Hamburg. Deutsche bauen 30 Prozent mehr Ölheizungen als 2014 ein. Konzerne und Geothermiespezialisten leiden unter Preisverfall.

Enno Freesemann hofft auf bessere Zeiten. Darauf, dass der Ölpreis wieder steigt. Freesemann ist Geschäftsführer der GeoHanse GmbH in Schwarzenbek, vor den Toren Hamburgs. Das Unternehmen ist Spezialist für Bohrarbeiten. Neben Rohrleitungsbau und Brunnenarbeiten zählt die Geothermie zu den Produkten des Betriebs, also die Versorgung von Wohnhäusern mit umweltfreundlicher Erdwärme. Doch die Auftragslage ist in diesem Bereich mau. „Derzeit haben erneuerbare Energien in der Wärmeversorgung kaum Chancen. Alles wegen des billigen Öls“, klagt Freesemann.

Nicht erst seit der Pleite von German Pellets, dem einst marktführenden Produzenten und Händler von Holzschnitzeln zum Heizen, ist bekannt, dass der niedrige Ölpreis nicht nur Gewinner kennt. Während sich Hamburgs Autofahrer an der Zapfsäule über Benzinpreise freuen können, die sie zuletzt vor zehn Jahren bezahlen mussten, sind Heizungsbauer, die sich auf den Einbau von Anlagen mit erneuerbare Energien spezialisiert haben, gekniffen.

Keine Energiewende bei Wärmeversorgung

„Angesichts des niedrigen Ölpreises ist die Bereitschaft zum Umstieg auf erneuerbare Energien derzeit absolut gering“, sagt Klaus Schröder von der Hamburger Innung Sanitär Heizung Klima. Die Innung vertritt in Hamburg etwa 900 Heizungsbaufirmen mit knapp 4500 Beschäftigten. Gerade im Bestand würden viele Hauseigentümer lieber die alte Ölheizung weiterlaufen lasssen als in neue Technologien zu investieren. „Betriebe, die sich in der Vergangenheit komplett auf die Installation erneuerbarer Energien konzen­trierten, haben sich inzwischen weitere Geschäftsfelder gesucht, sodass eine existenzielle Bedrohung der Betriebe nicht zu erwarten ist“, so Schröder.

Von einer Energiewende könne man so aber auch nicht sprechen, sagt Rainer Wiek vom Hamburger Energie Informationsdienst (EID): „Die Energiewende der Bundesregierung ist im Grunde genommen nur eine Strommarktwende.

Auf dem Feld der Wärmeversorgung hat sie eigentlich noch gar nicht richtig eingesetzt“, sagt Wiek. Gründe seien dafür eine fehlende einheitliche Strategie, ein völlig unübersichtlicher Fördermarkt – und eben der niedrige Ölpreis. Derzeit kosten das Barrel Rohöl (Brent) etwa 35 US-Dollar (umgerechnet 32 Euro). Vor dem Preisverfall waren es noch 115 Dollar (105 Euro). Wiek zufolge sieht es auch nicht so aus, als würde der Preis so schnell wieder steigen. „Es wird derzeit so viel Öl gefördert wie nie, und mit dem Iran steht schon ein weiterer Anbieter großer Mengen in den Startlöchern.“

Die Folge: „Die alte, schon tot geglaubte Ölheizung erlebt so etwas wie eine Renaissance“, sagt Geothermie-Anbieter Freesemann. Und die Zahlen, die der Bundesverband der deutschen Heizungsindustrie (BDH) nun dazu vorlegte, unterstützen diese Theorie: Der Verkauf und Einbau von Ölheizungen stieg im vergangenen Jahr um 30 Prozent im Vergleich zu 2014. 60.000 neue Anlagen wurden im vergangenen Jahr bundesweit installiert.

Ölheizung als Türöffner für Solarthermie-Anlagen?

Die Heizungstechnologien auf Basis erneuerbarer Energien nahmen die entgegengesetzte Entwicklung: Biomassekessel mussten Markteinbußen von 18 Prozent hinnehmen. Wärmepumpen schnitten mit einem Minus von zwei Prozent ab, die Solarthemie mit einem Minus von zehn Prozent.

Dennoch kann der BDH der Entwicklung etwas Gutes abgewinnen. „Bei den neuen Ölheizungen handelt es sich um moderne Brennwertkessel mit einem extrem hohen Wirkungsgrad. Da es noch etwa fünf Millionen veraltete, ineffiziente Ölheizungen im Bestand gibt, ist ein Austausch positiv zu sehen“, sagt BDH-Sprecher Frederic Leers.

Zudem sei die Brennwert-Ölheizung gut mit einer Solarthermie-Anlage kombinierbar. Sie könnte also zu einem Türöffner für eine größere Nutzung erneuerbarer Energien werden. Dem Erdwärmelieferanten Freesemann hilft das nicht weiter. Er fordert eine bessere Förderung durch die Bundesregierung: „So wie in Dänemark. Da dürfen in neue Häuser gar keine Ölheizungen mehr eingebaut werden.“

Shell verdiente 2015 rund 85 Prozent weniger

Zweiter Verlierer des niedrigen Ölpreises sind die Mineralölkonzerne: der britisch-niederländische Konzern Shell verdiente im vergangenen Jahr 1,9 Milliarden US-Dollar und damit 85 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Konkurrent BP mit dem Tochterunternehmen Aral verbuchte 2015 den höchsten Verlust seit mehr als zwei Jahrzehnten und steckt tief in den roten Zahlen. „Das gesamte Upstream-Geschäft, also das Suchen und Fördern von Öl, leidet unter der insgesamt großen Fördermenge und dem niedrigen Preis“, sagt Cornelia Wolber, Sprecherin von Shell Deutschland. Den Raffinerien ginge es hingegen noch vergleichsweise gut, weil die Produktionskosten geringer seien. Den Tankstellenpächtern wiederum sei der geringe Preis egal. „Die erhalten von uns eine feste Provision, egal ob wir den Liter Benzin für einen oder für zwei Euro verkaufen“, sagt Wolber.

Shell will jetzt weltweit 7500 Stellen abbauen, zusätzlich 2500 Stellen im Zuge der Übernahme des britschen Gasversorgers BG. Was das für die Hamburger Deutschland-Zentrale von Shell bedeutet, ist nicht bekannt. „Dieser Personalabbau wird aber vor allem das Fördergeschäft treffen, und das haben wir ja hier nicht“, sagt Wolber. BP will ebenfalls 7000 Stellen streichen, hat aber schon klargemacht, dass auch bei der Aral in Deutschland Jobs abgebaut werden.