Hamburg. Hamburger Edeka-Gruppe darf den Konkurrenten Kaiser’s Tengelmann übernehmen. Doch die Kritik an der Ministererlaubnis ist heftig.
Es waren große Worte, die Sigmar Gabriel am Donnerstag in Berlin wählte, um seine Sondererlaubnis für die umstrittene Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch den Hamburger Branchenprimus Edeka zu rechtfertigen. Es gehe um den Erhalt von 16.000 Arbeitsplätzen und um das Schicksal von Menschen, die in diesem Land nicht eben zu den Gutverdienenden gehörten, sagte der Bundeswirtschaftsminister (SPD). „Die Gemeinwohlgründe überwiegen die befürchtete Wettbewerbsbeschränkung.“
Damit hat der Vizekanzler nach fast einem Jahr des Tauziehens endgültig grünes Licht für die Übernahme von rund 450 Kaiser’s-Märkten durch Edeka erteilt und sich zugleich über die Bedenken von Kartellwächtern, Konkurrenten und Lieferanten wegen einer zunehmenden Machtkonzentration im Lebensmittelhandel hinweggesetzt.
Wie ernst es diese mit ihrer Kritik meinen, zeigte sich postwendend an der Reaktion der deutschen Nummer zwei, der Rewe-Gruppe. Kaum war Gabriel vom Podium in Berlin abgetreten, da kündigten die Kölner auch schon eine Beschwerde vor Gericht an. Die Entscheidung sei schlecht für alle Verbraucher, kleine und mittlere Lieferanten, für die Landwirtschaft und für den fairen Wettbewerb allgemein, donnerte Rewe-Chef Alain Caparros.
Vorsitzender der Monopolkommission tritt zurück
Etwas länger brauchte der Vorsitzende der Monopolkommission, Daniel Zimmer, für seine Antwort, doch dann fiel diese umso heftiger aus. Der Chef von Gabriels eigenem Beratergremium für Wettbewerbsfragen trat aus Protest gegen die Entscheidung zurück. „Eine Fortführung meiner Tätigkeit in der Monopolkommission erscheint mir nicht sinnvoll, wenn eine einstimmig erteilte Empfehlung der Kommission in einem eindeutigen Fall nicht angenommen wird“, erklärte der Wissenschaftler.
Ein Kommentar:
Zimmer betonte, die vom Minister gewährte Erlaubnis erscheine ihm unter dem Aspekt des Gemeinwohls als „die schlechteste aller Lösungen“. Sie schade dem Wettbewerb. Sie sei auch zum Nachteil der Verbraucher, die künftig mit weniger Auswahl und höheren Preisen rechnen müssten. Auf lange Sicht sei davon auszugehen, dass der Deal auch der Beschäftigung schade. Denn Edeka habe wegen seines dichten Filialnetzes langfristig mehr Anreize zur Schließung von Filialen als andere Handelsunternehmen.
Der Bundeswirtschaftsminister hatte sich zuvor darum bemüht, seine Ministererlaubnis so gut wie möglich juristisch wasserdicht zu machen und vor allem den Erhalt der Arbeitsplätze bei Kaiser’s auf bis zu sieben Jahre abzusichern. Die Auflagen für die Übernahme sehen konkret vor, dass Edeka die übernommenen Kaiser’s-Märkte für fünf Jahre nicht an selbstständige Einzelhändler oder andere Unternehmen weiterverkaufen darf. Für diesen Zeitraum und sogar noch 24 Monate über einen etwaigen Verkauf hinaus sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Auch die Tarifbindung und die Mitbestimmungsrechte müssen erhalten bleiben und mit entsprechenden Tarifverträgen mit den zuständigen Gewerkschaften Ver.di und NGG festgezurrt werden. Verstößt Edeka gegen die Auflagen, so ist unter bestimmten Voraussetzung ein Widerruf der Ministererlaubnis möglich.
„Wir werden gewinnen“
So sehr sich Gabriel um die Belange der Arbeitnehmer sorgte, so wenig hatte er bis zuletzt für die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kritiker übrig. Das Bundeskartellamt hatte den Zusammenschluss im April 2015 untersagt, weil es eine zu große Übermacht von Edeka fürchtete. Doch aus der Sicht des Ministers ist Kaiser’s schlicht zu klein, um eine wesentliche Machtverschiebung im Lebensmittelhandel zu bewirken. Der Zugewinn von einigen Prozentpunkten Marktanteil für Edeka in bestimmten Regionen wie Berlin oder München hätten keine negativen Auswirkungen auf die Verbraucher, Preisanstiege seien nicht zu erwarten, so Gabriel. Wohl auch deshalb hat sich der Vizekanzler gar nicht erst darum bemüht, weitere Auflagen für Edeka wie etwa die Weitergabe einzelner Märkte in problematischen Regionen zu machen. Dass er mit dieser Position auch vor Gericht durchkommen wird, davon ist der Minister überzeugt. Was denn bei einer Klage passiere, wurde er gefragt. „Wir werden gewinnen“, sagte er darauf knapp.
Die Verantwortlichen bei Edeka und Tengelmann begrüßten naturgemäß die Ministererlaubnis. „Wir freuen uns darüber, dass wir den Beschäftigten von Kaiser’s Tengelmann eine sichere Zukunft im genossenschaftlichen Edeka-Verbund bieten können“, sagte der Chef der Hamburger Gruppe, Markus Mosa. Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub erklärte, nach der langen Wartezeit gebe es für die Mitarbeiter nun endlich eine Perspektive. Haub hatte immer wieder damit gedroht, Kaiser’s-Märkte zu schließen, weil die Kette aufgrund ihrer Größe allein nicht überlebensfähig sei.
Beide Unternehmen wollen die Auflagen des Bundeswirtschaftsministers nun zügig abarbeiten. Edeka sei zu einer raschen Einigung mit den Gewerkschaften bereit, hieß es. Die ersten Gespräche würden kurzfristig geplant. Auch Ver.di sprach sich für zeitnahe Tarifverhandlungen aus.