termine zur Verfügung zu stellen.“

Wie sehr das Problem auch hinter den Kulissen bewegt, war am Mittwoch in Wandsbek zu beobachten. Dort ließen auf einer Personalversammlung rund 200 Mitarbeiter aller Kundenzentren mächtig Frust über die für sie und die Kunden unerträgliche Situation ab. „Die Kollegen sind wütend, fassungslos, den Tränen nah“, berichtete Sieglinde Frieß von der Gewerkschaft Ver.di aus der nicht öffentlichen Veranstaltung. „Die sind einfach fertig.“

Dennoch gab es auch einen Hoffnungsschimmer: Denn die anwesenden Bezirksamtsleiter versprachen, mehr Personal einzustellen. „Die Situation ist absolut unbefriedigend“, räumte Harburgs Bezirksamtsleiter Thomas Völsch (SPD) nach der Versammlung gegenüber dem Abendblatt ein. „Das können wir nur beenden, wenn wir die vakanten Stellen besetzen“, so Völsch, der die Einführung des neuen Online-Terminmanagements vor zwei Jahren für alle Bezirke koordiniert hatte.

Die Zahl der Stellen in allen 20 Kundenzentren zusammen ist seit 2012 von 256 auf 212 gesunken. Und von diesen 212 ist knapp ein Fünftel nicht besetzt: „41 Stellen sind frei, und die fehlen“, betonte Völsch. Weil es sich als extrem schwer herausgestellt hat, neue Mitarbeiter zu finden, haben die Bezirke von der Finanzbehörde mittlerweile sogar die Ausnahmeerlaubnis, auf dem externen Arbeitsmarkt nach Personal zu suchen. Damit sind sie zumindest im Hinblick auf die Kundenzentren von der seit einigen Jahren geltenden Vorgabe befreit, Mitarbeiter vorrangig innerhalb der Hamburger Verwaltung zu suchen. „Die Termin­reservierungszeiten sind eindeutig zu lang“, hatte auch der für die Bezirke zuständige Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) kürzlich eingeräumt.

Seit der Einführung des Online-Terminmanagements sind die Hamburger angehalten, sich für eine Dienstleistung vorab im Internet oder telefonisch einen Termin zu reservieren. Wem das gelingt, der wird in der Regel auch zum vereinbarten Zeitpunkt bedient. Etwa 40 Prozent der Bürger verfahren bereits so, und viele von ihnen zeigen sich damit zufrieden. Das Pro­blem ist jedoch, überhaupt einen Termin zu bekommen. Aus diesem Grund, aber auch aus Gewohnheit geht mehr als die Hälfte der Bürger weiter spontan ins Kundenzentrum und nimmt stundenlange Wartezeiten in Kauf – denn Lücken entstehen meist nur, wenn ein Terminkunde nicht erscheint.

Nach offiziellen Angaben des Senats beträgt die durchschnittliche Wartezeit für Spontankunden zwar nur 30 Minuten, aber diesen Wert zweifeln die Mitarbeitervertreter an. „Der Senat versteckt sich hinter seinen Statistiken“, sagte Gewerkschafterin Frieß. Da die Mitarbeiter einen Kunden aber nicht wegschicken dürfen und wollen, staut sich die Bearbeitung der Vorgänge. Am Ende steht immer das gleiche Problem: Es fehlt an Personal.

Die zweieinhalbstündige Versammlung verlief daher „hochemotional“, fasste Thomas Auth-Wittke, Personalratsvorsitzender im Bezirksamt Bergedorf, zusammen. Fast alle 200 Mitarbeiter – durch Teilzeit gibt es mehr Köpfe als Stellen – hätten daran teilgenommen. „Keiner weiß mehr, wie er die Arbeit schaffen und wie er den Kunden gerecht werden soll“, so Auth-Wittke. Eine Mitarbeiterin habe aufgewühlt aus der Geschäftsordnung der Bezirksämter zitiert. Dort stehe, dass Kunden „zeitnah“ zu bedienen seien.

„Die Arbeitsbedingungen sind so katastrophal, dass viele Mitarbeiter an Burn-out leiden“, fügte Angela Trabold, Personalratsvorsitzende im Bezirksamt Altona, hinzu. Der Krankenstand in den Kundenzentren liege mit mehr als zehn Prozent weit über dem Durchschnitt der Hamburger Verwaltung. „Wir Personalräte fordern eine schnelle Lösung“, sagte Trabold. Außer der Einstellung neuer Mitarbeiter gehöre dazu auch, die verfügbaren Termine nicht mehr zu 100 Prozent anzubieten. „In einige Kundenzentren kommen pro Tag 200 Spontankunden“, sagte Trabold. „Das kann nicht funktionieren, wenn die Mitarbeiter schon zu 100 Prozent mit Terminkunden belegt sind.“

Kommende Woche wollen die Personalräte erneut mit den Bezirksamtsleitungen über das Problem sprechen. Dass es über Nacht gelöst werden kann, glauben nicht einmal die größten Optimisten. Denn selbst wenn neue Mitarbeiter gefunden werden, müssen diese ja erst einmal eingearbeitet werden.