Hamburg/Berlin. Die Nachfrage übertrifft das Angebot. 1,8 Millionen Deutsche machten 2015 Urlaub auf See – und mussten höhere Preise zahlen.
2015 war für die deutsche Kreuzfahrtbranche streng genommen ein verlorenes Jahr. Zwar ist die Zahl der Passagiere erneut gestiegen. Insgesamt buchten 1,81 Millionen Deutsche im vergangenen Jahr eine Kreuzfahrt. Doch gemessen an den Jahren zuvor, in denen die Wachstumsrate alljährlich um mindestens fünf Prozent zulegte, ist das Plus 2015 mager ausgefallen. Es lag bei 2,3 Prozent, wie die deutsche Abteilung der Cruise Lines International Association (CLIA) und der Deutsche Reiseverband (DRV) am Dienstag auf der Reisemesse ITB mitteilten.
Glaubt man den Veranstaltern, hat diese Schwäche nur einen einzigen Grund: Den Kreuzfahrtreedereien fehlen die Schiffe für mehr Wachstum. „Die Nachfrage war größer als die Reedereien mit ihren vorhandenen Kapazitäten befriedigen konnten“, sagte Michael Ungerer, Präsident von CLIA Deutschland. Im laufenden Jahr kommen jedoch mit der „AIDAprima“ und der „Mein Schiff 5“ von TUI Cruises allein für den deutschen Markt zwei große Schiffe hinzu. „Daher sind wir zuversichtlich, dass die zusätzlichen Kapazitäten 2016 wieder für einen deutlichen Wachstumsschub bei den Passagierzahlen sorgen werden“ so Ungerer. Helge Grammerstorf, nationaler Direktor von CLIA Deutschland, ergänzte: „Aufgrund des erwarteten Flottenzuwachses werden wir in diesem Jahr die Zwei-Millionen-Marke bei den Passagieren überschreiten können.“
Ein Ort, an dem dieses Wachstum sichtbar wird, ist Hamburg. Die Hansestadt wird nämlich Heimathafen der „AIDAprima“, eines großen Kreuzfahrtschiffes, das wöchentlich von hier aus zu Nordeuropa-Rundreisen aufbrechen wird. „AIDA wird 2016 mit der Indienststellung von ,AIDAprima‘ auf dem deutschen Kreuzfahrtmarkt einen neuen Wachstumsschub initiieren“, sagte Felix Eichhorn, Präsident von Deutschlands größter Kreuzfahrtreederei mit Sitz in Rostock und Hamburg. „Ich rechne fest damit, dass der deutsche Kreuzfahrtmarkt bereits 2020 die Zahl von drei Millionen Kreuzfahrtgästen in Deutschland erreichen kann.“ Die „AIDAprima“ hat eine Kapazität von 3300 Passagieren und soll am 7. Mai als Höhepunkt des 827. Hamburger Hafengeburtstags getauft werden.
Nordeuropa ist beliebtestes Ziel bei deutschen Kreuzfahrtgästen
Wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt, tritt auch ein Grundgesetz der Wirtschaft in Kraft: Die Preise klettern in die Höhe. Kreuzfahrten werden deshalb nicht nur vielfältiger, sondern auch teurer. Im Jahr 2015 ist der durchschnittliche Reisepreis pro Passagier auf einem Hochseekreuzfahrtschiff um 3,3 Prozent auf 1580 Euro gestiegen. Bei den Reedereien aus Deutschland lag er mit 1709 Euro noch höher, bei den internationalen Reedereien war der Durchschnittspreis mit 1331 Euro niedriger. Das geht aus der Studie „Der Hochsee-Kreuzfahrtmarkt Deutschland 2015“ hervor.
Die Nachfrage für Urlaub auf See klettert einer aktuellen Untersuchung der Welt Tourismus Organisation der Vereinten Nationen (UNWTO) sogar stärker als an Land: Demnach ist die Beliebtheit von Kreuzfahrten von 2004 bis 2014 weltweit um 23 Prozent stärker gewachsen als das Ansehen von Urlauben auf dem Festland. Kreuzfahrten seien im Verlauf der vergangenen 20 Jahre zu einem elementaren Bestandteil der Touristik avanciert, betonte der Präsident des Deutschen Reiseverbands, Norbert Fiebig.
Nordeuropa das häufigste Reiseziel
Was das Reiseziel betrifft, sind die Wünsche der deutschen Schiffsurlauber klar verteilt. Am häufigsten wird mit 33,6 Prozent eine Reise durch Nordeuropa gebucht, also zu den Britischen Inseln oder durch die Ostsee. An zweiter Stelle stehen mit 31,2 Prozent Buchungen für Reisen in den Mittelmeerraum. Wen das Fernweh plagt, der reist mit dem Kreuzfahrtschiff zu den Kanarischen Inseln (11,4 Prozent) oder nach Nordamerika und in die Karibik (11,3 Prozent).
Indes haben Flusskreuzfahrten an Anziehungskraft eingebüßt. Im Jahr 2015 haben erstmals mehr US-Amerikaner als Deutsche eine Flusskreuzfahrt in Europa unternommen. Bei den Urlaubern aus Nordamerika gab es hier ein Plus von 42,9 Prozent, bei denen aus Deutschland nur von 0,5 Prozent. „Für Amerikaner ist die Flusskreuzfahrt quer durch Europa in gewisser Weise die komfortablere und schönere Busreise“, sagte Grammerstorf. Das Niedrigwasser im Sommer auf Rhein und Donau habe die Anbieter allerdings ausgebremst.