Hamburg. Das Abendblatt beantwortet Leser-Fragen: Was unternimmt der HVV? Wie kann ich mich schützen? Ist der Besuch von Weihnachtsmärkten gefahrlos?

Spätestens seit den Terroranschlägen vor einer Woche in Paris wächst in Hamburg die Besorgnis vor terroristischer Gewalt. Das Abendblatt beantwortet die Fragen, die die Leser bewegen.

Gibt es Berührungspunkte zwischen normalen Kriminellen und dem Salafismus?

Darüber liegen kaum Informationen vor. Aus früheren Berichten ist bekannt, dass es sich bei den Salafisten oft um junge Leute handelt, die sich rasend schnell radikalisieren. Viele haben einen Lebenslauf mit Brüchen oder waren in der Vergangenheit kriminell.

Ist der Anschlag in Paris auch eine Drohung an Deutschland?

„Deutschland befindet sich seit Längerem im Fokus islamistischer Terroristen“, sagt Marco Haase, Sprecher des Hamburger Verfassungsschutzes. Bereits im Herbst 2014 habe der IS Deutschland als mögliches Anschlagsziel benannt. Auch al-Qaida hat das getan. „Und natürlich bedeutet ein Anschlag im Kontext eines Fußballspiels mit der deutschen National-Elf auch eine Bedrohung Deutschlands.“

Wann ist der Terror vorbei?

„Terrorismus gehört leider seit Jahrhunderten zur Geschichte menschlicher Gesellschaften dazu“, sagt Haase. Allerdings hätten Terroristen sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland und Europa nicht durchsetzen können. Beispiele seien die Linksterroristen der Roten Armee Fraktion, der Roten Brigaden oder der Action Directe. „Die freien, demokratischen Gesellschaften haben sich als sehr sichere Gesellschaften herausgestellt“, sagt Haase.

Sehen die Sicherheitsbehörden für Weihnachtsmärkte eine erhöhte Risikolage?

Die Gefährdungslage wird in Hamburg als hoch eingestuft. Weil allerdings aktuell keine konkreten Anhaltspunkte für einen Anschlag auf Großveranstaltungen vorliegen, verstärkt die Polizei ihre Präsenz beispielsweise auf Weihnachtsmärkten oder vor den Fußballstadien nicht. Allerdings wird die Lage fortlaufend geprüft.

Wie sicher sind Hamburgs Bahnhöfe?

„Die Gefährdungslage ist seit Monaten hoch, konkrete Hinweise auf geplante Anschläge gibt es aber nicht“, sagt Rüdiger Carstens von der Bundespolizei. Allerdings wurden nach den Anschlägen von Paris die Bundespolizisten am Hauptbahnhof und am Flughafen mit Maschinenpistolen und schusssicheren Westen ausgestattet. Außerdem laufen verdeckte Maßnahmen.

Wie gefährlich ist es gegenwärtig, in Hamburg mit der U-Bahn zu fahren?

400 Mitarbeiter der Hochbahn-Wache, rund 500 U-Bahn-Fahrer und der „mobile Dienst“ haben im U-Bahn-Netz die Belange der Sicherheit im Blick. Zudem schaltet die Leitstelle sich permanent über Kameras live auf Haltestellen auf. Insgesamt sind flächendeckend 5500 Kameras in Fahrzeugen und an Haltestellen installiert. Zudem gibt es eine seit Langem eingespielte „Sicherheitspartnerschaft ÖPNV“, an der neben der Hochbahn die S-Bahn, der HVV, die Polizei, die Bundespolizei und die zuständigen Behörden beteiligt sind.

Werden U-Bahn-Züge regelmäßig auf verdächtige Gegenstände geprüft?

An jeder Endhaltestelle geht der U-Bahn-Fahrer einmal den Zug ab. Hinzu kommen Mitarbeiter der Hochbahn-Wache und der mobilen Dienste, die ständig unterwegs sind. Außerdem sind da noch die Fahrgäste. Wer einen verdächtigen Gegenstand entdeckt, sollte sich über die in jedem Wagen installierte Sprechstelle an den U-Bahn-Fahrer oder per Notrufsäule auf dem Bahnsteig an die Leitstelle wenden.

Warum gibt es kaum Sicherheitskräfte?

Das ist eine subjektive Wahrnehmung. Das U-Bahn-Netz ist groß und Fahrgäste begegnen auf ihren Wegen nicht überall Sicherheitskräften. Fakt ist aber: Die Hochbahn hat eine sehr hohe Präsenz im Netz und über verschiedene Sicherheitsmaßnahmen alle U-Bahnen und Haltestellen im Blick.

Wie ist der Elbtunnel gesichert?

Der Elbtunnel verfügt über eine Zentrale, aus der über Videokameras jeder Winkel des Tunnels und die Zufahrtsbereiche beobachtet werden können. Zum Überwachungspersonal gehören Polizisten. Ferner gibt es für den Tunnel eine eigene Feuerwehr, die Stationen auf beiden Seiten der Elbe hat.

Wie informiert die Stadt Hamburg die Bürger über konkrete Bedrohungslagen?

Um viele Menschen zu erreichen, werden Warnmeldungen über Lautsprecher, Rundfunk, Fernsehen, Facebook und Twitter verschickt. Daneben gibt es das Katastrophenwarnsystem „Katwarn“, das SMS und E-Mail nutzt. Dafür ist die Anmeldung unter 0163 755 88 42 mit dem Stichwort „KATWARN“ und der Postleitzahl des Gebiets, für das gewarnt werden soll, notwendig. Zudem kann man sich die Katwarn-App für Smartphones herunterladen.

Wie kann ich mich vor Selbstmordattentaten schützen?

Den Schutz selbst zu organisieren wird kaum möglich sein. Hier sind die Sicherheitsbehörden gefragt. Als Bürger sollte man, wenn man wirklich nützliche Informationen hat, diese den Sicherheitsbehörden mitteilen.

Wie reagiere ich, wenn es in meiner Nähe zu einem Attentat kommen sollte?

In Hamburg gibt es eine hohe Polizeidichte. Innerhalb kurzer Zeit werden Einsatzkräfte vor Ort sein. Zunächst sollte man sich aus dem Gefahrenbereich bringen und, wenn möglich, anderen Betroffenen helfen. Dann sollte man unbedingt den Anweisungen der Polizei folgen. Niemand soll sich selbst in Gefahr bringen, aber jeder ist verpflichtet, bei einer Straftat im Rahmen seiner Möglichkeiten einzugreifen. Deshalb ist auch jeder gefordert, als Zeuge und Helfer aktiv zu werden.

Kann ich die Polizei unterrichten, wenn europäische Fahnen brennen oder sich Menschen positiv zu Attentaten äußern?

Das Anzünden der deutschen Nationalfahne ist eine Straftat nach Paragraf 90a StGB (Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole). Zudem können Sicherheitsbehörden durch eine Information neue Erkenntnisse gewinnen.

Werden im Ausland trainierte Terroristen bei ihrer Rückkehr festgenommen?

Es steht unter Strafe, sich in Camps ausbilden zu lassen oder an Kampfhandlungen teilzunehmen. Das muss aber konkret bewiesen werden, um eine Verurteilung zu erwirken. Für einen Haftbefehl braucht es zudem einen dringenden Tatverdacht.

Warum können Unterstützer von Terroristen nicht ausgewiesen werden?

Man muss berücksichtigen, dass eine Reihe von Unterstützern die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ist nicht vorgesehen, lediglich der Passentzug. Wird ein Ausländer wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, muss er nach Angaben der Ausländerbehörde zwingend ausgewiesen werden. Allerdings ist eine Ausweisung auch möglich, „wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt“.

Besteht ein Zusammenhang zwischen der zunehmenden Zahl an Flüchtlingen und einem erhöhten Terrorrisiko?

Offizielle Stellen verneinen das. Fakt ist aber, dass einer der in Paris getöteten Terroristen mit einem gefälschten Pass über die Flüchtlingsroute nach Europa gekommen ist.

Kann man jedem Beamten einen Sprengstoff-Schnüffelhund zur Seite zu stellen?

Polizei und Bundespolizei haben nur wenige auf Sprengstoff trainierte Hunde. Sie werden im täglichen Dienst, beispielsweise am Flughafen, eingesetzt. Die Hunde sind in der Lage, nur etwa 20 Minuten die anstrengende Schnüffelarbeit zu erledigen. Ein flächendeckender Einsatz ist daher unmöglich.

Müssen wir jetzt Angst vor einem Dritten Weltkrieg haben?

Mit Kriegsgerede spielen wir nur den Terroristen in die Hände, sagt Remmer-Koch vom Evangelisch-Lutherischer Kirchenkreis Hamburg-Ost. Wir sollten uns stattdessen um Besonnenheit bemühen.

Kann ich an Heiligabend ohne Sorge in den Michel gehen?

Solange wir von den Behörden kein anderes Signal erhalten, sollten wir gerade in diesem Jahr in die Kirche gehen, um die christliche Friedensbotschaft zu feiern, sagt Remmer-Koch.

Warum ist es nicht möglich, dass alle Parteien an einem Strang ziehen?

Die Haltung zum Verhältnis von inneren und individueller Freiheit ist ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal von Parteien und einer der Gründe für ihre Existenz, sagt Prof. Kai-Uwe Schnapp von der Uni Hamburg. Da ist wenig Platz für Kompromisse. Eine Einigung führt oft zu Unzufriedenheit - bei den Parteien und bei den Wählern.

Wann hören die Medien auf, in aufmerksamkeitsheischender Manier über den Terror zu berichten?

„Die Medien berichten über die jüngsten Terroranschläge verantwortlich und angemessen“, sagt Stefan Endter, Geschäftsführer des Deutschen Journalisten-Verbandes in Hamburg. Das öffentliche Interesse an diesen Verbrechen sei sehr groß. „Guter Journalismus darf hier nicht schweigen, sondern muss die Realität abbilden und einordnen“, so Endter.

Muss der Staatsakt für den verstorbenen Helmut Schmidt wirklich stattfinden?

Solange es keine konkreten Hinweise auf einen terroristischen Anschlag gebe, wäre eine Absage des Staatsakts am Montag in Hamburg ein völlig falsches Signal, sagt Prof. Michael Brzoska, wissenschaftlicher Direktor am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg. Terrorismus ziele darauf, Angst zu verbreiten. „Natürlich sollte man sich und andere nicht unnötig in absehbare Gefahr bringen. Aber nur aus abstrakter Angst vor Terrorismus Großereignisse abzusagen, hieße, sich dem Terror zu beugen.“