Hamburg. Die ehemalige Fraktionschefin zieht einen Schlussstrich unter ein zerrüttetes Verhältnis

Die Linkspartei rutscht in Hamburg tiefer in die Krise. Dora Heyenn, bei der Bürgerschaftswahl 2015 noch Spitzenkandidatin, ist aus der Partei ausgetreten. Damit zieht die ehemalige Fraktionschefin einen Schlussstrich unter ein völlig zerrüttetes Verhältnis zu Partei und Fraktion der Linken. Heyenn war bereits im März aus der Fraktion ausgetreten und ist seitdem fraktionsloses Mitglied der Bürgerschaft. Ihr Mandat werde sie aber weiter wahrnehmen, erklärte die 66-Jährige.

„Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen mir und der Fraktion die Linke und dem Landesvorstand ist für mich nicht mehr gewährleistet. Mein Vertrauen in die Leitungsgremien der Landespartei und in die in ihr agierenden Personen ist zerstört“, sagte Heyenn als Begründung für ihre Entscheidung. Gespräche über eine Zusammenarbeit sowie eine mögliche Rückkehr in die Fraktion seien zwar angekündigt, aber nicht geführt worden. Laut Heyenn habe es keine Terminanfragen gegeben. „Schlimmer noch, auf schriftliche Vorlagen, Vorschläge, Mails und Fragen erhalte ich keinerlei Antwort.“ Eine Annäherung über die inhaltliche Arbeit habe es in den vergangenen neun Monaten nicht gegeben. So hätten beide Seiten sich immer mehr entfremdet, so Heyenn.

Und nicht nur das. In ihrer Abrechnung wirft die frühere Lehrerin den Linken vor, ihre politische Arbeit „hintertrieben“ zu haben. So hätten etwa Vertreter der Linken verhindert, dass Gäste zu politischen Veranstaltungen Heyenns erschienen.

Parteisprecher Martin Wittmaack bestreitet den Vorwurf der Sabotage. „Das stimmt nicht. Frau Heyenn hat da eine andere Interpretation.“ Stattdessen spricht er von „Kommunikationsproblemen“ und einer fehlenden Bereitschaft Heyenns zur Terminabsprache. Die Parteispitzen Sabine Wils und Rainer Benecke sagten: „Selbstverständlich respektieren wir ihre bedauerliche Entscheidung. Leider gab es trotz unserer Angebote keine Bereitschaft, eine Klärung in einem moderierten Gespräch anzugehen. Die Differenzen waren für Frau Heyenn offenkundig so unüberbrückbar, dass dieser Schritt für sie wohl unvermeidlich war.“

Ebenso knapp sind auch die Stellungnahmen der beiden Fraktionschefinnen Sabine
Boeddinghaus und Cansu Özdemir: „Unsere Tür war immer offen, wir haben mehrmals das Gespräch mit Dora Heyenn gesucht. Doch offenbar waren die politischen Differenzen zu groß.“ Tatsächlich vollzieht Dora Heyenn nun einen logischer Schritt in dem Anfang November 2014 öffentlich gewordenen Konflikt zwischen ihr und der Partei sowie der Fraktion. Bei der Nominierung zur Spitzenkandidatur für die Bürgerschaftswahl verpassten die Linken der damaligen Fraktionschefin einen schweren Dämpfer. Sie erhielt nur 55 Prozent Zustimmung. Erst nach einer Bedenkzeit nahm Heyenn die Wahl an. Dennoch verbesserten die Linken mit ihrer Spitzenkandidatin bei der anschließenden Bürgerschaftswahl ihr Ergebnis von vor vier Jahren um 2,1 Prozentpunkte auf 8,5 Prozent.

Doch Erfolg ist bei den Linken kein Garant für Dankbarkeit. Zunächst wollte die Fraktion Heyenn eine weitere Spitze an die Seite stellen – ein Affront. Zudem warfen Teile der Linken Heyenn vor, der Wahlkampf sei auf ihre Person zugespitzt gewesen, obwohl die Partei dies selbst beschlossen hatte. Bei der anschließenden Wahl zur Doppelspitze, zu der sich Heyenn doch noch zähneknirschend gestellt hatte, ließ die Fraktion sie gnadenlos durchfallen. Als Gründe wurden später angeführt, Heyenn sei „oberlehrerhaft und monarchisch“ aufgetreten. Sie habe es nicht verstanden, innerhalb der Fraktion zu integrieren.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt waren die Wunden bei Heyenn zu tief, als dass sie noch hätten heilen können. Zu häufig und zu schwer war sie von ihren eigenen Leuten gedemütigt worden. Bei der konstituierenden Sitzung der Bürgerschaft Anfang März erklärte die über die Parteigrenzen respektierte Politikerin ihren Austritt aus der Fraktion. Dass es nun zum Parteiaustritt kommen würde, war nur noch eine Frage der Zeit. Auf dem Parteitag am vergangenen Wochenende, so Heyenn, sei die Ausgrenzung „von Gruppierungen und Einzelpersonen“ offensichtlich gewesen. Das habe den letzten Ausschlag gegeben.

Dora Heyenn, die 1999 bereits aus der SPD ausgetreten ist, kündigte an, „nach zwei emotionalen Enttäuschungen“ kein drittes Mal in eine Partei eintreten zu wollen. Sie werde sich in der Bürgerschaft „weiterhin für pragmatische Lösungen einsetzen“.