Hamburg . Edina Müller, Siegerin von 2012, zitterte mit bis zum Schluss. Ihre Enttäuschung ist riesig

Als um 18.21 Uhr die ersten Zahlen den negativen Trend des Abends begründen, schaut Edina Müller gar nicht hin. Die Paralympics-Siegerin von 2012 im Rollstuhlbasketball, die kürzlich zum Parakanu gewechselt ist und 2016 in Rio de Janeiro in ihrer neuen Sportart Gold holen will, sitzt mit dem Rücken zum großen Flachbildschirm, der in einer Ecke des Skylight Cafés in der Barclaycard Arena hängt. „Ich habe mir vorgenommen, nicht dauernd auf die Zahlen zu schauen“, sagt die 32-Jährige. „Lieber will ich mich mit den anderen Menschen hier unterhalten, um mich abzulenken.“

Dutzende Termine hat die seit 15 Jahren querschnittgelähmte Topsportlerin in den vergangenen Monaten absolviert, um für Olympische und vor allem die Paralympischen Spiele in ihrer Heimatstadt zu werben. „Ich habe versucht, in vielen Gesprächen zu erklären, wie wichtig das Thema Inklusion in den kommenden Jahrzehnten werden wird und wie spannend unter diesem Gesichtspunkt der voll inklusive Stadtteil Olympia City werden kann“, sagt sie. Nun, da das Referendum auf die Zielgerade einbiegt, ist sie einfach nur froh, dass die Zeit des Werbens und Wartens endlich vorbei ist.

Das positive Gefühl, dass die Hamburger die Chancen, die die Ausrichtung der Spiele bietet, erkennen würden, hat sie nie verlassen während der vielen Wochen, und auch am Sonntagmorgen beim Frühstück ist der Optimismus groß. Um sich abzulenken, war die Diplom-Sporttherapeutin, die an der BG-Klinik in Boberg arbeitet, mittags noch zur Stimmabgabe in ihrem Wilhelmsburger Wahllokal gewesen. „Mir tat es gut, mein Ja erst kurz vor Schluss abzugeben“, sagt sie.

Die Aufregung wuchs Stunde um Stunde, doch als sie um kurz vor 18 Uhr im Volkspark eintrifft, ist der Optimismus ungebrochen. Dass sie ganz in Schwarz gekleidet ist, soll natürlich kein vorweggenommenes Statement sein. Die Weißweinschorle, „die gönne ich mir an so einem Tag mal“, trinkt sie in kleinen Schlucken. Die Gespräche, die sie führt, wirken entspannt. Sat.1 bittet um ein Interview, Arte ebenfalls, und als Nikolas Hill, Chef der Bewerbungsgesellschaft, ihr in seiner offiziellen Begrüßungsrede für ihre Unterstützung dankt und eine in Kristallglas eingefasste Miniatur des Kleinen Grasbrooks überreicht, ist ihr die Freude anzusehen.

Das ändert sich erst, als um 19.15 Uhr die Olympiagegner mit vier Prozentpunkten vorn liegen. Die Currywurst, die sie mit der paralympischen Topschwimmerin Kirsten Bruhn genießen wollte, will nicht schmecken. „Im Moment ist die Stimmung im Keller“, sagt sie, „wenn das schiefgeht, dann ist das die schlimmste Niederlage meines Lebens. Und ich habe schon ein WM-Finale mit einem Punkt Unterschied verloren.“ Aber Aufgeben war noch nie eine Option. Und so zittert sie mit bis zum Schluss.