Hamburg. Bei sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung soll der Verstoß gegen ein Nein der Frau zu einer Verurteilung führen

„Die reflexartige Forderung nach Gesetzesverschärfungen ist ein Zeichen von Hilflosigkeit einiger Politiker.“ Das sagte Justizsenator Till Steffen (Grüne) in der vergangenen Woche, als in der Folge der sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht die Forderungen nach einer erleichterten Abschiebung von rechtskräftig verurteilten Asylbewerbern immer lauter wurden. Doch jetzt gilt der Satz für Steffen selbst nicht mehr.

Die von der Bundesregierung geplante Reform des Sexualstrafrechts geht dem Grünen-Politiker nicht weit genug. „Nein heißt nein – dies muss zum Grundsatz bei der Reform des Sexualstrafrechts werden“, sagte Steffen. Wenn eine Frau einem Mann, der sich ihr nähere, Nein sage und er dagegen verstoße, müsse das strafbar sein, so der Senator gegenüber NDR 90,3.

Steffen hält die bisherige Rechts­lage für nicht ausreichend. Sexueller Missbrauch und Vergewaltigung sind nur bei Gewalt oder der Androhung von Gewalt strafbar oder wenn der Täter die schutzlose Lage des Opfers ausnutzt. Aber auch der Vorschlag von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), den die Große Koalition von CDU, CSU und SPD nun zügig beschließen will, geht Steffen nicht weit genug. „Die Reformbemühungen der Bundesregierung räumen neue Strafverfolgungsmöglichkeiten ein, wenn ein Angriff überraschend kam oder das Opfer ein empfindliches Übel befürchtet“, so Steffen. Der Wille der Frau, der sich in einem Nein klar ausdrücke, zähle dagegen bei diesen Vorschlägen nichts.

Die Formel „Nein heißt nein“, die sich der Justizsenator zu eigen macht, geht auf ein Gutachten zurück, das im Auftrag des Deutschen Instituts für Menschenrechte zur Reform des Paragrafen 177 des Strafgesetzbuchs (Vergewaltigung) erstellt worden war. Auf diesen Satz hatte sich auch Grünen-Vizelandeschef Michael Gwosdz in seinem umstrittenen Facebook-Eintrag berufen, in dem er auch behauptete, jeder Mann sei ein potenzieller Vergewaltiger (wir berichteten).

Steffen sieht weiteren Handlungsbedarf. „Im Moment ist es so, dass der überraschende Griff an die Brust allenfalls als Beleidigung bestraft wird“, sagte der Senator. Geahndet werde das mit einer Strafe von höchstens einem Jahr. Der Grünen-Politiker hält die Einführung des „sexuellen Angriffs“, der den Vorgang präziser erfasse, als neuen Straftatbestand für erforderlich. „Es muss natürlich auch möglich sein, zu höheren Strafen zu kommen“, betonte Steffen. Das Strafmaß solle der Handlung angepasst sein.

„Wer die Konsequenz des Rechtsstaats will, muss ihm auch die Mittel geben“, sagte der Justizsenator. „Die Vorfälle von Silvester werden in vielen der angezeigten Konstellationen vom aktuellen Strafrecht nicht erfasst.“ Obwohl die Lückenhaftigkeit des Sexualstrafrechts lange erkannt sei, habe die Große Koalition die Reform lange verschleppt, vor allem wegen des Widerstands von CDU und CSU. Sollten die Täter der Silvesternacht gefasst werden, können sie deswegen laut Steffen mit milden Strafen davonkommen.

„Mehr und mehr Frauen trauen sich, sexuelle Gewalt anzuzeigen oder sich zur Wehr zu setzen“, sagte Linken-Fraktionschefin Cansu Özdemir. Nach wie vor werde die weit verbreitete sexuelle Gewalt kaum diskutiert. „In Erziehung und Lehrplänen spielt sie kaum eine Rolle“, sagte Özdemir, die sich gegen eine Vermischung der Debatte mit der mutmaßlichen nicht deutschen Herkunft der Täter wandte. „Repression, erst recht Abschiebung und Abschottung bekämpfen nicht die Ursachen des Problems. Was wir brauchen, ist eine echte Stärkung der Frauen, eine Anpassung des Sexualstrafrechts und eine finanzielle Stärkung der Beratungs- und Anlaufstellen.“

Auch der CDU-Rechtspolitiker Richard Seelmaecker forderte eine konsequente Strafverfolgung der Täter. „Eine Verschärfung des Sexualstrafrechts ist unbedingt notwendig. Noch wichtiger ist aber, dass bestehende Gesetze auch konsequent angewendet werden“, so der CDU-Bürgerschafts­abgeordnete. Dazu sei eine Rechtsprechung erforderlich, die sich nicht überwiegend im unteren Strafmaß bewege, wie dies in Hamburg mittlerweile der Fall sei. „Justizsenator Steffen ist hier selbst in der Pflicht“, sagte Seelmaecker. „Falsch verstandene Milde und Nachsicht dürfen nicht zu einer Kultur des Davonkommens führen.“

Seelmaecker forderte, dass die „offensichtlich organisierten massenhaften Sexattacken gegen junge Frauen und Mädchen von Silvester zu einem Umdenken führen müssen, und zwar sofort“. Es dürfe nicht sein, dass solche Verstöße gegen die Würde der Opfer ohne Folgen blieben.