Hamburg. Ein neues Hamburg-Buch würdigt die Werke des Lichtkünstlers und erzählt die Geschichte der öffentlichen Beleuchtung in der Hansestadt.
Die Schönheit Hamburgs bei Tage ist in vielen Büchern abgebildet. Eine besondere Pracht aber enthüllt die Stadt nachts, wenn sich ihre Lichter im Wasser der Alster und der Fleete spiegeln, Gebäudefassaden erleuchten und der Hafen einem Lichtermeer gleicht. Großen Anteil daran hat der Autor, Regisseur und Lichtkünstler Michael Batz, der einem Visagisten gleich der Stadt ein strahlendes „Nachtgesicht“ verliehen hat – mit geschickt platzierter Beleuchtung statt mit Rouge und Kajal.
Seit Batz 1999 erstmals die Fassaden der Speicherstadt durch eine festliche Illumination in Szene setzte, hat sich Hamburgs nächtliches Gesicht stark verändert – nicht zuletzt durch seine temporären Projekte wie „Blue Goal“, „Blue Port“ oder seine Inszenierungen zu der Veranstaltungsreihe „Die lange Nacht der Museen“.
Die Frage, wie sich die Stadt wandelt, wenn man durch Licht Dinge betont, die tagsüber nicht in Erscheinung treten, trieb auch Fotograf Michael Zapf und Abendblatt-Redakteur Matthias Gretzschel um. Sie haben Batz von Anfang an bei seinem Lichterzug durch die Stadt begleitet – und darüber jetzt das Buch „Hamburg. Licht. Kunst“ herausgebracht. Der Band stellt die inzwischen weltweit bekannten Projekte des Lichtkünstlers umfassend vor, erklärt dessen Motive und Ideen und erzählt zugleich die spannende Kulturgeschichte der städtischen Beleuchtung.
Wie Hamburg ein Licht aufging, erzählt Matthias Gretzschel im ersten Kapitel. Noch im Mittelalter versank die Stadt mit ihren Straßen und Gassen nach Sonnenuntergang in tiefster Dunkelheit. Nur wenn Adelige oder Kirchenfürsten ihre Aufwartung machten, ließ der Ehrbare Rat an den wichtigen Plätzen und Straßen Pfannen mit brennendem Pech aufstellen. Erst 1382 wurde vor dem Rathaus, das damals noch an der Trostbrücke stand, eine Öllampe installiert, die die ganze Nacht über leuchtete. „Man kann sich gut vorstellen, dass die Ratsherren ihre Entscheidung reiflich überlegt hatten, schließlich war sie mit erheblichen Kosten verbunden“, schreibt Gretzschel. Es sei überliefert, dass der Betrieb pro Jahr 48 Schilling kostete – dafür habe man auch zwölf Kühe oder 144 Tonnen Bier kaufen können.
Bis zu einer Straßenbeleuchtung, die Hamburg als erste deutsche Stadt 1675 einführte, war es damals ein langer Weg. „Licht war Luxus und lange festlichen Anlässen vorbehalten“, so Gretzschel. Erst im späten 19. Jahrhundert wurden in Europas Städten bedeutende Bauwerke nachts elektrisch angestrahlt: Schloss, Rathaus, die bedeutendsten Kirchen oder markantesten Brücken. „Damit erfand man auch die Begrifflichkeit, mit der dieses Licht charakterisiert wurde. In paradoxer Weise wurde das technisch erzeugte Licht als ,märchenhaft’ gekennzeichnet“, erklärt Michael Batz in dem Buch. „Stets ging es um die Magie, das vermeintlich Zauberhafte.“
In diesem Jahr schuf Michael Batz im Hafen 12.000 blaue Lichtpunkte
Diese Begriffe kommen dem Betrachter auch heute noch in den Sinn, wenn er die Illuminationen des Lichtgestalters betrachtet. Fotograf Michael Zapf hat die Verzauberung, die von ihnen ausgeht, eindrucksvoll eingefangen: ob es die Illumination der Speicherstadt ist, die mystische Schatten und Reflexe an die alten Kontorhäuser wirft und die Fleete zum Funkeln bringt. Die „Blue Goals“, mit denen Batz die Hamburger auf die Fußballweltmeisterschaft 2006 einstimmen wollte – und die durch eine unvorhergesehene Dynamik schnell nicht nur auf vielen Dächern der Stadt, sondern auch in zahlreichen Privatfenstern leuchteten. Oder der „Blue Port“, der jedes Jahr vor dem Hafengeburtstag Bauwerke entlang der Elbe blau leuchten lässt, aber auch Kräne, Schiffe und Docks. Von der historischen Freihafenbrücke bis zum Burchhardkai gab es in diesem Jahr auf einer Strecke von 8,5 Kilometern insgesamt 12.000 blaue Lichtpunkte. Damit der Energieverbrauch nur geringfügig steigt, wird dafür überwiegend Bestandslicht benutzt, wird in dem Buch betont. Vorhandene Leuchten werden entweder ausgetauscht oder erhalten einen Blaufilter.
Doch Michael Batz setzt Licht auch politisch ein. Durch das Anstrahlen von bedrohten Bäumen in Lokstedt erschuf er eine „magische Allee“ und trug dadurch dazu bei, dass sie nicht gefällt wurden. Und 2014 illuminierte er im Rahmen der weltweiten Aktion „Cities for life“ das Hamburger Rathaus leuchtend grün – als Symbol gegen die Todesstrafe.