Manfred Braasch vom BUND Hamburg fehlen wichtige Informationen vor dem Referendum. Bei Großprojekten hätten der Natur- und Umweltschutz das Nachsehen
Nun läuft es also, das allererste Hamburger Referendum. Rund 1,3 Millionen Hamburger und Hamburgerinnen sind aufgerufen, über die Olympiabewerbung zu entscheiden. Erst per Briefwahl, am 29. November auch mit einem Kreuz in der Wahlkabine. Hoffen wir auf rege Beteiligung!
Der BUND Hamburg hat unmittelbar vor dem Referendum dazu aufgerufen, mit Nein zu stimmen. Es fehlen wichtige Informationen, vieles ist kaum mehr als ein bunter Plan. Dazu einige Beispiele: Das Nachhaltigkeitskonzept bleibt unverbindlich und setzt keine ambitionierten Akzente. Erst im nächsten Jahr soll es eine belastbare „Nachhaltigkeitsstrategie“ geben. Da wirkt es wenig glaubhaft, dass Hamburg die Spiele nachhaltiger als London gestalten, aber dafür weniger Geld als die Briten ausgeben will.
Es wird Eingriffe in die Natur geben, wie etwa das Zuschütten des Travehafens. Kosten für den Naturschutzausgleich sind im olympischen Finanzreport gar nicht erst beziffert und damit erkennbar unwichtig für Senat und Bewerbergesellschaft. An der angekündigten Klimakompensation hängt immerhin ein Preisschild, doch die 34 Millionen Euro wurden bei der Summenbildung im Finanzreport schlicht vergessen. Und trotz langer Debatten liegt immer noch kein flächenscharfes Konzept für die Verlagerung von Hafenunternehmen vor. Wo passiert was zu wessen Lasten – diese Fragen bleiben unbeantwortet. Wenn vieles unklar bleibt, zeigen unsere Erfahrungen aus anderen Großprojekten, haben der Natur- und Umweltschutz das Nachsehen. Als Anwalt der Natur können wir bei dieser Informationslage nicht zustimmen – ganz davon abgesehen, dass die gesamte Finanzierung blinde Flecken hat und – sollte etwas schiefgehen – Hamburg einseitig das Risiko trägt. Das wäre die Vertragslage mit dem IOC, bestätigt durch den Landesrechnungshof.
Aber mir geht es noch um einen anderen Aspekt. Hamburg will mit „nachhaltigen und bescheidenen“ Spielen die bedeutsamste Sportveranstaltung der Welt aus dem Doping- und Korruptionssumpf herausholen, zu dem zwielichtige Funktionäre den olympischen Gedanken verkommen ließen. Man darf bezweifeln, dass dies funktioniert. Denn wie und vor allem von wem soll ein derart gigantisches Stadtentwicklungskonzept in nur knapp sieben Jahren bei extremem Kostendruck bewältigt werden? Und zwar mit gesetzeskonformer Planung und umfassender Beteiligung der Bevölkerung! Das hat schon bei vergleichsweise kleinen Projekten wie etwa der Elbvertiefung nicht funktioniert. Unsere Verwaltung ist bereits im „Normalmodus“ immer öfter nicht ausreichend arbeitsfähig. Nicht aus bösem Willen, sondern weil ständig mehr Aufgaben auf immer weniger Personal abgeladen werden.
Trotzdem baut die rot-grüne Regierung jährlich 250 Mitarbeiter/-innen ab. Mehr Geld und Personal gibt es nicht, so hat es der Erste Bürgermeister verfügt. Und nun denke man sich Olympia – ein 15-Milliarden-Projekt, das auf die Stadt zurollt, diese in eine siebenjährige Dauerbaustelle verwandelt, und obendrein zu einem fixen Termin fertig sein muss. Da braucht es keine Fortbildung in Projektmanagement, um zu ahnen, dass Feuer und Flamme den Blick auf das Machbare vernebelt.
Natürlich stecken einige gute Ideen in den bunten Plänen. Auch eine Stadtentwicklung auf dem Kleinen Grasbrook ist auf den ersten Blick ein interessantes Projekt. Aber kann man da wohnen, wo heute Luftschadstoff- und Lärmbelastungen über den Grenzwerten liegen? Wo Wohnungskäufer zusichern müssten, jede hafentypische Belastung zu dulden und auf Rechtsmittel zu verzichten – auch wenn es laut wird? Wenn der Grasbrook wirklich zukunftsfähig entwickelt werden soll, braucht es mehr Zeit und kein IOC.
Das Referendum läuft also. Trotz Wirtschaftswerbeflut und Olympiaringen im Stadtpark bleibt zu hoffen, dass die Hamburger sich ein eigenes Bild machen und die richtige Entscheidung für ihre Stadt treffen. Die Fähigkeit dazu haben sie mehrfach bewiesen.