Hamburg . Gericht rügt Finanzierung der Volksinitiative zum Rückkauf der Energienetze. Urteil könnte wegweisende Bedeutung haben

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat bei der Unterstützung der Volksinitiative zum Rückkauf der Energienetze gegen Regeln der Gemeinnützigkeit verstoßen. Das geht aus einem Urteil des Finanzgerichts Hamburg hervor, das erst jetzt veröffentlicht wurde.

Hintergrund: Der BUND hatte 2010 gemeinsam mit der Verbraucherzentrale Hamburg und einem Teil der Nordkirche die Volksinitiative „Unser Hamburg – unser Netz“ ins Leben gerufen, die schließlich im September 2013 den Rückkauf der Hamburger Energienetze durch die Stadt per Volksentscheid durchsetzte. Bereits 2011 hatte es Kritik an der Finanzierung der Volksinitiative gegeben. So warf der parteilose damalige Bürgerschaftsabgeordnete Walter Scheuerl dem BUND vor, den Spendern für die Volksinitiative steuerlich absetzbare Spendenquittungen des BUND auszustellen – obwohl eine Volksinitiative nicht gemeinnützig sei. Über diesen Umweg aber würde der Steuerzahler Volksinitiativen mitfinanzieren.

Nachdem das Finanzamt dem BUND per Bescheid dieses Vorgehen untersagt hatte, zog dieser vor das Finanzgericht Hamburg – und kassierte das jetzt veröffentlichte Urteil, das aus 2015 stammt. Dabei befasste sich das Finanzgericht vor allem mit Details der Übertragung von Mitteln des BUND an die Initiative. So ist vorgeschrieben, dass Spenden zeitnah verwendet werden müssen. Der BUND jedoch legte rund 20.000 Euro der für die Initiative gedachten Spenden auf ein Projektkonto, deckte laufende Kosten von „Unser Hamburg – unser Netz“ in gleicher Höhe aber vom eigenen Geschäftskonto.

Der BUND habe „die Spendengelder vorsätzlich bzw. wenigstens grob fahrlässig nicht innerhalb der gebotenen Zeit zum Zwecke des Natur- und Umweltschutzes verwendet“, heißt es in der Entscheidung des Finanzgerichts. „Die vorliegenden Spendenaufrufe zeigen, dass die Spenden für das Volksbegehren eingeworben wurden.“

Zudem stellt das Gericht klar: „Wer vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unrichtige Bestätigung ausstellt oder veranlasst, dass Zuwendungen nicht zu den in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zwecken verwendet werden ..., haftet ... für die entgangene Steuer; diese ist mit 30 Prozent des zugewendeten Betrags anzusetzen.“ Das heißt: Hätte das Urteil Bestand, müsste der BUND von jedem so eingenommenen Spenden-Euro je 30 Cent an den Fiskus nachzahlen.

Laut BUND wurden 2010 Zuwendungsbestätigungen für etwas weniger als 7500 Euro ausgestellt. 2011 seien solche Quittungen nicht mehr ausgestellt worden – oder besser: nur noch einmal, um eine Vorlage für das Verfahren beim Finanzgericht zu generieren. Demnach müsste der gemeinnützige Verein maximal 2250 Euro zahlen.

Trotz der vergleichsweise geringen Summe hat der BUND nun Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt. Denn die Angelegenheit könnte von grundsätzlicher Bedeutung sein – nicht nur für gemeinnützige Vereine, sondern auch für künftige Volksinitiativen.

„Im Zentrum steht die Frage, ob ein gemeinnütziger Verein wie der BUND sich an einem Volksentscheid aktiv beteiligen kann“, sagt der Hamburger Geschäftsführer des BUND, Manfred Braasch. „Das Urteil des Finanzgerichts Hamburg sagt dazu leider gar nichts. Daher sind wir froh, dass nun der Bundesfinanzhof die entscheidenden Fragen klären wird.“

Folge man der Auslegung der Finanzverwaltung in Hamburg, dürfte in letzter Konsequenz kein gemeinnütziger Verein in ganz Deutschland an Bürgerentscheiden mitwirken, so Braasch. „Hier wird doch die ganze Absurdität deutlich: Das Steuerrecht würde einen wichtigen Teil der Zivilgesellschaft aus der direkten Demokratie ausschließen. Damit bekommt unser Prozess große Bedeutung, und wir hoffen sehr auf eine Klarstellung in unserem Sinne.“

BUND-Kritiker Walter Scheuerl, der selbst mit seiner Volksinitiative gegen die Primarschule erfolgreich gewesen ist, sieht die Sache anders. „Die Entscheidung des Finanzgerichts ist zu begrüßen, da sie allen Initiatoren von Volksgesetzgebungsverfahren klare Hinweise für die finanzielle Struktur künftiger Initiativen an die Hand gibt“, so Scheuerl. „Auch Herr Braasch und der BUND müssen akzeptieren, dass es für sie keine Extrawürste gibt. Wer eine Volksinitiative gründet, betätigt sich politisch und kann dafür keine Steuervergünstigungen der Allgemeinheit für sich in Anspruch nehmen.“

So oder so: Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs, die der BUND noch im laufenden Jahr erwartet, dürfte wegweisende Bedeutung für gemeinnützige Vereine und Volksinitiativen haben – nicht nur in Hamburg, sondern womöglich deutschlandweit.