Hamburg/Lutheran. Hamburger Elitepolizist hatte Unbeteiligten in Lübz in den Kopf geschossen. Linken-Politikerin will Thema auf Tagesordnung bringen.

Der katastrophale MEK-Einsatz in Lutheran (Mecklenburg-Vorpommern) hat wohl ein politisches Nachspiel: Die fehlgeschlagene Aktion soll heute Thema im Innenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft sein. Die Linken-Politikerin Christiane Schneider hat nach Bekanntwerden des Vorfalls, bei dem Hamburger Elitepolizisten einem Unbeteiligten in den Kopf geschossen hatten, beantragt, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Das sagte Schneider am Dienstag dem Hamburger Abendblatt.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern fordert Die Linke von Innenminister Lorenz Caffier (CDU) Aufklärung über den Einsatz eines Hamburger Mobilen Einsatzkommandos in der mecklenburgischen Ortschaft. Es gebe viele Ungereimtheiten, sagte der innenpolitische Sprecher der größten Oppositionsfraktion im Schweriner Landtag, Peter Ritter, am Dienstag. „Wir erwarten etwa Aufklärung darüber, womit dieser Einsatz begründet war“, sagte Ritter. „Herrschte Gefahr im Verzug? Welche Ermittlungen gingen dem Einsatz voraus?“ Auch die Frage, in welchem Zusammenhang ein Einsatz der heimischen Polizei in Plau am See zwei Tage zuvor mit dem Fall Lutheran stehe, sei zu stellen. Das Thema steht Ritter zufolge auf der Tagesordnung der nächsten Innenausschuss-Sitzung in der nächsten Woche. Zuvor hatte NDR 1 Radio MV berichtet.

Die Beamten aus der Hansestadt schossen Unbeteiligtem in den Kopf

Der fehlgeschlagene MEK-Einsatz am vergangenen Freitag war bereits die zweite Panne der Elitepolizisten bei der Suche nach einem Hamburger Bordell-Wirtschafter. Statt des Gesuchten Nico S. stoppten die Beamten aus der Hansestadt in dem Lübzer Ortsteil einen 27 Jahre alten Mann. Ein Beamter schoss dem Verwechslungsopfer in den Kopf, es schwebt seitdem in Lebensgefahr.

Bauarbeiter wurden in der Mittagspause von den Elitepolizisten überwältigt

Wie das Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern bestätigt, hatte es zuvor einen Einsatz auf einer Baustelle in dem etwa 15 Kilometer entfernten Plau am See gegeben – ebenfalls eine Verwechslung. Dort waren nicht die Hamburger Polizisten, sondern Mitglieder des Sondereinsatzkommandos Mecklenburg-Vorpommern im Einsatz. Eine Amtshilfe, angefragt aus der Hansestadt.

Die Polizisten stürmten gegen Mittag die Baustelle. LKA-Sprecherin Synke Kern: „Bei der Ausweiskontrolle ist der Irrtum schnell klar geworden.“ Dass die Bauarbeiter brutal überwältigt wurden, wie die Männer berichtet haben sollen, dem widerspricht Kern. „Das ist ein ernster Vorwurf, deswegen haben wir wiederholt mit den Kollegen gesprochen.“ Es sei aber so gewesen, dass die Bauarbeiter auf Aufforderung selbst den Bauwagen verlassen und sich auf den Boden gelegt hätten.

Laut Kern habe es viele Anhaltspunkte gegeben, dass sich der Gesuchte auf der Baustelle aufhält. So soll unter anderem das Auto des Mannes, ein schwarzer Dodge, dort gestanden haben. Also das Auto, das später die Hamburger MEK-Beamten stoppten.

Die Staatsanwaltschaft Schwerin hatte schon kurz nach dem tragischen Einsatz in Lutheran die Ermittlungen übernommen. „Es gibt derzeit keine Hinweise, dass der Mann das Auto verlassen hatte“, sagte Sprecher Stefan Urbanek. Der Schuss traf den Mann offenbar durch die geschlossene Scheibe. Sein Rechtsanwalt Benjamin Richert sagte, nach den Spuren am Tatort gehe er davon aus, dass der Automatik-Wagen mit den beiden Männern nach dem Einkeilen durch die Polizeiautos noch etwas weitergerollt sei. Dadurch sei einer der Beamten wohl davon ausgegangen, dass der Fahrer flüchten wolle und habe aus wenigen Metern Entfernung durch die Seitenscheibe auf ihn geschossen. Geprüft wird noch, ob es eine Verbindung zwischen dem gesuchten Hamburger und dem Opfer gibt. Richert sagt: „Mein Mandat hat sich den Wagen des Gesuchten bei dessen Mutter geliehen.“ Er habe damit sperrige Bauteile transportieren wollen. „Da ist schlampig ermittelt worden, es saßen die Falschen im Auto“, so Richert weiter. Sein Mandant liege im künstlichen Koma und habe ein Auge verloren

Der Rechtsanwalt kündigte zudem an, Strafanzeige gegen die Polizisten zu stellen, unter anderem wegen Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Er spricht von einem „krassen Irrtum“. Fakt sei, so der Jurist, dass die Männer lediglich lose miteinander bekannt seien.

Nico S. will sich laut Anwalt in den nächsten Wochen stellen

Der Gesuchte selbst bleibt verschwunden. Nico S. wird per Haftbefehl gesucht, da er seine Gefängnisstrafe noch nicht angetreten hat. Er hatte 2012 einen Mann halb tot geschlagen. Das Opfer soll versucht haben, das Auto einer Prostituierten an einem Bordell am Borstelmannsweg aufzubrechen. Nico S. war dort Wirtschafter. Er wurde zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Der Anwalt des Opfers, der auch Nico S. vertritt, sagt: „Er will sich in den nächsten 14 Tagen stellen. Das hat er mir zugesagt.“ Zuvor wolle der Mann noch „persönliche und berufliche“ Dinge klären.