Hamburg. 25. Hamburg Soirée. Altbürgermeister Ole von Beust kritisiert die Olympia-Kampagne: Weniger wäre wahrscheinlich mehr, sagt er.
Die Villa im Heine-Park an der Elbchaussee, Sitz des Hamburger Business Clubs, leuchtet an diesem Abend in den französischen Nationalfarben Blau, Weiß, Rot. Die 25. Hamburg Soirée verneigt sich vor den Opfern der Terroranschläge in Paris.
Mit Olaf Scholz (SPD), zum neunten Mal Gast, und seinem Vorvorgänger Ole von Beust (CDU), zum 15. Mal dabei, stellen sich erstmals zwei Bürgermeister den Fragen des Rechtsanwalts und früheren FC-St.-Pauli-Vizepräsidenten Christian Hinzpeter (Agentur Faktor 3 Sport) und von Abendblatt-Chefreporter Jens Meyer-Odewald. Ehrengast ist diesmal die zweimalige Olympiasiegerin Ulrike Nasse-Meyfarth, 59, die 1972 in München als 16-Jährige und zwölf, für sie schwierige Jahre später in Los Angeles Gold im Hochsprung gewann. Im Saal herrscht unter den rund 150 Zuhörern Nachdenklichkeit. Die Gespräche drehen sich um die Ereignisse der vergangenen Tage. Olympia in Hamburg bleibt dennoch ein beherrschendes Thema.
„Olympische Spiele passen wunderbar nach Hamburg. Spiele am Wasser haben immer ein besonderes Flair. Und sie werden in einer überschaubaren Stadt wie Hamburg ganz anders wahrgenommen als in einem weitläufigen Moloch wie Los Angeles, wo in einigen Stadtteilen niemand etwas von Olympia mitbekommt“, sagt Nasse-Meyfarth. Und die drei auf dem Podium sind sich einig, dass die jüngsten Anschläge in Paris die Bewerbung nicht stoppen sollten. „Dass man im ersten Moment Angst hat, kann ich gut verstehen“, sagt von Beust, „aber diese Angst darf unser Leben nicht diktieren. Sonst könnten wir unser Haus nicht mehr verlassen.“ Dafür erhält er Beifall.
Nach den Anschlägen in Paris trägt die Welt Trikolore
Meyfarth hat 1972 in München den Angriff palästinensischer Terroristen gegen die israelische Olympiamannschaft miterlebt. „Wir haben in unserem Team und auch mit vielen Sportlern aus anderen Ländern stundenlang geredet, strittig diskutiert, um das Geschehene irgendwie verarbeiten zu können. Was damals passiert ist, lässt mich bis heute nicht los“, erzählt Meyfarth. Trotzdem sei es richtig gewesen, dass die Spiele nach einem Tag des Innehaltens fortgesetzt wurden. „Wir dürfen uns dem Terror nicht beugen. Dann haben wir verloren“, sagt sie.
Auch von Beust hat seine Erfahrung mit einer Hamburger Olympiabewerbung gemacht. Im April 2003 war er Bürgermeister, als Leipzig zum deutschen Kandidaten gekürt wurde: „Unser Fehler war es, dass wir viel zu lange davon ausgingen, dass die Entscheidung von unabhängigen Frauen und Männern anhand objektiver, sachlicher Kriterien gefällt wird. Es gab eine Evaluierungskommission, die uns in fast allen Bereichen Bestnoten erteilte. Ich habe damals unterschätzt, dass irrationale Dinge, die mit der Bewerbung absolut nichts zu tun hatten, plötzlich wichtig wurden. Am Ende haben die Strippenzieher gesiegt.“ Nasse-Meyfarth pflichtet von Beust bei: „Leipzig war eine verheerende Entscheidung für den deutschen Sport.“ Ein Jahr später scheiterte die Stadt beim IOC schon in der Vorauswahl der Kandidaten für die Sommerspiele 2012.
Hamburg gedenkt der Terroropfer von Paris
Diesmal sei es im Wettstreit mit Berlin anständig gelaufen, sagt von Beust. Aber er hat auch Kritik an der laufenden Kampagne. Sie ist ihm zu marktschreierisch, nicht hanseatisch genug. „Weniger wäre wahrscheinlich mehr“, sagt er, „Hamburg sollte dezenter werben, das kommt bei den Menschen hier besser an.“ Vor zwei, drei Monaten habe er das Referendum noch für einen Selbstgänger gehalten, jetzt spüre er, dass die Euphorie für Olympia in der Stadt verloren gegangen sei. „Es könnte am 29. November knapp werden“, ahnt er. Aber was ist nicht alles in den vergangenen Wochen auf Hamburgs Olympiaambitionen eingestürzt: die Flüchtlingskrise, die Skandale beim Weltfußballverband Fifa und beim DFB, die fehlende Zusage des Bundes über den Anteil der finanziellen Milliardenbeteiligung, jetzt die Anschläge in Paris. Jede Mehrheit für Olympia wäre daher ein gutes Ergebnis.
Für den Fall, dass Hamburg nach dem 29. November seine Bewerbung fortsetzen kann, hat Olaf Scholz schon Pläne geschmiedet. Er will die vier Konkurrenten Los Angeles, Paris, Rom und Budapest besuchen. „Wir müssen erreichen, dass alle unsere Mitbewerber, wenn sie es dann nicht selbst werden, wollen, dass es Hamburg wird“, sagt der Bürgermeister. Und noch eins: Eine Einigung mit dem Bund wird es geben, nicht im November, aber spätestens am Anfang des nächsten Jahres.
Am Ende grüßt Christian van Zwamen, Kapitän des Hapag-Lloyd-Kreuzfahrtschiffs MS „Europa 2“, per Video aus Dubai. Die Reederei unterstützt die Soirée. Van Zwamen tütet in dem Film gerade seine Briefwahlunterlagen ein. Er sagt, er habe mit Ja gestimmt.