Altona. Die 80-Jährige hatte geglaubt eine Freundin gefunden zu haben. Innerhalb eines Jahres waren 71.000 Euro von ihrem Konto abgehoben.

Ihr Leben lang hat sie eher bescheiden gelebt. Da waren die Ausgaben für den Friseur und die Maniküre, weil die Dame größten Wert auf ein gepflegtes Äußeres legte. Aber darüber hinaus hatte die Hamburgerin ihr Geld vor allem für ein gutes Auskommen im Alter zurückgelegt. Nun, mit 80 Jahren, ist jedoch alles dahin. Von ihren Ersparnissen ist Erika R. (alle Namen geändert) so gut wie nichts mehr geblieben, die Rentnerin droht zum Sozialfall zu werden. Und das, weil sie glaubte, eine echte Freundin gefunden zu haben, der sie vollkommen vertrauen konnte. Tatsächlich aber wurde sie von der vermeintlich treuen Seele in den Ruin getrieben.

Die Frau, die für dieses finanzielle und menschliche Desaster verantwortlich ist, wirkt nervös und fahrig, ihre Stimme ist belegt, das runde Gesicht gerötet. „Was ich getan habe, tut mir unendlich leid“, sagt Julia L. zu dem Vorwurf aus der Anklage vor dem Amtsgericht, sie habe in einem halben Jahr ganze 71.000 Euro vom Konto der Seniorin abgehoben.

Angeklakte wurde bereits aufgrund psychischer Probleme behandelt

Die 54-Jährige war seinerzeit Mitarbeiterin eines Pflegedienstes. Zunächst habe sie nur den Haushalt und die Einkäufe für die Rentnerin erledigt, später sei Freundschaft daraus geworden. „Sie war viel allein.“ Die Seniorin habe ihr EC-Karte nebst PIN zur Verfügung gestellt. Von da an ging die Angeklagte alle paar Tage zum Geldautomaten und hob Beträge von 500, 1000 oder sogar 2000 Euro ab. Etwa 40.000 Euro habe sie für eigene Zwecke verbraucht, „für Möbel, Zahnersatz, eine Waschmaschine, solche Sachen“, sagt sie vage. „Den Rest gab ich korrekt ab.“

Auch für die 80-Jährige sei „eine Menge angeschafft worden, Möbel und Bettwäsche und so. Sie hat auch viele Weihnachtsgeschenke gekauft. Sie hatte einen riesigen Freundeskreis“, sagt die Angeklagte. Es klingt trotzig. Doch im nächsten Moment erscheint sie labil, erzählt von massiven psychischen Problemen und dass sie lange in Behandlung sei.

Einfach der Versuchung nicht mehr nachzugeben und den Kontakt zu der Dame abzubrechen, das habe sie nicht geschafft. „Ich konnte sie doch nicht allein lassen“, sagt sie. „Weil es eine gute Einnahmequelle war?“, hakt der Amtsrichter nach. „Ich konnte es menschlich nicht“, versetzt die Angeklagte. Der Richter kontert: „Wie menschlich ist das denn, wenn man so viel Geld veruntreut? Das scheint mir für den Lebensabend gewesen zu sein.“ Erika R. sei wohl kaum eine Frau, „die ein ausschweifendes Leben geführt hat“.

Gefahr, dass die Rentnerin zum Sozialfall wird

Vor allem war sie eine Dame, die ihrer Pflegekraft bedingungslos vertraute. Bei einer früheren Vernehmung sprach die 80-Jährige von einem „wunderbaren Verhältnis“ zur Angeklagten. Und sie könne sich nicht vorstellen, dass ihre Freundin sie so massiv hintergehen würde. Wie sehr die Frau sich getäuscht hat.

Eine Betreuerin, die sich seit einigen Monaten vor allem um die finanziellen Belange der Rentnerin kümmert, schildert als Zeugin die prekäre finanzielle Lage der 80-Jährigen. „Ich muss nach und nach ihren Besitz auflösen, sie ist bald ein Fall für die Sozialhilfe.“ Wenn sie nicht von der Pflegerin hintergangen worden wäre, „hätte sie sich noch etwas leisten können“.

Ein Jahr und acht Monate Haft mit Bewährung lautet das Urteil des Amtsrichters. Zusätzlich muss Julia L. über die knapp 12.000 Euro hinaus, die sie an das Opfer bereits zurückgezahlt hat, weitere 200 Euro monatlich überweisen. „Sie haben behauptet zu helfen, aber haben vor allem sich selbst geholfen“, sagt der Richter. „Vor allem war es ein erheblicher Vertrauensbruch.“