Michael Otto, Unternehmer und Ehrenbürger Hamburgs, kannte Altkanzler Helmut Schmidt seit den 1950er-Jahren. Eine Würdigung.

Mit Helmut Schmidt verliert Deutschland eine Persönlichkeit, die wie keine Zweite verehrt wird. Über Parteigrenzen hinweg wurde er geschätzt und im Laufe der Jahre zu einer Art Leitfigur, einer moralischen Instanz und einem politischen Gewissen erhoben. Sein Wort hatte Gewicht. Seine nüchternen politischen Analysen beeinflussten die Betrachtung des Weltgeschehens zahlreicher deutscher Intellektueller, Politiker, Historiker, Journalisten und engagierter Bürger.

Helmut Schmidts Charisma bestand in seiner nüchternen und schnörkellosen Haltung, seiner Klarheit in der Sache, seiner Demut gegenüber dem Geschehenen und seiner Achtsamkeit im Alltäglichen. Messerscharfe Analysen, knappe Kommentare, eine spröde Selbstironie und die beispielhafte Fähigkeit, sich der Sache unterzuordnen, das waren die schmidtschen Markenzeichen. Mit unbedingtem und bisweilen gnadenlosem Realitätssinn schuf er während seiner Regierungszeit pragmatische Lösungen für aktuelle Probleme und verschaffte sich damit Respekt auch bei den anderen Parteien.

Er war ein geradliniger, offener, blitzgescheiter und verlässlicher Mensch

Als erfahrener, abgeklärter und historisch bewanderter Beobachter und Kommentator des Weltgeschehens wuchs sein Ansehen nach seiner Zeit als aktiver Politiker weiter. Aus Respekt wurde im Alter Hochachtung.

Ich kenne Helmut Schmidt bereits seit den 50er-Jahren. Unsere persönliche Beziehung war vielschichtig, die Verbindung unserer Familien generationenübergreifend, meine Achtung ihm gegenüber hoch. Für mich war er ein väterlicher Freund im besten Sinne. Unsere Verbindung wurde intensiviert und gefestigt, als mich Helmut Schmidt 1985 bei Gründung in seine Freitagsgesellschaft einlud. Diese regelmäßigen Vortrags- und Diskussionsabende in seinem Haus in Langenhorn haben mir auch immer wieder die unglaublich breite Bildung von Helmut Schmidt aufgezeigt.

Was ich an ihm besonders schätzte: Er war ein geradliniger, offener, blitzgescheiter, verlässlicher und berührbarer Mensch, ein kraftvoller, engagierter und stolzer Hanseat, ein bedachter Ratgeber und vor allem ein achtsamer und treuer Freund.

Das Schönreden war nicht seine Art. Seine Nüchternheit, seine Fähigkeit zur messerscharfen Analyse und sein unbedingter Realismus waren es, die es keinem seiner Gesprächspartner je erlaubten, den Boden der Tatsachen in seiner Gegenwart zu verlassen.

Auch das Visionäre lag ihm nicht, wohl aber die nüchterne Betrachtung der Gegenwart, gepaart mit einem entwaffnenden Weitblick. Niemals hatte er den Hang zur Weltverbesserung. Wohl aber den Wunsch, über den Tellerrand zu schauen, Zusammenhänge zu begreifen und in großen Dimensionen zu denken, um vor allem die realen Anliegen in überschaubaren Schritten zum Besseren zu wenden, das Machbare zu machen.

Durch seine bedingungslose Konzentration auf das Wesentliche gab er einem immer wieder zu verstehen, dass es in allem keine Zeit zu verlieren gebe und er der Letzte sei, der sie verschwendet. Das galt. Bis zu seinem Tod.