Wegen der Nachricht, dass das G20-Treffen der Staatschefs 2017 in Hamburg stattfindet, waren einige Grüne verärgert über die SPD. Zu Recht?

Die Orte, an denen diese Geschichte spielt, könnten gegensätzlicher kaum sein. Sie beginnt in dem wohl prunkvollsten Raum der Stadt – dem Großen Festsaal im Rathaus – und endet in einer Berufsschule in Wandsbek.

Es war am Freitag der Vorwoche, als sich 400 illustre Gäste zum traditionellen Matthiae-Mahl im Rathaus versammelt hatten, unter ihnen der britische Premierminister David Cameron und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Diese Zusammenkunft hatte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) bewusst im Vorfeld des EU-Gipfels in dieser Woche in Brüssel so eingefädelt, auf dem es unter anderem um den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union geht.

Die Kanzlerin „dankte“ es ihm mit einer Nachricht, die sie zwischen Suppe und Hauptgang verkündete. Die „hanseatischen Tugenden“ wie Weltoffenheit, Pragmatismus, Aufrichtigkeit und Fairness seien „herausragend“, so die in Hamburg geborene Politikerin, daher freue sie sich, „im Einvernehmen mit dem Ersten Bürgermeister anzukündigen, dass Hamburg Gastgeberstadt für das 2017 in Deutschland stattfindende G20-Treffen sein wird.“

Den meisten der Gäste gefiel die Vorstellung, dass ihre Heimatstadt Gastgeber für Staats- und Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer sein würde und dass der oder die neue US-Präsident(in) mit der Airforce One in Fuhlsbüttel einschweben könnte, offensichtlich – jedenfalls applaudierten sie mehr als nur höflich. Einige unter ihnen, vornehmlich die mit grünem Parteibuch, mussten sich jedoch arg beherrschen. Zwar sind sie nicht prinzipiell gegen dieses Treffen, aber der Gedanke, dass 6000 Gipfelteilnehmer, beobachtet von 3000 Journalisten und alle zusammen bewacht von rund 10.000 Sicherheitskräften, mitten in Hamburg tagen, löst bei ihnen eher Wahnvorstellungen aus. Hinzu kam, dass sich die Grünen als Juniorpartner der SPD nicht ausreichend eingebunden fühlten.

Und so verfassten der Landesvorstand der Grünen und einige Bürgerschaftsabgeordnete Anfang der Woche einen Antrag mit dem Titel „G20-Gipfel 2017 – Hamburg darf nicht zur Festung werden“. Darin heißt es in ungewöhnlicher Deutlichkeit: „Wir Grüne haben zu keinem Zeitpunkt die Idee verfolgt, den G20-Gipfel nach Hamburg zu holen.“ Das Papier wurde kurzfristig auf die Tagesordnung des Landesparteitags gehoben, der am heutigen Sonnabend in der Beruflichen Schule für Medien und Kommunikation in Wandsbek stattfindet. Welch passender Name – schließlich ist es abgesehen von den inhaltlichen Bedenken vor allem die Kommunikation mit dem Rathaus, die einige Grüne verärgert hat. „Das ist keine Art, miteinander umzugehen“, schimpfte die Landesvorsitzende Anna Gallina unter der Woche in Richtung SPD und betonte: „Unser Gipfel ist das nicht.“ Bemerkenswert ist das vor dem Hintergrund, dass Rot-Grün seit zehn Monaten harmonisch regiert. Zwar ist man naturgemäß nicht immer einer Meinung, aber das wird in der Regel geräuschlos und ohne gegenseitige Schuldzuweisungen professionell abgehandelt. Der Streit um den G20-Gipfel hat da eine andere Qualität, daher lohnt sich ein Blick auf die Geschichte dieser Entscheidung.

Dass Deutschland 2017 Gastgeber für die G20 sein würde, steht seit Jahren fest. Auch die Idee, den Gipfel in Hamburg auszutragen, wurde schon vor Monaten geboren. Als die Hansestadt noch Bewerber um die Olympischen Spiele 2024 war, ging es in informellen Gesprächen zwischen Hamburg und dem Bund immer mal wieder um die Frage, wie man die geringe internationale Bekanntheit der Stadt steigern könnte. Als ein Ergebnis wurde zwei Tage vor dem Volksentscheid über die Bewerbung Ende November verkündet, dass das Außenministertreffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) 2016 in Hamburg stattfinden wird. Ein zweites Ergebnis war, den weltweit beachteten G20-Gipfel an die Elbe zu vergeben.

Dabei blieb es auch, nachdem die Bürger den Olympia-Plänen eine Abfuhr erteilt hatten. Die Blöße, die politischen Großveranstaltungen zurückzugeben, wollte sich im Senat niemand geben. Man habe ja einen anderen Anspruch als Bielefeld, heißt es. Im Übrigen ist die „Internationalisierung“ der Stadt ein offizielles Ziel von Rot-Grün – nicht nur, aber auch mit Blick auf die wachsende Tourismusbranche, die in Hamburg um die 100.000 Jobs sichert.

Seit Jahresbeginn gab es daher mehrere Vorbereitungstreffen von Senatskanzlei, Auswärtigem Amt, Polizei und anderen Beteiligten, in denen es darum ging, wie und wo in Hamburg der G20-Gipfel stattfinden könnte. Dabei kristallisierten sich die Messehallen als vermutlich geeignetster Austragungsort heraus. Das Rathaus oder auch die dann eröffnete Elbphilharmonie böten sich vielleicht für kleinere Runden und als Kulisse für die gewünschten Hamburg-Bilder an, für den eigentlichen Gipfel seien sie zu klein.

Die spannende Frage ist nun, inwiefern die Grünen tatsächlich an dieser Vorgeschichte (un-)beteiligt waren. Um konkrete Antworten drücken sich die Akteure etwas herum, was politisch einleuchtet – denn so oder so sähe eine Seite dabei schlecht aus. Gewisse Indizien lassen folgenden Ablauf plausibel erscheinen: Die ersten Gespräche über G20 wurden vor allem über den guten Draht zwischen Scholz und Merkel angebahnt. „Wenn der Bürgermeister mit der Bundeskanzlerin spricht, stehen wir nicht daneben“, räumt ein führendes Mitglied der Grünen ein. Die haben daher erst vom Gipfel-Glück erfahren, als Merkel und Scholz sich im Prinzip einig waren. Doch noch bevor das Abendblatt am 23. Januar über die G20-Pläne berichtete, soll das Thema in den Senatsvorbesprechungen am Dienstagmorgen angesprochen worden sein, und da sind die Grünen dabei.

Wenn der Landesvorstand der Partei erst aus der Zeitung von G20 erfahren hat, könnte das also der internen Kommunikation geschuldet sein – Gesprächsstoff für den Parteitag gibt es jedenfalls genug. Vorsichtshalber hat die SPD dem verschnupften Koalitionspartner aber bereits ein Entgegenkommen signalisiert. Die Forderung der Grünen, parallel zu G20 auch Kritiker zu einem „alternativen Gipfel“ einzuladen, finde er „ausdrücklich gut“, ließ SPD-Fraktionschef Andreas Dressel wissen. Und ob die Mammutveranstaltung wirklich in den Messehallen und damit in unmittelbarer Nähe linksalternativer Stadtteile wie dem Schanzenviertel ausgetragen wird, sei noch offen, so Dressel: „Über Standorte und Konzepte wird noch zu reden sein.“