Hamburg. Thomas Lambusch warnt vor hartem Tarifstreit in der Metallindustrie. Arbeitgeber stehen geschlossen. Fünf Prozent mehr Lohn gefordert.
Die Tarifverhandlungen für die rund 140.000 Beschäftigten der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie kommen in die entscheidende Phase. Am Donnerstag nächster Woche treffen sich die Verhandlungspartner zu ihrem zweiten Gespräch in Hamburg. Die Gewerkschaft IG Metall Küste verlangt für die Arbeitnehmer fünf Prozent mehr Lohn. Thomas Lambusch, Präsident der Vereinigung Nordmetall und Verhandlungsführer der Arbeitgeber, hält diese Forderung für abwegig. Er kündigt im Abendblatt eine harte Auseinandersetzung an.
Hamburger Abendblatt: Herr Lambusch, die Tarifparteien haben sich in der ersten Verhandlungsrunde schon beschnuppert. Wie ist die Lage, wird die Tarifauseinandersetzung eher schnell und schmerzlos oder lang und blutig?
Thomas Lambusch: Das kann man derzeit noch nicht sagen. Klar ist: Zwischen unseren Vorstellungen und denen der IG Metall liegen Welten. Die Gewerkschaft geht mit Werten ins Rennen, die für uns nicht nachvollziehbar sind.
Wollen Sie denn jetzt bei der zweiten Verhandlungsrunde in Hamburg ein Angebot unterbreiten?
Lambusch: Im Prinzip haben wir das vor. Wir wollen ja zu einem schnellen Abschluss kommen. Darüber beraten wir mit allen Metallverbänden in dieser Woche.
Inwieweit differieren denn Ihre Vorstellungen von denen der IG Metall?
Lambusch: Die IG Metall hat in ihre Forderung die Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank mit zwei Prozent eingearbeitet und einen Produktivitätsfortschritt von 1,5 Prozent. Das haben wir auf das realistische Maß zusammengestutzt: Wir kommen auf eine Inflationsrate von 0,4 Prozent, was übrigens die EZB inzwischen genauso sieht. Und wir sehen unseren Produktivitätsfortschritt bei 0,3 Prozent ...
... Wenn man das zusammenrechnet, wären das 0,7 Prozent mehr Lohn.
Lambusch: Ich sage ja, wir liegen weit auseinander. Die IG Metall rechnet dann noch eine Umverteilungskomponente von 1,5 Prozent ein. Selbst wenn ich hierauf noch die 0,7 Prozent für Inflation und Produktivität draufschlage, komme ich auf 2,2 Prozent, die die Gewerkschaft eigentlich nur fordern dürfte, wenn sie ihre eigenen Prämissen berücksichtigen würde.
Das heißt, Sie sehen nur einen Verhandlungskorridor zwischen 0,7 und 2,2 Prozent?
Lambusch: Das könnte man sagen – wenn wir die Umverteilungskomponente der IG Metall akzeptieren würden, was wir nicht tun.
Das klingt so, als könnte der Streit doch blutig werden.
Lambusch: Ja, das kann blutig werden, wenn die Arbeitnehmerseite die fünf Prozent aufrechterhält. Ich habe von unseren Mitgliedsunternehmen ein sehr eindeutiges Verhandlungsmandat erhalten. Die Geschlossenheit war in der Vergangenheit nicht immer so groß. Die Bereitschaft, einen Streik hinzunehmen, wenn es denn dazu kommt, ist diesmal höher als je zuvor.
Dann scheint es den Betrieben doch gar nicht so schlecht zu gehen. So einen Streik muss man ja erst einmal aushalten können.
Lambusch: Natürlich ist jeder Streik schädlich. Wir müssen aber auch in die Zukunft denken. Und wenn wir jetzt zu viel zulassen und unsere Wettbewerbsfähigkeit weiter mindern, werden wir schon kurzfristig große Schwierigkeiten bekommen.
Das bezweifelt die IG Metall. Airbus hat im vergangenen Jahr seinen Gewinn um 15 Prozent steigern können. Still macht gute Gewinne, Jungheinrich, Thermofischer, Daimler in Bremen. Sollten die Mitarbeiter nicht daran partizipieren?
Lambusch: Sie nennen fünf Unternehmen. Ich könnte Ihnen 200 nennen, denen es deutlich schlechter geht, die zum Teil schon Minus gemacht haben, an Kurzarbeit oder Personalabbau denken. Wir dürfen nicht nur die Leuchttürme betrachten. Das ist das Grundproblem, das die IG Metall hat, sie möchte noch weiter in die Fläche hinein und mehr Tarifbindung erreichen. Das schafft man nicht, wenn man nur die Leuchttürme in Betracht zieht.
Wem geht es denn nicht so gut?
Lambusch: Fahrzeugbau und Luftfahrtindustrie geht es gut. Wenn Sie sich die metallverarbeitende Industrie anschauen, den Maschinenbau oder die Elektroindustrie, sieht das schon deutlich schlechter aus. Die Stahlpreise sind weltweit am Boden. Wegen des geringen Ölpreises haben die Zulieferer der Förderindustrie niedrige Auftragsbestände. Hinzu kommt, dass wir unsere Leistung nicht alleine anbieten, es gibt zahlreiche Wettbewerber in den Ländern um uns herum. Um die Extreme zu nennen: Bei uns kostet die Arbeitsstunde 37 Euro in Polen 7,20 Euro. Und die Polen arbeiten nicht schlechter als wir.
Wenn die Lage in der Branche so unterschiedlich ist, macht es da überhaupt noch Sinn, für einen so großen Branchenverbund zu verhandeln?
Lambusch: Das ist tatsächlich die Frage. Ich bin ein Anhänger des Flächentarifvertrags. Aber man muss ihn dann so gestalten, dass alle mitgenommen werden. Dazu braucht es ausreichend Differenzierungsmöglichkeiten.
Müssen Sie letztlich nicht sowieso das umsetzen, was in den Pilotbezirken ausgehandelt wird?
Lambusch: Nicht notwendigerweise. Wir sind in unserer Entscheidung frei. Selbst wenn der Tarifvorstand insgesamt die Übernahme des Pilotabschlusses absegnet, haben wir regionalen Verbände noch Einflussmöglichkeiten. Deshalb ist der Flächentarifvertrag auch nicht bundesweit gleich, sondern hat regionale Unterschiede.
Diese Tarifverhandlungen sind doch immer ein sehr ritualisierter Vorgang. Die Arbeitnehmer stellen hohe Forderungen. Die Arbeitgeber sagen, das ginge nicht. Man findet markige Worte, es gibt Nachtsitzungen, Warnstreiks, und am Schluss einigt man sich doch. Gehen Ihnen die Rituale auf die Nerven?
Lambusch: Hinter verschlossenen Türen geht es schon anders zu als vor der Kamera. Zunächst einmal geht es ja beiden Seiten darum, die Reihen fest hinter sich zu schließen. Dazu braucht es schon gewisse Rituale. Das ist natürlich nicht ungefährlich, weil man bei den eigenen Mitgliedern eine hohe Erwartungshaltung hervorruft, die irgendwie wieder eingefangen werden muss. Aber niemand sagt, dass Tarifverhandlungen leicht sind. Das ist nicht nur ein Spiel. Es geht um Arbeitsplätze und um die Existenz von Unternehmen. Wissen Sie, ich habe keinen schlechten Schlaf, aber während der Tarifverhandlungen schlafe ich nicht besonders gut, weil doch ein hoher Druck auf uns lastet. Und ich glaube, es geht dem Verhandlungsführer der Arbeitnehmer, Meinhard Geiken, ähnlich.
Der Chef der IG Metall Küste und Sie kommen gut miteinander aus. Es heißt, Sie seien sich charakterlich ähnlich. Haben Sie auch privat eine Beziehung zueinander?
Lambusch: Das nicht, aber wir haben etwa den gleichen Hintergrund und einen guten Draht zueinander.