Hamburg. Die Terroranschläge von Paris lösen in der ganzen Welt Trauer und Anteilnahme aus. So reagieren die Politiker in Hamburg und im Norden.
Die Terroranschläge von Paris lösen in der ganzen Welt Trauer und Wut aus, auch in Hamburg legen hunderte Menschen Blumen und Grablichter vor dem französischen Generalkonsulat in der Heimhuder Straße ab, um der mindestens 129 Opfer zu Gedenken. Immer mehr Menschen im Norden rufen nun zu Menschlichkeit und Zusammenhalt auf - Politiker warnen gleichwohl davor, Flüchtlinge in der Folge der Attentate unter Generalverdacht zu stellen.
Hamburger Schura: "Terroristen sind unser gemeinsamer Feind"
Mit Abscheu und Entsetzen hat die Schura - Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg auf die Terrorserie von Paris reagiert. „Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Opfern und ihren Angehörigen“, sagte Schura-Vorsitzender Mustafa Yoldas am Wochenende in Hamburg. Das anscheinend sehr koordinierte Vorgehen der Terroristen von Paris stelle dabei eine neue Qualität dar, die beunruhige. „Ob Paris oder Beirut - der Terrorismus ist unser gemeinsamer Feind“, fügte er hinzu.
Nach Ansicht der Schura ist es um so wichtiger, sich über Nationen und Religionen hinweg gemeinsam gegen den Terrorismus zu stellen. „Auch wenn sich die Attentäter und ihre Hintermänner und Sympathisanten wieder auf den Islam berufen, für die überwältigende Mehrheit der Muslime sind sie unser gemeinsamer Feind“, sagte Yoldas.
Weitere Reaktionen auf die Anschläge von Paris
Hamburgs FDP-Fraktionschefin Katja Suding sagte: „Die offene Gesellschaft, die Respekt vor Ressentiment und größtmögliche Freiheit vor absolute Sicherheit stellt, wird sich ihre Werte nicht von fanatischen Mördern nehmen lassen.“ Der Französische Generalkonsul in Hamburg, Serge Lavroff, äußerte sich am Sonnabendabend bei einer Mahnwache: „Das, was wir in Paris erlebt haben, ist ein Krieg ohne Grenze, ein Krieg ohne Gnade.“
Der Rat der Islamischen Religionsgemeinschaft Schleswig-Holstein (Schura) in einer Erklärung: „Religion kennt keinen Terror. Wir müssen gemeinsam gegen den Terror vorgehen.“ Ähnlich plakativ äußerte sich auch FDP-Bundes-Vize Wolfgang Kubicki: „Das hat nichts mehr mit Glauben zu tun, das ist einfach krank.“
Linke unterstützt Aufruf zur Solidaritätskundgebung
Die Hamburger Linksfraktion gedenkt der Opfer der Terroranschläge in Paris und schließt sich dem Aufruf zur Solidaritätskundgebung (siehe unten) der SPD- und Grünen-Bürgerschaftsfraktionen an. "Wir stehen an der Seite der Angehörigen und Freunde der Terroropfer und sprechen ihnen unser herzliches Beileid aus", erklären die Fraktionsvorsitzenden Cansu Özdemir und Sabine Boeddinghaus. "Wir verteidigen die offene Gesellschaft und das friedliche Zusammenleben. Die barbarischen Taten von Paris zeigen uns erneut, wie wichtig es ist, die Ursachen von Krieg, Not und Terror zu beseitigen."
Solidaritätskundgebung geplant
"Wir sind erschüttert von den Terroranschlägen in Paris. Die unvorstellbare Brutalität und Wahllosigkeit, mit der die Attentäter vorgingen, macht uns sprachlos. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und unser Mitgefühl gilt ihren Angehörigen und Freunden", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Hamburger SPD- und Grünen-Bürgerschatfsfraktionen.
Das überparteiliche Bündnis, das bereits nach den Anschlägen auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo im Januar zu einer Kundgebung aufgerufen hatte, wolle sich erneut formieren. Am kommenden Mittwoch, 18. November, soll es deshalb um 16 Uhr eine Solidaritätskundgebung in der Hamburger Innenstadt unter dem Motto "Nous sommes Paris" (Wir sind Paris) geben. Bei der Kundgebung seien etwa Reden von Bischöfin Kirsten Fehrs, Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit und dem französischen Generalkonsul Serge Lavroff geplant, teilten die Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen, Andreas Dressel und Anjes Tjarks, am Sonntag mit.
Weiter heißt es in der Erklärung der Bürgerschaftsfraktionen: "Diese Attentate haben in Paris stattgefunden, aber sie sind auch ein Angriff auf Europa und unsere Werte. Sie sind ein Angriff auf Freiheit, Demokratie, Mitmenschlichkeit und unsere Art zu Leben. Sie sind ein Angriff auf das friedliche Zusammenleben in Europas Städten. Das werden wir nicht hinnehmen."
Aktion: "Kerzen entzünden als Zeichen der Trauer"
Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs hat dazu aufgerufen, im Gedenken an die Opfer der Terroranschläge von Paris am Sonntagabend um 18 Uhr und an den folgenden Abenden eine Kerze ins Fenster zu stellen. Sie unterstütze damit eine am Sonnabend spontan entstandene Initiative, die auch auf Facebook verbreitet wurde, teilte Pressereferentin Susanne Gerbsch am Sonntag mit.
„Lasst uns Kerzen entzünden als Zeichen der Trauer, aber auch als Symbol für das Leben“, sagte Fehrs. Sie sei tief erschüttert von der Gewalt und dem Terror, der erneut so viele Menschen das Leben gekostet hat. „Ich möchte aufrufen zum Gebet für die Opfer, für alle Familien, die einen Menschen verloren haben oder deren Angehörige schwer verletzt sind.“
Die Anschläge seien „Ausdruck hasserfüllter Brutalität“, sie seien „menschenverachtend und zutiefst böse“, so die Bischöfin. Die ganze Gesellschaft müsse diesem Hass entgegentreten. Keine Ideologie und keine Religion der Welt rechtfertige, dass Menschen andere Menschen töten. Zugleich sei sie sicher: „Der Terror wird nicht das letzte Wort haben, wenn wir unbeirrt an unseren Werten und am Dialog festhalten.“
Die Kerzen-Idee entstand bei einer Veranstaltung am Sonnabend in der Hamburger Hauptkirche St. Katharinen. „Wir wollen Solidarität zeigen und Hamburg zum Leuchten bringen“, sagte eine junge Teilnehmerin des Abends. Bei der lange geplanten Veranstaltung im Rahmen der „Martinstage“ zum Gedenken an Martin Luther diskutierten über 70 junge Erwachsene über gesellschaftspolitisches Engagement, Flüchtlinge und die Rolle der Kirche.
"Unbegreifliche Massen-Exekution von unschuldigen Menschen"
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat die Anschläge von Paris als einen „kranken Angriff“ auf Freiheit und Demokratie bezeichnet. „Das waren feige Anschläge mit Sprengstoff, Maschinengewehren und Handgranaten, eine unbegreifliche Massen-Exekution von unschuldigen Menschen, die bei einem Rockkonzert einfach nur Spaß haben und ihre Musik hören oder in einem Restaurant einen netten Abend genießen wollten“, hieß es in einer Stellungnahme des Ministers von Sonnabend. Die Opfer seien willkürlich ausgewählt und blindwütig ermordet worden.
"Genau vor diesem Terror sind die Flüchtlinge geflohen"
Die Hamburger Akademie der Weltreligionen hat die Terroranschläge in Paris als „Verbrechen gegen die Menschheit“ bezeichnet. Diese „abscheulichen Taten“ seien weder mit dem Krieg in Syrien noch mit religiösen Gründen zu rechtfertigen, sagte Akademiedirektor Wolfram Weiße am Wochenende in Hamburg. „Wir verstehen die Flüchtlinge, die genau vor diesem Terror zu uns geflohen sind.“
„Wir gedenken der vielen Opfer in Paris und teilen die Trauer der Angehörigen und aller Franzosen“, heißt es weiter in der Stellungnahme der Akademie. Die Anschläge in Paris würden vieles in Frankreich, Deutschland, Europa und der Welt verändern. Denn wenn Angst und Sicherheitswünsche steigen, habe die Politik darauf zu reagieren. Doch es sei „zu hoffen, dass die notwendige Solidarität in unseren Gesellschaften, die gegenwärtig besonders den Flüchtlingen gilt, nicht untergraben wird."
"Sackgasse von Hass"
Der Terror des sogenannten „Islamischen Staates“ beruhe auf einer „brutalen und menschenverachtenden Ideologie“, die kein Recht habe, sich auf den Islam zu berufen. Mehr denn je sei es notwendig, dass sich alle Menschen „mit und trotz ihrer kulturellen und religiösen Unterschiede wechselseitig verbunden fühlen und sich gegen Hass und Terror richten“.
Statt einer „Sackgasse von Hass“ müsse der Weg einer Verständigung aller Menschen mit ihren unterschiedlichen Kulturen und Religionen fortgesetzt werden - gerade in einer Zeit, „in der die Menschlichkeit von einigen mit Füssen getreten wird“. Die Akademie der Weltreligionen der Universität Hamburg werde ihre Arbeit in Forschung, Lehre und Öffentlichkeitsarbeit angesichts der Terroranschläge in Paris umso entschiedener fortsetzen.
Unterzeichnet wurde die Erklärung neben Akademiedirektor Weiße auch von der Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur, der Erziehungswissenschaftlerin Ursula Neumann, dem Religionswissenschaftler Ulrich Dehn, der Akademiegeschäftsführerin Anna Körs und Handan Aksünger, Professorin für das Alevitentum.
Bürgermeister Olaf Scholz spricht Frankreich Anteilnahme aus
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat die Attentate von Paris scharf verurteilt. „Diese abscheulichen Terrorakte richten sich gegen die Demokratie, gegen die Freiheit und gegen unsere Art zu leben“, erklärte Scholz am Samstag. „Wir werden Demokratie, Freiheit und unsere Art zu leben verteidigen und stehen fest an der Seite unserer französischen Freunde.“ Der SPD-Vize ist auch Bevollmächtigter für die kulturelle Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich.
„Wir trauern um die vielen Toten und sind mit unseren Gedanken bei den vielen Verletzen und den Angehörigen der Opfer“, sagte Scholz. „Ihnen gilt unser tiefes Mitgefühl.“
Fegebank: „Unser Herz schlägt für Paris“
„Warum?“, twittert etwa Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne). Sie sei „unendlich traurig“, erklärt sie. Die Anschläge seien „Anschläge auf das Herz der freien und zivilisierten Gesellschaft“: „Aber dieses Herz schlägt dadurch nur noch lauter, und heute schlägt es auch bei uns in Hamburg nur für Paris.“ Es sei ein „barbarischer Terrorakt“, sagt Fegebank, als sie am Sonnabendnachmittag mit Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit einen Blumenstrauß vor dem Konsulat niederlegt und eine Kerze anzündet. Der französische Generalkonsul in Hamburg, Serge Lavroff, findet klare Worte: „Das, was wir in Paris erlebt haben, ist ein Krieg ohne Grenze, ein Krieg ohne Gnade.“
Trauer und Entsetzen weltweit
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) nennt die Anschlagsserie „unfassbar“. „Ich bin tief erschüttert über die Anschläge in Paris, bei denen ganz offensichtlich einige Wahnsinnige so viele unschuldige Menschen getötet haben“, sagt Albig. „Mir fehlt die Vorstellungskraft, warum einige wenige so etwas tun und uns ihren Weg des Grauens und des Mordens aufzwingen wollen.“
„Diejenigen, die zu uns kommen, fliehen vor diesen Mördern“
Albig ist es wichtig, jetzt nicht Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen: „Die Menschen, die zu uns kommen, sind nicht die, die töten“, betont der Ministerpräsident. „Diejenigen, die zu uns kommen, fliehen vor diesen Mördern.“
Die Nordkirche mahnt ebenfalls: Die Anschläge dürften nicht missbraucht werden, um Hass auf Flüchtlinge und Muslime zu schüren. Der Schweriner Landesbischof Gerhard Ulrich erklärt: „Terror ist weder mit dem Islam noch mit Religion überhaupt zu rechtfertigen.“ Und die Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein fordert: „Wir dürfen keinesfalls der Angst erliegen, die unter uns gesät werden soll.“
Trotz der beispiellosen Anschläge von Paris sieht Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) zunächst keine veränderte Sicherheitslage für die Hansestadt. Man sei auf alles vorbereitet: „Aber zur Zeit gibt es keinen Grund, in irgendeiner Weise Sorge zu haben oder auch den Gefahrengrad hochzuschalten“, sagt Neumann. „Über die ohnehin ja vorhandene Polizeipräsenz ergreifen wir zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Maßnahmen.“
„Absolute Sicherheit gibt es nicht“
Die Freiheit müsse verteidigt werden, twittert Ralf Stegner, SPD-Vize und schleswig-holsteinischer SPD-Landeschef: „Furchtbare Terroranschläge von Paris mahnen dazu, dass es absolute Sicherheit nicht gibt.“
Das Entsetzen über die Anschläge überschattet auch den FDP-Landesparteitag in Neumünster, der mit einem stillen Gedenken an die Opfer beginnt. „Es ist ein Verbrechen, das uns bis in das Mark erschüttert“, sagt FDP-Landeschef Heiner Garg. FDP-Bundes-Vize Wolfgang Kubicki kritisiert: „Das hat nichts mehr mit Glauben zu tun, das ist einfach krank.“ Auch Schleswig-Holsteins CDU-Landeschef Ingbert Liebing verurteilt die „grauenhaften Anschläge“ - und versichert: „Wir stehen an der Seite des französischen Volkes.“
„Sorgen wir dafür, dass die Menschlichkeit siegt“
Selbst der Schleswig-Holsteinische Fußballverband meldet sich zu Wort: „Auch die Fußballwelt wird sich durch feigen Terror nicht auseinanderdividieren lassen, sondern in diesen schweren Zeiten noch enger zusammenrücken.“
Hamburgs Bürgerschaftspräsidentin Veit ruft dazu auf, sich dem Terrorismus niemals zu beugen, sondern Freiheit und Demokratie zu verteidigen: „Sorgen wir dafür, dass Menschlichkeit siegt.“ Am Rathaus der Hansestadt wehen die Flaggen auf halbmast - das hängt allerdings mit dem Tod von Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) zusammen. In Schleswig-Holstein ordnet Innenminister Stefan Studt (SPD) an, zum Gedenken an die Opfer der Terroranschläge Flaggen an Ministerien und am Landtag auf halbmast zu setzen.
Terror in Paris: Die Titelseiten der Tageszeitungen