Hamburg . Die fünf Regierungschefs, Wirtschaft und Gewerkschaften fordern im „Wismarer Appell“ Änderungen an geplanter Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften im deutschen Norden machen gemeinsam Front gegen die Pläne der Bundesregierung, den Ausbau der Windenergie zu verlangsamen. In einem gemeinsam unterzeichneten „Wismarer Appell“ haben die Regierungschefs der norddeutschen Länder, der Arbeitgeberverband Nordmetall, die IG Metall Küste und Vertreter der Windkraftindustrie am Montag in der Ostseestadt den Bund aufgefordert, seine Pläne zur Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) zu überarbeiten.
Hintergrund: Laut einem von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kürzlich vorgelegten Eckpunktepapier soll der Anteil der Windenergie an der Stromversorgung bis 2025 bei 45 Prozent fest gedeckelt werden. Zugleich soll der Ausbau der Offshore-Windkraftanlagen gebremst werden. Über Ausschreibungsverfahren will der Bund künftig zusätzlich dafür sorgen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien weniger schnell vorangeht als in den vergangenen Jahren, in denen die Ausbauziele stets übertroffen wurden. Das Bundeswirtschaftsministerium hält eine Verlangsamung des Ausbaus vor allem aus zwei Gründen für notwendig. Erstens halte der Netzausbau mit dem Ausbau der Anlagen bisher nicht Schritt. Und zweitens sorge ein Überangebot an Strom aus erneuerbaren Energien für steigende Kosten bei den Endabnehmern.
Die Unterzeichner des „Wismarer Appells“ sehen das anders. Sie setzen sich für den weiteren Ausbau der Windkraft auf See und an Land ein. Der für das Jahr 2025 angepeilte Anteil der erneuerbaren Energien von 40 bis 45 Prozent am gesamten Stromverbrauch dürfe „keine Obergrenze“ darstellen, heißt es in dem Papier. Außerdem sollten auch im kommenden Jahrzehnt in jedem Jahr zwei bis drei Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee ans Netz gehen.
„Die Windenergiebranche in Hamburg und im gesamten Norden ist unterdessen für eine sichere Energieversorgung in Deutschland unverzichtbar“, sagte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). „Die Branche setzt weltweit Maßstäbe. Damit sich die Investitionen in die Windenergieerzeugung, insbesondere in Offshore-Windparks lohnen, brauchen wir weiterhin stabile Rahmenbedingungen.“
Auch Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) forderte den Bund zum Einlenken auf. „Für das Jahrhundertprojekt Energiewende sind innovative Lösungen und herausragendes Engagement erforderlich“, so Horch. „Das sollte im Interesse des Bundes sein und nicht gebremst werden.“
Mit dem Projekt NEW 4.0, das vom Bundeswirtschaftsministerium als bundesweites „Schaufenster“ ausgewählt worden sei, solle künftig demonstriert werden, „welche Chancen die Energiewende mit sich bringt und wie eine große Region mit vielen unterschiedlichen Verbrauchszentren zu 100 Prozent sicher, kostengünstig und umweltverträglich durch erneuerbare Energien versorgt werden kann“, so der Hamburger Senat. Damit verfüge der Norden über ein Referenzprojekt dafür, wie die Energiewende gerade mit dem Thema Windkraft gelingen könne. „Über 60 Partner aller Sektoren aus der Region sowie überregionale Partner bilden eine gut vernetzte und schlagkräftige Innovationsallianz für das Jahrhundertprojekt Energiewende“, heißt es aus dem Rathaus. „Partner vereinen alle erforderlichen Fähigkeiten und Lösungspotenziale, um die Energiewende im Norden entscheidend voranzubringen.“ Mit rund 40.000 Beschäftigten in gut 700 Unternehmen der Erneuerbaren-Energien-Branche verfüge die Modellregion über eine besondere Bedeutung.
Zuletzt hatte auch Umweltsenator Jens Kerstan die Gabriel-Pläne scharf kritisiert. „Hamburg ist in den letzten Jahren zur Windkrafthauptstadt geworden, Tausende Arbeitsplätze hängen an diesem Wirtschaftszweig“, so Kerstan. „Windkraft ist die günstigste und wettbewerbsfähigste Form unter den erneuerbaren Energien. Mit der Beschränkung steht die Existenz dieser Zukunftsbranche auf dem Spiel.“