St. Pauli . Die Designerin Ulrike Krages hat einen Entwurf für das an der Reeperbahn geplante Hotel vorgelegt – unabhängig von den dort bauenden Investoren. Die Idee: eine klassische Fassade, die zum Kiez passt

Irene Jung

Eine Fassade mit klassischen Elementen, „weil sich die Menschen dahinter einfach am wohlsten fühlen“, und auf dem Dach ein Engel mit schützend ausgebreiteten Armen. „Damit könnte man denen, die auf St. Pauli leben, symbolisch zeigen: Wir nehmen den Stadtteil als eure Heimat wahr und nicht nur als Amüsierviertel.“

Ulrike Krages, Hamburger Designerin und Inhaberin eines Architekturbüros, macht sich schon seit Jahren Gedanken über die Bebauung der Heißen Ecke an der Reeperbahn, Ecke Hein-Hoyer-Straße. Seit zweieinhalb Jahrzehnten liegt das Grundstück brach, das seinen Namen durch den gleichnamigen Imbiss erhalten hatte, der 1991 abgerissen wurde.

Nachdem mehrere angekündigte Projekte gescheitert waren, gibt es nun zum ersten Mal eine Baugenehmigung – für ein Hotel, das nach Ansicht von Ulrike Krages, die mal in Harvestehude, mal auf dem Kiez lebt, ungefähr so aussehen sollte wie ihr Entwurf. „Hier darf nur ein Neubau entstehen, der die Besonderheiten des Viertels aufgreift“, sagt sie. Daher habe sie ihrem Entwurf eine Fassade mit einer gewissen „schroffen Romantik“ verpasst, in warmen Farben und mit Elementen, die man von klassischen Altbauten her kenne. Für diese „historisierende“ Fassadengestaltung ist sie bekannt, seitdem sie 2001 damit Neubauten am Harvestehuder Weg versehen hat.

Der Standort vertrage weder ein sogenanntes Designhotel, noch sei hier Wohnungsbau möglich. „Aber ein Hotel, dessen Investor über seinen Tellerrand hinausschaut, würde dem Kiez guttun.“ Die typischen Fehler der Gen­trifizierung müssten dabei unbedingt vermieden werden. Dazu zählt sie, dass immer wieder gewachsene Viertel durch unsensibel geplante Neubauten „verwässert“ würden, etwa in Ottensen, in der Schanze oder in St. Georg. „Das ist besonders ärgerlich, weil dadurch die Identität der Quartiere verloren geht – und damit auch die Identität der Bewohner, die sich in Hamburg mehr als anderswo mit ihren Vierteln identifizieren.“

So stehe etwa St. Georg für Toleranz, Ottensen für Kreativität, Harvestehude für Bürgerlichkeit und St. Pauli – nicht ganz korrekt – für Amüsement. „Das ist aber nur die eine Seite des Stadtteils“, sagt Ulrike Krages. „Auf der anderen Seite leben hier viele Menschen, denen St. Pauli seit Langem eine Heimat ist.“ Sie würden oft kaum wahrgenommen. Mit einem Hotel, das mit Sensibilität und Augenmaß errichtet werden würde, könne man dem Stadtteil „etwas zurückgeben“. Nicht nur durch die Fassadengestaltung, sondern auch durch ein gutes Konzept. Dazu könnte beispielsweise gehören, dass man bestimmte Räume für Stadtteilveranstaltungen zur Verfügung stelle oder einen Teil der Einnahmen verarmten Prostituierten spende.

Sie wünsche sich ein ähnliches Instrument wie die städtebauliche Erhaltungsverordnung, mit der die Bezirke ihren Altbaubestand schützen können, auch für eine neue Bebauung. „Es müsste eine Instanz geben, die geplante Neubauten hinsichtlich ihrer Verträglichkeit für den Stadtteil prüfen kann und dabei die Menschen, die Nachbarschaft und die Tradition des Viertels berücksichtigt.“

Auf St. Pauli rennt Ulrike Krages mit ihrer Forderung eines kiezkompatiblen Hotels offene Türen ein. „Konzept und Bebauung müssen zum Stadtteil passen“, sagt auch die SPD-Politikerin Henriette von Enckevort, die auf St. Pauli wohnt und für den Wahlkreis Hamburg-Mitte in der Bürgerschaft sitzt. Wer über die Stadtteilentwicklung auf St. Pauli nachdenke, müsse ganzheitlich an die Sache herangehen. „Man muss sich zusammensetzen und herausfinden, was für den Stadtteil, die Anwohner, die Politik und den Investor wichtig ist.“ Das gelinge nur, wenn man „gut und viel“ miteinander rede. Auch Carl Philipp Schöpe, SPD-Bezirksabgeordneter aus St. Pauli, sagt: „Es ist wichtig, dass jetzt ein Nutzungskonzept für das Hotel erarbeitet wird, das sich in den Stadtteil einfügt und der besonderen Lage gerecht wird.“

Das müsse sich auch im Preissegment des Hotels abbilden, fordert Quartiersmanagerin Julia Staron: „Wir haben gerade an Hotels, die nicht so teuer sind, noch Bedarf.“ Das merke man besonders im Alltag, etwa, wenn Messe sei. „Wir haben viele Gäste auf dem Kiez, ich sehe ein Hotel erst einmal als Bereicherung“, sagt auch Travestie-Star Olivia Jones. „Wenn das Konzept dort stimmt, ist es doch gut.“

Bezüglich des Konzepts könne man natürlich keinen Zwang auf den Investor ausüben, sagt Bezirksamtsleiter Falko Droßmann (SPD). „Aber wir können mit ihm reden.“ Das gelte genauso für die Fassadengestaltung. „Damit gehen wir im Bezirk Hamburg-Mitte sehr sensibel um. Nirgendwo anders gibt es darüber einen so intensiven Austausch zwischen Behörde, Bezirksversammlung und Investor wie bei uns.“

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