Hamburg. Vor wenigen Jahren war er wirtschaftlich am Boden. Nun ist „Deutschlands bester Bäcker“ wieder auf Erfolgskurs.
Jochen Gaues ist so etwas wie der bunte Hund unter den deutschen Bäckern. Als „Kultbäcker“, „Bäcker-Punk“, „der Bäcker der Schönen und Reichen“ wird er gern bezeichnet. Der Boulevardpresse in Hannover sind Verstöße des 49-jährigen gegen Straßenverkehrsregeln größere Berichte wert, in den Gourmetkolumnen seriöserer Blätter wird dagegen die Qualität des von Gaues in einer Backstube in Lachendorf bei Celle gefertigten Brotes gelobt. Gelegentlich taucht die Einschätzung „Deutschland bester Bäcker“ auf. Er selbst spricht immer wieder gern über die Zeit, als auch das Bundespräsidialamt in Berlin sein Backwerk bestellte. Das war Anfang der 2010er-Jahre, bald darauf folgte der tiefe Sturz der Firma Broterbe Gaues – Insolvenz.
Doch mittlerweile ist Bäcker Gaues wieder im Geschäft und Hamburg dabei sein wichtigstes Standbein. Acht Filialen hat das Unternehmen seit März vergangenen Jahres in der Hansestadt übernommen oder neu eröffnet, sechs Ladengeschäfte unterhält Bäcker Gaues in der Region zwischen Celle, Hannover und Braunschweig. Warum aber betreibt eine Bäckerei mit Produktionsstätte nahe der niedersächsischen Landeshauptstadt die Mehrzahl seiner Filialen gut 100 Kilometer weiter nördlich? Gaues sagt: „Hannover und Hamburg haben nur das H als ersten Buchstaben gemeinsam. In Hannover gibt es nicht genug Leute, die sich das Brot leisten können.“
Alles andere als ein Billigbäcker
Er ist alles andere als ein Billigbäcker. Das in riesigen Laiben in den Regalen liegende Sylter Weißbrot wird zum Kilopreis von sieben Euro verkauft, Ciabatta mit Walnüssen zu mehr als neun Euro pro 1000 Gramm abgegeben. Das kann und will sich nicht jeder leisten. In der Filiale an der Hoheluftchaussee sind manche Sorten kurz vor Geschäftsschluss trotzdem gelegentlich ausverkauft.
„Es ist immer noch die umsatzstärkste Filiale“, sagt Gaues über das Ladengeschäft, mit dem er 2010 erstmals in den Hamburger Bäckerei-Einzelhandel einstieg, Filialen am Poelchaukamp in Winterhude und am Eppendorfer Baum kamen schnell hinzu. Doch dann begann der Niedergang: 2011 wurde Gaues Frau, die damals die Geschäfte führte, wegen Hygienemängeln in der Backstube zu einer Geldstrafe im fünfstelliger Höhe verurteilt, im Jahr darauf musste ein Insolvenzverwalter geholt werden. Er konstatierte betriebswirtschaftliche Fehler. Jochen Gaues erinnert sich zwar auch deshalb ungern an diese Tage, weil er „gerade den zweiten Ferrari bestellt“ hatte, kommt aber zur Einsicht: „Letztlich ist man immer selber schuld.“
Jedenfalls blieb keine andere Wahl, als die Läden und den Firmennamen zu verkaufen. Gaues war nicht mehr bei seiner Frau, sondern bei den neuen Besitzern angestellt. Es ging nur wenige Monate gut zwischen ihnen.
Dann aber, so erzählt es Gaues, habe ein Bekannter, der sich um Geld keine großen Gedanken mehr machen müsse, mit einem zinslosen Darlehen die Rückkehr ins Geschäft ermöglicht. Bäcker Gaues heißt das neue Unternehmen, der Namensgeber ist wieder Angestellter, Inhaberin und Geschäftsführerin ist eine gute Bekannte. Die ehemalige Backstube wurde gekauft und renoviert, Gaues begann wieder, das zu tun, was ihn schon einmal groß gemacht hatte: Die gehobene Gastronomie mit Brot versorgen. Etwa 30 sogenannte Lieferkunden habe das Unternehmen in Hamburg inzwischen wieder, sagt dessen prominentester Mitarbeiter. Namen wie Poletto, das Le Canard, das Elysée, das Hadleys am Schlump und Käse Thiele fallen.
„Geiz-ist-geil-Mentalität ist vorbei“
Seit Anfang März 2015 firmieren die drei ehemaligen Broterbe Gaues-Geschäfte an der Hoheluftchaussee, am Poelchaukamp und am Eppendorfer Baum unter dem neuen Namen Bäcker Gaues, weitere Läden kamen in schneller Folge hinzu: Blankeneser Bahnhofstraße, Ottenser Hauptstraße, Osterstraße, Waitzstraße und erst vor wenigen Tagen die Eppendorfer Landstraße. Allesamt Standorte, in deren Umfeld hinreichend viele potenzielle Kunden wohnen, denen der Preis weniger wichtig ist als die Qualität.
Deren Zahl wächst ohnehin, ist Jan-Henning Körner, der Obermeister der Bäcker-Innung Hamburg, überzeugt. „Die Geiz-ist-geil-Mentalität ist vorbei. Große Teile der Bevölkerung sind bereit, für hohe Qualität auch entsprechend zu bezahlen“, sagt der Handwerksbäcker, der sein Brot auf Finkenwerder formt. Betriebe, die auf Individualität und Topqualität ihrer Produkte setzen, hätten gute Chancen am Markt.
Bäcker Gaues will nach der schnellen Expansion nun erst mal eine Atempause einlegen. 100 Mitarbeiter habe das junge Unternehmen bereits, in der Backstube werde im Zwei-Schicht-System der Teig von Hand geknetet. Drei Lieferwagen beliefern die acht Hamburger Filialen derzeit täglich. Am vorletzten Sonnabend, sagt Gaues, seien um die 4000 Kunden in den Geschäften gewesen. „Wenn sich die Entwicklung so fortsetzt wie in den ersten beiden Monaten des Jahres, erreichen wir 2016 sechs bis acht Millionen Euro Umsatz.“
Erst einmal aber gibt Gaues seine Rezepte preis. Diese Woche erscheint sein Buch mit dem schlichten Titel „Brot“. Die Leser erfahren unter anderem, was in ein Kohl-Speck- oder ein Ox-Brot nach Gauescher Art gehört. „Wir wollten es schon vor drei Jahren machen, es sollte Broterbe Gaues heißen. Gut, dass das damals nichts geworden ist“, sagt Gaues grinsend. Die erste Auflage mit 10.000 Exemplaren sei bereits verkauft. Ganz am Ziel aber sieht der Bäcker sich noch nicht. Ungewohnt bescheiden sagt er: „Es wäre schön, wenn ich auch wieder das Bundespräsidialamt beliefern könnte.“