Farmsen-Berne. Anwohner wollen mit Behörde verhandeln. Sie setzen auf neue Modellrechnungen und Geländeveränderungen, die das Wasser fernhalten könnten

Die Initiative „Kein Überschwemmungsgebiet (ÜSG) Berner Au“ hat sich auf die Umwelt­behörde zubewegt. Nach erster ge­nauerer Prüfung der in der Woche vor Weihnachten vorgestellten Neuberechnung des ÜSG sehen die Berner die vorausberechneten Hochwasser-Szenarien als „nicht mehr so unplausibel“ an.

Hoffnung schöpfen sie auch aus dem Umstand, dass die Behörde erstmals den Zusammenhang zwischen überlasteten Regenwassersielen und Überschwemmungen anerkannt habe. „Wir haben noch erhebliche Differenzen, aber wir sehen, dass sich die Herangehensweise der Behörde geändert hat, und sind natürlich sofort bereit, den Faden aufzunehmen und in gemeinsame Gespräche zu gehen“, sagte Susanne Fink-Knodel von der Initiative und relativierte damit die zunächst geäußerte harsche Kritik der Berner auf der turbulenten Infoveranstaltung mit der Umweltbehörde.

Die Stadt will im Siedlungsgebiet Berne jetzt nur noch 32 statt ursprünglich 43 Hektar als ÜSG ausweisen. Betroffen sind noch 77 Wohnhäuser. In den ÜSG darf nur mit wasserrechtlicher Genehmigung gebaut werden, weil das Gebiet als Überflutungsfläche für Binnenhochwasser dienen soll.

Die Berner fürchten um ihre Häuser, die derzeit kaum noch verkäuflich sind. Sie wollen deshalb gar kein ÜSG ausgewiesen sehen und führen die von der Behörde ausgemachten Hochwasserstände auf überlastete und nicht gewartete Sielanlagen zurück. Die Berner Au würde ohne die Regenwasserein­leitungen der Stadt gar kein Wasser mehr führen.

Für die Initiative positiv sei nicht nur die Verkleinerung des Gebiets, sagte Fink-Knodel. Das Modell der Behörde könne jetzt das Hochwasser simulieren und zeige, dass das Wasser genau da über die Ufer trete, wo die Initiative es vermutet habe und die Durchlässe im Regenwassersiel zu eng seien: an den Gräben am Sportplatz des TuS Berne, der Berner Allee und an der Ecke Krögerkoppel/Alter Berner Weg. Die Berner Au bleibe in ihrem Flussbett. Das decke sich mit den Beobachtungen der Berner, die in mehr als 90 Jahren Siedlungsgeschichte keine Überschwemmung vor ihren Haustüren erlebt haben. Der Streit um die ÜSG dauert mittlerweile eineinhalb Jahre.

Die Initiative hofft, dass sich mit dem neuen Berechnungsverfahren nun Modelle und Prognosen entwickeln lassen, die zeigen, wie die Ausbildung von Senken und Höhen im Gelände sowie die Pflege der Gräben und des verschlammten Rückhaltebeckens auch das hypothetische „100-jährige Hochwasser“ der Behörde zu bändigen wäre, ohne die Berner Häuser zu gefährden.

Hamburg will insgesamt zehn neue ÜSG ausweisen, was in besiedelten Gebieten wie an der Berner Au und an der Kollau auf heftigen Widerstand stößt. Die Behörde beruft sich auf den Klimawandel und die wachsende Gefahr von Binnenhochwasser durch Starkregenfälle, wie sie gerade jetzt im Süden Englands verheerende Schäden angerichtet haben. Auch verpflichte das EU-Recht die Stadt zur Ausweisung von ÜSG, die das Wasser nicht mit Deichen fernhalten, sondern ihm durch Ausdehnungsfläche die Kraft nehmen sollen.

ÜSG dürfen aber nur an „natürlichen Gewässern“ ausgewiesen werden, nicht an Regenwassersielen. Und die Behörde muss natürliche Hochwasserereignisse in der Vergangenheit nachweisen, wenn sie ein ÜSG ausweisen will. Laut Behörde bleibt die Berner Au ein „natürliches Gewässer“ auch dann, wenn sie bloß als Siel genutzt wird.

Die Anwohner setzen dagegen auf die Pflege und die Anpassung des Siels an die gewachsenen Anforderungen, die von der Stadt durch immer neue Ansiedlungen und Regenwassereinleitungen selbst verursacht werden. Und sie hoffen, dass die Stadt das Geld dafür in die Hand nimmt. Bisher fanden sich dafür allerdings kaum Anzeichen.