Hamburg. Bisse, Attacken mit Monitoren, Feuerwerkskörpern, Messern und Stühlen – was Bedienstete ertragen müssen. 64 Prozent mehr Gewalttaten.

Für die Bediensteten der Stadt Hamburg ist der eigene Arbeitsplatz ein offenbar immer gefährlicherer Ort – Tatort Amtsstube. Wie aus einer Analyse des städtischen Personalamtes hervorgeht, die dem Abendblatt vorliegt, ist im vergangenen Jahr die Zahl der Übergriffe auf städtische Mitarbeiter gegenüber 2013 noch einmal um fast zehn Prozent auf nunmehr 1766 Übergriffe gestiegen. Geradezu explodiert ist die Zahl der gemeldeten Gewalttaten – 339 waren es im Vorjahr, eine Steigerung von rund 64 Prozent gegenüber 2013 (207). 19 Bedienstete erlitten schwere Verletzungen, zehn mussten vorübergehend dienstunfähig geschrieben werden.

Die Opfer sind mehrheitlich Frauen (1138), die Täter vor allem Männer (1369). Deutlich mehr Übergriffe als 2013 melden der Strafvollzug (104), die Schulbehörde (225) und der Landesbetrieb Erziehung und Beratung (44). Sogar Feuerwehrleute, deren Job das Retten von Menschenleben ist, blieben nicht verschont. So wurden Beamte beim Löschen eines Müllcontainerbrands von Passanten mit Feuerwerkskörpern und Gaspistolen beschossen.

In absoluten Zahlen verzeichnet indes das Jobcenter team.arbeit.hamburg nach wie vor die meisten Taten – vor allem Pöbeleien. Von den 699 Übergriffen, die 2014 in den 16 Jobcentern registriert wurden, fallen 465 in die Kategorie Beleidigung/Beschimpfung. Wenige Kunden überschritten indes die Schwelle zur Gewalt: So bearbeitete ein Mann eine Bürowand solange mit einem Messer, bis ein Loch in der Wand entstanden war. Insgesamt gab es 26 Randalefälle. 18-mal wurden Beschäftige Opfer körperlicher Gewalt, ein Wachmann erlitt eine Bissverletzung. Zwei Mal wurden Bedienstete mit Gegenständen attackiert. So feuerte ein Kunde sein gesamtes Aktenkonvolut auf eine Sachbearbeiterin. In einem anderen Fall schnappte sich ein Mann den Monitor einer Jobcenter-Mitarbeiterin und schmiss das Gerät auf sie – beide Frauen wurden am Kopf verletzt. Ein anderer kündigte einen erweiterten Suizid an und bedrohte mehrere Beschäftigte mit dem Tod. Fast alle Konfrontationen gingen glimpflich aus, nur eine Jobcenter-Beschäftigte musste vorübergehend dienstunfähig geschrieben werden. Jedoch erhielten 194 Täter ein Hausverbot und 30 eine Strafanzeige – die wiederum fast alle auf Sachbeschädigungen zurückgehen.

Erneut verzeichnet das Personalamt zudem mehr Übergriffe gegen Lehrer. Schon 2013 wurden im Geschäftsbereich der Schulbehörde 44 Prozent mehr Taten als im Jahr davor regis­triert (2013: 161; 2012: 112). 2014 ist diese Zahl noch einmal deutlich angestiegen: 225 Übergriffe sind aktenkundig geworden. Unter anderem, weil Schüler in den Klassenräumen randaliert, Lehrer beleidigt und bedroht haben. Die mit Abstand häufigsten Meldungen betreffen aber körperliche Angriffe, 157 Beschwerden sind dazu beim Personalamt eingegangen (2013: 97). „Dabei wurden unterschiedliche Waffen, insbesondere Klappmesser und Pfefferspray, aber auch Alltagsgegenstände aus dem Schulbetrieb wie Stühle, Tische und Bänke gegen Lehrkräfte eingesetzt“, sagt Bettina Lentz, Leiterin des Hamburger Personalamts. Den steilen Anstieg erklärt die Schulbehörde auf Abendblatt-Anfrage auch damit, dass „wie bei allgemeinen Gewaltmeldungen auch bei Gewaltmeldungen gegenüber Lehrkräften ein stärkeres, sensibleres Meldeverhalten seitens der Schulleitungen“ festzustellen sei. Es handele sich aber überwiegend um „kleinere Vorfälle“. Tatsächlich wurde nur in 20 Fällen Strafanzeige erstattet.

Deutlich mehr Gewalttaten gab es 2014 auch gegen Mitarbeiter des Landesbetriebs Erziehung und Berufsbildung (LEB), der viele Erstversorgungseinrichtungen für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge betreibt. Auf keine anderen Amtsmitarbeiter der Stadt sind 2014 so viele Attacken mit (gefährlichen) Gegenständen verübt worden. Zehn der 44 registrierten Übergriffe im Vorjahr fallen in diese Kategorie. In den LEB-Wohneinheiten gingen die Täter mit Dingen des täglichen Gebrauchs, mit Honiggläsern, Geschirr und Küchenmessern, auf Betreuer und Wachleute los. Zudem wurden LEB-Beschäftigte 23-mal Opfer einfacher körperlicher Gewalt. Probleme gab es demnach mit den im Durchschnitt etwa 16 Jahre alten Flüchtlingen, die aufgrund ihrer Fluchtgeschichte „Verhaltensmuster entwickelt haben, die eine soziale Eingliederung teilweise schwierig gestaltet“, sagt Lentz.

Was wird für die Sicherheit der Bediensteten getan? In sensiblen Bereichen wie dem Jobcenter gibt es Alarmknöpfe unter den Tischen, werden die Beschäftigten durch Schulungs- und Sicherheitstrainings, durch Kommunikationskurse und Übungen in deeskalierender Gesprächsführung auf brenzlige Situationen und den Umgang mit aufgebrachten Kunden vorbereitet. Einen Trend zu mehr Brutalität in den Amtsstuben sieht Lentz nicht. Die Beschäftigten würden für das Thema Gewalt seit Jahren sensibilisiert und seien gehalten, jeden Vorfall anzuzeigen – dadurch stiegen auch die Fallzahlen.