Hummelsbüttel. Heftiger Streit um die Flüchtlingsunterkünfte in Hummelsbüttel. Rot-grüne Koalition plant 400 Wohnungen mehr als verlangt, auch frei finanzierte

Der Planungsausschuss Wandsbek hat die Verfahren für den Bau der Flüchtlingswohnungen im Landschaftsschutzgebiet der Hummelsbütteler Feldmark eingeleitet. Doch statt der eigentlich erwarteten zweimal 300 Wohneinheiten steuern Verwaltung und rot-grüne Koalition auf 400 Wohnungen am Rehagen und bis zu 600 Wohnungen an der Glashütter Landstraße zu. Anwohner und Umweltschützer protestierten heftig.

Die Hummelsbütteler Feldmark ist laut Koalitionsvertrag eine von Bebauung freizuhaltende Landschaftsachse. Sie ist insbesondere auch eine Kaltluftschneise, die frische, kühle und unbelastete Luft aus dem Umland in die Siedlungsräume leitet und so für gutes Klima sorgt. Deshalb auch hatten Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Naturschutzbund Deutschland (Nabu) die Baupläne abgelehnt und an die Versprechen der Politik erinnert. Die rot-grüne Koalition beeindruckte das nicht. Vonseiten der Grünen hieß es, die hohe Zahl der Flüchtlinge habe die Geschäftsgrund­lage geändert und eine neue Betrachtung der Lage nötig gemacht.

Im Ausschuss wurde am Beispiel des Projekts Glashütter Landstraße erstmals deutlich, wie die Verwaltung die neuen Ausnahmegenehmigungsmöglichkeiten nach dem ergänzten § 246 im Baugesetzbuch nutzen will.

Sie möchte eine frühe Durchmischung des Wohngebiets erreichen und dafür neben den 300 Flüchtlingswohnungen bis zu 300 frei finanzierte Einheiten zusätzlich errichten lassen. Nach einer Infoveranstaltung vor Ort (8. Februar, Fritz-Schumacher-Schule) und der öffentlichen Plandiskussion (29. Februar, am gleichen Ort), dem ersten Schritt im formalen Verfahren, will die rot-grüne Koalition im Bezirk entscheiden, ob 600 Wohnungen realisiert werden, 400 Wohnungen oder nur die 300 Flüchtlingswohnungen.

Danach soll dann auf Basis der neuen Ausnahmetatbestände eine Baugenehmigung für die 300 Flüchtlingswohnungen ergehen und der Bagger anrollen. Das Bebauungsplanverfahren aber würde im von der Verwaltung angestrebten Fall Baufelder für 400 oder gar 600 Wohnungen vorsehen. Nach Ablauf von zwei bis drei Jahren würde es abgeschlossen und der Plan mit den Leerstellen für zusätzliche Wohnungen festgestellt. Damit wäre die Basis für weitere, normale Baugenehmigungen auf den noch freien Baufeldern geschaffen. Ein frei finanzierter zweiter Bauabschnitt würde beginnen.

Dieser zusätzliche Wohnungsbau in Geschosswohnungen und Reihenhäusern soll laut Verwaltung eine frühe und nachhaltige Bevölkerungsmischung in der Siedlung herstellen und die Integrationschancen verbessern. Für CDU und Linke ist es „Wohnungsbau durch die kalte Küche“. Die Flüchtlinge dienten als Vorwand, um Baugebiete zu rekrutieren. Der CDU-Stadtplaner Philip Buse: „Die SPD gibt zu, dass 300 Wohneinheiten schon recht viel sind. Jetzt sollen 600 besser sein?“

Das zweite Projekt (am Rehagen) ist schlichter gestrickt, hier werden in acht vier- bis fünfgeschossigen Blöcken ausschließlich für Flüchtlinge 400 Wohneinheiten realisiert, dazu kommen zwei etwas kleinere Gebäude für eine Kita und soziale Einrichtungen. Auch hier soll eine Infoveranstaltung (2. Februar, Carl-von-Ossietzky-Gymnasium) dem ersten Verfahrensschritt „Öffentliche Plandiskussion“ (22. Februar, am gleichen Ort) vorangehen.

Am Rehagen baut die Saga GWG nach dem Muster ihrer bereits fertiggestellten Häuser am Güterbahnhof in Barmbek, an der Glashütter Landstraße baut ein Konsortium um den Hamburger Unternehmer Frank Otto ebenfalls nach dem Muster anderswo gebauter, drei- und viergeschossiger Häuser.

Die Kritiker stellten fest, dass bisher niemand dargelegt habe, warum die Kaltluftschneise plötzlich entbehrlich sei. Angesichts der Umweltproblematik sei es unverständlich, dass statt temporärer Unterkünfte Steinbauten kämen. Die SPD verwies auf die Umweltbehörde, die bei der anstehenden Aufhebung des Landschaftsschutzes auch die Kaltluftproblematik behandeln werde. Es gilt allerdings als ausgemacht, wie die Abwägung ausfallen wird.

Beide Baugebiete grenzen an schwierige Großsiedlungen. Rehagen an Tegelsbarg, die Glashütter Landstraße an das Hochhausviertel von Norderstedt. Problematisch sind auch die In­frastruktur und die Zuwegung. Die Verwaltung möchte am Rehagen gern über einen Acker zum Ring 3 stoßen und müsste dafür Land kaufen. Der Eigner spielt aber nicht mit. Die Straße Rehagen, einzige Alternative, ist eng, für Lkw ungeeignet und führt direkt am Reiterhof vorbei. Der Lärm der Baufahrzeuge sei „ein echtes Problem“, hieß es auch aus der örtlichen SPD. „Pferde sind Fluchttiere.“

Die Grünen setzten für beide Gebiete einen höheren energetischen Baustandard als den gesetzlich vorgeschriebenen sowie Gründächer durch.