Hamburg. Weil mehr minderjährige unbegleitete Zuwanderer in die Hansestadt kommen, steigen Hilfen zur Erziehung kräftig auf 251 Millionen Euro
Die Kosten für die Hilfen zur Erziehung (HzE) steigen angesichts der wachsenden Zahl von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen stärker als geplant. Mehr als 251 Millionen Euro betrugen die Ausgaben im vergangenen Jahr. Das sind gut elf Prozent mehr als noch im Jahr 2012. Davon entfielen etwas mehr als 33 Millionen Euro auf die Betreuung von jungen Flüchtlingen. Rechnet man die Maßnahmen für diese Gruppe heraus, beträgt die Steigerung in diesem Zeitraum nur vier Prozent.
Hilfen für Familien in Problemlagen sind ein großer Posten im Budget der Sozialbehörde. Die Kosten haben sich seit Beginn dieses Jahrhunderts nahezu verdoppelt. So betrugen die Ausgaben im Jahr 2001 noch etwa 133 Millionen Euro. Es waren Kindesvernachlässigungen mit tödlichem Ausgang wie die von Jessica (2005) und Lara-Mia (2009), die zu dem immensen Anstieg geführt haben.
Um vergleichbare Schicksale zu vermeiden, werden Sozialarbeiter in die hilfebedürftigen Familien entsendet, damit diese dort individuelle Hilfs- und Unterstützungsprogramme entwickeln. Dass diese Programme nicht immer von Erfolg gekrönt sind, beweisen Fälle wie zuletzt der des getöteten Tayler im vergangenen Dezember, der kleinen Yagmur im Jahr 2013 oder von Chantal im Jahr davor.
Die Ausgaben für diese Hilfsmaßnahmen sind schwierig zu steuern. Betroffene Familien haben einen gesetzlichen Anspruch darauf. In vielen Fällen werden Maßnahmen vom Jugendamt angeordnet, etwa wenn eine Kindeswohlgefährdung vorliegt.
Schon seit fast fünf Jahren versucht der Senat, die Kostensteigerung in den Griff zu bekommen. Statt teuerer Hilfen in den Familien setzt man in der Sozialbehörde auf sogenannte sozialräumliche Angebote. Hinter diesem sperrigen Begriff verbergen sich Maßnahmen wie die vielen neuen Ganztagsangebote an Schulen, der Ausbau des Kita-Programms oder Eltern-Kind-Zentren mit pädagogisch geschultem Personal. „Alle deutschen Kommunen klagen über einen Ausgabenanstieg bei Hilfen zur Erziehung“, sagt Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD). „Hamburg setzt seit Jahren auf gute und niedrigschwellige Angebote, um Familien zu stärken und Erziehungshilfen zu geben. So vermeiden wir teure Einzelfallhilfen. Die Zahlen zeigen, dass sich dieser Kurs auszahlt.“
Tatsächlich konnten die hohen Steigerungsraten früherer Jahre auf diese Weise reduziert werden. Vom Jahr 2014 auf 2015 kletterte sie – ohne junge Flüchtlinge – nur noch um 2,55 Prozent. Allerdings stiegen die Ausgaben für die Gruppe der minderjährigen Geflüchteten um 28 Prozent. Seit 2012 haben sich die Ausgaben von gut 16 Millionen Euro für diese Gruppe mehr als verdoppelt. Der Anteil an den Gesamtausgaben ist von 7,7 auf mehr als 15 Prozent gestiegen.
„Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge sind besonders schutzwürdig, weshalb sie in Obhut genommen werden und nach dem Jugendhilferecht betreut werden. Weil Hamburg besonders viele Jugendliche aufnehmen musste, sind die Kosten entsprechend gestiegen“, sagt Sozialsenatorin Leonhard. Derzeit leben 1356 Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern nach Deutschland geflüchtet sind, in Hamburger Erstversorgungseinrichtungen. Nahezu jeder von ihnen erhält HzE-Maßnahmen. Leonhard setzt bei den steigenden Kosten nun auf die Möglichkeit, junge Flüchtlinge in andere Bundesländer umzuverteilen. Bis November war das nicht möglich, da für sie andere Regeln galten als für Erwachsene.
Demnach mussten Kinder und Jugendliche dort betreut werden, wo sie erstmals registriert wurden. Das hatte besonders in Großstädten zu Überlastungen in den Aufnahmeeinrichtungen geführt. Nun können sie ebenfalls nach dem Königsteiner Schlüssel auf andere Bundesländer verteilt werden. Der Schlüssel richtet sich nach der Einwohnerzahl und der Wirtschaftskraft des Bundeslandes. Entsprechend muss Hamburg etwa 2,5 Prozent der Geflüchteten aufnehmen. Diese von Hamburg angestoßene Gesetzesänderung werde laut Leonhard dafür sorgen, dass die Stadt „deutlich weniger neue unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ aufnehmen wird. „Deshalb rechnen wir nicht mit ähnlich starken Steigerungsraten wie in den letzten Jahren“, so Leonhard. Seit November sind 334 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in andere Bundesländer verteilt worden. 45 weitere sind dafür angemeldet.