Hamburg. Senatsantworten auf Monitoring der CDU ergeben, dass Erstaufnahme kurzfristig über Gebühr belastet wird. Ausreisepflicht nur teilweise durchgesetzt
Oliver Schirg
Die Aufnahme von Flüchtlingen wird für die Stadt zur Langzeitaufgabe. Bis Ende September wurden in diesem Jahr bereits 35.000 Flüchtlinge in Hamburg vorübergehend untergebracht – der Senat rechnet damit, auch im Jahr 2016 noch einmal so viele Plätze schaffen zu müssen. Zusätzlich steht die Stadt vor Problemen bei der Registrierung und Verteilung von Flüchtlingen, wie eine Auswertung von mehreren Kleinen Anfragen der CDU-Fraktion an den Senat ergab. Das Abendblatt dokumentiert die wichtigsten Ergebnisse.
Hamburg nimmt kurzfristig deutlich mehr Flüchtlinge auf, als es muss
Nach dem Königsteiner Schlüssel muss Hamburg etwa 2,5 Prozent der Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen. In diesem Jahr waren das nach Senatsangaben bislang rund 12.000. Einer geheimen Aufstellung aus dem Bundesinnenministerium zufolge hat Hamburg im September 670 Flüchtlinge mehr aufgenommen als es müsste. Andere Länder wie Niedersachsen (minus 8173) oder Nordrhein-Westfalen (minus 5449) lagen dagegen unter ihrem Soll. Eigentlich soll das Computersystem EASY sicherstellen, dass die Flüchtlinge fair unter den 16 Bundesländern verteilt werden.
Hamburg ist erstes Anlaufziel
vieler Flüchtlinge in Deutschland
Als Metropole ist Hamburg ein beliebtes Ziel von Flüchtlingen. So ist auch zu erklären, dass mit rund 35.000 Flüchtlingen hier bislang dreimal so viele Menschen registriert wurden als letztlich dauerhaft blieben. Bis zur Registrierung kann es einige Tage dauern. Die Stadt sorgt in dieser Zeit für ein Dach über dem Kopf und für Essen. Anschließend werden die Flüchtlinge verteilt. Senatsangaben zufolge ist die Zahl der unregistrierten Flüchtlinge im September deutlich gestiegen, was auf eine längere Bearbeitungszeit hindeutet.
Viele zugeteilte Flüchtlinge konnten noch keinen Asylantrag stellen
Nach der Zuweisung der Flüchtlinge folgt ein förmlicher Asylantrag, der nach Gesetz zu einer „Aufenthaltsgestattung“ führt. Nach Senatsangaben lagen Ende September aber nur rund 2900 mehr Asylanträge als im April vor – obwohl im selben Zeitraum nach Senatsangaben rund 10.000 Flüchtlinge Hamburg zugewiesen wurden.
Die Differenz lässt sich aus der Tatsache, dass die Flüchtlinge nach der Entscheidung über ihren Antrag in eine andere Aufenthaltsstufe rutschten, nicht vollständig erklären. Mehrere Tausend Flüchtlinge tauchen somit in der Antragsstatistik mutmaßlich nicht auf. „Hier liegt der Schluss nahe, dass ein großer Teil dieser 7000 Flüchtlinge noch keine Gelegenheit bekam, einen Antrag zu stellen“, sagte die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Karin Prien. In Einzelfällen beklagten Flüchtlinge, dass ihr Termin für die Antragsstellung erst am Jahresende liege.
Die Bearbeitungszeit der Anträge sinkt, bleibt aber im Durchschnitt hoch
Die lange Bearbeitungszeit von Asylanträgen durch das Bundesamt für Migration (BAMF) steht in fast allen Bundesländern in der Kritik. Für Hamburg gab es hier eine leichte Besserung: Die Anträge wurden im September zuletzt mit 2,7 Monaten bearbeitet. Im Jahresdurchschnitt bleibt es bei 4,2 Monaten.
Jeder Bezirk hält höchstens eine Stelle für die Koordination der Freiwilligen vor
Nach Senatsangaben sind insgesamt in allen sieben Bezirksämtern umgerechnet nur 2,4 Vollzeitkräfte mit der Koordination von Freiwilligenhilfe und Ehrenamtlichen betraut. Der Wert blieb seit dem Frühjahr – also vor Beginn der aktuellen Flüchtlingskrise – nahezu unverändert. Bei der städtischen Gesellschaft „Fördern & Wohnen“ dienen drei Mitarbeiter hauptamtlich als Ansprechpartner und Netzwerker für die private Flüchtlingshilfe. Mehrere Bezirke, darunter Wandsbek und Harburg, haben die Koordination und Unterstützung der Hilfe teils gegen Bezahlung von 10.000 bis 20.000 Euro an Stiftungen ausgegliedert. Im Bezirk Nord teilen sich mehrere Mitarbeiter unterschiedlicher Abteilungen die Koordinierungsarbeit. Insgesamt bewerten Ehrenamtliche die Unterstützung durch städtische Stellen als mangelhaft. „Es gibt leider viele Beispiele, bei denen engagierte Hamburger im Stich gelassen wurden“, sagte eine Sprecherin der Initiative „Refugees Welcome“ im Karoviertel.
Nahezu 8000 Flüchtlinge müssten ausreisen, aber nur wenige gehen
Wie die aktuellste Anfrage im Flüchtlingsmonitoring ergab, waren Ende September bereits 7800 Personen in Hamburg „ausreisepflichtig“. Mehr als 5000 von ihnen werden wegen Krankheit, ihrer Familiensituation oder anderen Umständen aber offiziell in der Hansestadt geduldet.