Hamburg. Schulen versuchen, Personal für die Beschulung von Flüchtlingskindern zu finden. Fortbildungen für Deutsch als Zweitsprache ausgebucht

Die Flüchtlingskinder, die in diesen Wochen und Monaten nach Hamburg kommen, bringen nicht nur unterschiedliche Erlebnisse mit, sondern auch unterschiedliche schulische Vorkenntnisse. Entsprechend schwierig ist es für die Behörde, einen geregelten Schulunterricht zu organisieren. Nicht immer kommen die Mitarbeiter in den Zentralen Erstaufnahmen (ZEA) mit der korrekten Aufnahmeprozedur der Flüchtlinge hinterher, sodass manchmal der genaue Überblick über die jeweils zu beschulenden Kinder fehlt. „Die Lerngruppen sind sehr heterogen und die Fluktuation ist groß“, sagt Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde. Und das Leistungsspektrum reicht von Jungen und Mädchen, die in englischer Sprache auf gymnasialem Niveau lernen können, bis zu Kindern, die noch nie eine Schule besucht haben oder nur die arabische Schriftsprache kennen. Motiviert aber seien diese Kinder über alle Maßen. Auch wenn sie in kalten Zelten geschlafen hätten, seien sie mit großem Eifer dabei — nicht zuletzt, weil dies für sie die einzig strukturierte Beschäftigungsmöglichkeit ist. Aufgrund des Platzproblems in den Zentralen Erstaufnahmen strebt die Schulbehörde an, außerhalb schulische Flächen zu finden, um den Kindern dort Unterricht anzubieten. Derzeit würden mehrere Flächen geprüft.

Von den 50 zusätzlichen Lerngruppen, deren Einrichtung Schulsenator Ties Rabe im August als Ziel bis zum Ende des Schuljahres angekündigt hatte, gibt es nach Auskunft der Schul­behörde derzeit in den Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen 41. „Allen begleiteten schulpflichtigen Flüchtlingen steht mit der Ankunft in einer ZEA ein Platz in einer altersgemäßen Lerngruppe zur Verfügung“, hatte der Senat noch Mitte September in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Karin Prien geschrieben. Vorgesehen sind wöchentlich 30 Stunden Unterricht.

Doch Anspruch und Wirklichkeit fallen angesichts der großen Zahl von Flüchtlingen und aufgrund der Situation in den Erstaufnahmen vielfach auseinander. Nach Priens Beobachtung wird der Unterricht dort zudem vielfach nicht von Lehrern, sondern von engagierten Ehrenamtlichen erteilt. Das Ziel ist laut Behördensprecher Al­brecht ein Professionenmix von mindestens 50 Prozent Lehrkräften und bis zu 50 Prozent Sozialpädagogen als ideale Unterrichtsbesetzung, dafür seien den Schulen die Finanzmittel zur Verfügung gestellt worden. Sie versuchten nun mit Hochdruck, das angestrebte Ziel zu erreichen und ständig neues Personal einzustellen. „An einzelnen Standorten ist das bereits gelungen, an anderen Standorten ist wegen der ständig steigenden Zahl von Flüchtlingen noch nicht genügend Personal an Bord“, sagt Albrecht. Um die Personalrekrutierung zu beschleunigen, habe der Amtsleiter für Bildung, Thorsten Altenburg-Hack, am vergangenen Donnerstag mit allen beteiligten Schulleitungen gesprochen. Einzelne Schulen könnten vorübergehend ehrenamtliche Kräfte einsetzen, um das schulische Angebot zu ergänzen. Darüber hinaus hätten sich zahlreiche pensionierte Lehrkräfte gemeldet, um bei der Beschulung zu helfen.

Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Fortbildungen am Institut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) am Weidenstieg in Eimsbüttel angestiegen. Haben sich in der Vergangenheit nur vereinzelt Lehrer bei Marita Müller-Krätzschmar und ihren sechs Mitarbeiterinnen gemeldet, um zu lernen, wie sie Kindern und Jugendlichen ohne Deutschkenntnisse Deutsch als Zweitsprache vermitteln können, sind die Termine bis Februar jetzt ausgebucht.

„Deutsch als Zweitsprache war lange Zeit gar kein Thema“, sagt Marita Müller-Krätzschmar. Sie ist Expertin für die Sprachförderung von Migranten in Hamburgs Schulen, hat Unterrichtsmaterialien für Lehrer erarbeitet und entwickelt diese weiter. Gerade erst hat sie mit Kolleginnen einen „Roten Faden“ herausgebracht. 1000 Exemplare wurden seit Mai an Schulen mit Vorbereitungsklassen verteilt. Die Broschüre soll den Lehrern helfen, Kindern die deutsche Grammatik, Hör- und Leseverständnis und Schreiben beizubringen. Das Engagement der Lehrer sei groß, sie wollten sich besser auf die Flüchtlingskinder einstellen, und zwar nicht nur diejenigen, die bereits Kindern in Basis- und Vorbereitungsklassen Deutsch beibringen – der größte Teil der zusätzlichen Nachfrage komme von Lehrern, die davon ausgehen, dass sie später Flüchtlingskinder unterrichten werden. Die Lehrer besuchen diese Fortbildungen am Nachmittag von 15 Uhr an in ihrer Freizeit. 30 Stunden benötigen sie für das Zertifikat.

Neben diesen Kursen gibt es auch zentrale Veranstaltungen, für die es noch freie Plätze gibt. Auch schulinterne Fortbildungen, bei denen der Referent in die Schulen kommt, können gebucht werden. Zusätzlich sollen sonnabends Kurse stattfinden. Das Landesinstitut ist gerade dabei, für die Kurse mehr Mittel bei der Schulbehörde zu beantragen.

Neben den Lerngruppen in den Erstaufnahmen werden derzeit an allgemeinen Schulen 1926 Flüchtlingskinder in 177 Klassen unterrichtet. 1894 Jugendliche besuchen Berufsbildende Schulen in 120 Integrationsklassen. Kinder und Jugendliche, die von einer Erstaufnahmeeinrichtung in eine Folgeunterkunft ziehen, werden je nach Alter entweder in die erste oder zweite Klasse einer regulären Grundschule eingeschult oder besuchen von der dritten Klasse an zunächst eine Vorbereitungsklasse, die vor allem an Stadtteilschulen, aber auch an Gymnasien eingerichtet werden. Die CDU-Abgeordnete Prien fordert, dass die Vorbereitungsklassen gerechter über die Stadt verteilt werden. „Dafür muss man auch längere Wege in Kauf nehmen und Busse einsetzen, um die Schüler von ihren Folgeunterkünften zu Schulen in anderen Stadtteilen zu bringen“, so Prien. Auch solle Erst- und Zweitklässlern zumindest das Angebot spezieller Vorbereitungsklassen gemacht und ihr Lernstand erhoben werden, bevor sie in normale Regelklassen wechseln. In den Zentralen Erstaufnahmen dürften nicht mehr als 14 Kinder in einer Lernklasse unterrichtet werden, fordert die CDU darüber hinaus in ihrem Antrag. Schließlich müssten Lehrer, die weder genügend vorbereitet noch dafür ausgebildet seien, etwa Deutsch als Zweitsprache zu unterrichten und traumarisierte Kinder zu betreuen, mehr Unterstützung erhalten in Form von zusätzlichen Weiterbildungsangeboten und Hilfestellung durch Psychologen, Dolmetscher und Sozialarbeiter, so Prien. Sie hat Verständnis für die Probleme, vor denen die Schulbehörde steht, fordert aber, es müsse ein tragfähiges Gesamtkonzept für den Schulbesuch der Flüchtlingskinder entwickelt werden.