Hamburg. Hamburger Start-ups liefern Obst, Gemüse und Fleisch an die Haustür. Auch Amazon drängt in den umkämpften Markt.

Eva Neugebauer, 26, und Juliane Eichblatt, 26, wollen das Land in die Stadt bringen. Salate, die vor wenigen Stunden auf den Äckern noch den Morgentau trugen. Himbeeren mit ihrem flaumigen Pelz, die nach Sonne schmecken. Sahnig-sämige Milch, frisch aus dem Euter von Kühen aus der Hamburger Nachbarschaft. „Unser Salat wird morgens vom Bauern geerntet und landet noch am selben Tag auf dem Teller der Kunden“, beschreibt Juliane Eichblatt das Qualitäts-Versprechen ihrer Firma mit dem passenden Namen Frischepost. „Das heißt, unsere Lebensmittel werden nicht wie in Supermärkten über Wochen gelagert, sondern direkt vom Acker nach Hause geliefert“, sagt die Geschäftsführerin, die in dem Start-up mit Sitz im Gemeinschaftsbüro Social Lab nahe des Michels für den Einkauf zuständig ist. Als Produzenten ausgewählt hat sie etwa den Bernekehof aus Barsbüttel für Erdbeeren, die Elbbiene in Pinneberg für Honig oder den Bioland-Hof Lieske in der Steinburger Geest für Eier.

Mit ihrer Firma drängen die beiden Frauen in einen Markt, der die Ernährungsbranche umkrempelt: Frische Lebensmittel, möglichst aus der Region, werden vor die Haustür geliefert. Etliche Unternehmen stellen sich auf Millionen von Büromenschen und Familien ein, die trotz allen Stresses keine Fast-Food-Fans werden wollen.

Beide Geschäftsführerinnen von „Frischepost“ sind auf dem Land aufgewachsen und haben während ihres Studiums die Zeichen der Zeit für ihre Gründung erkannt: Denn fast wöchentlich tauchen neue Unternehmen auf, die mit dieser Logistik-Leistung Geld verdienen wollen. Ihr Service reicht vom Knopfdruck bei der Bestellung im Internet bis zur Lieferung an die Haustür. Bekannt sind bereits Lieferdienste wie Biobob, die Obst mit dem Fahrrad liefern, KommtEssen, die in Papiertüten Zutaten für drei bis fünf Mahlzeiten inklusive Rezepten an die Haustür bringen. Oder HelloFresh, finanziert von den Berliner Samwer-Brüdern, die auch bonativo, eine Firma, die den Wochenmarkt ins Haus bringen will, mit Kapital ausgestattet haben und ab sofort auch nach Hamburg bringen.

„Der Trend zu Lieferservices ist eine logische Konsequenz der E-Commerce-Entwicklung: Nach Sättigungseffekten bei Schuhen, Mode und anderen Nonfood-Produkten, erreichen wir im Netz inzwischen auch die margenschwächeren Lebensmittel“, begründet der Hamburger Innovationsexperte Rolf Buchholz von der Unternehmensberatung Key Values, warum immer mehr Internetfirmen die Nische besetzen. Die Firma Frischepost nutzt das Netz dabei auch, um dem Kunden eine gefühlte Nähe zu den Herstellern zu bieten: Alle Bauernhöfe oder Bäcker werden mit Bild und ihrem Angebot auf der Internetseite vorgestellt. Hier erklären die Landwirte, wie sie nachhaltig produzieren, wie viel Platz das Huhn zum Leben hat und welche Körner es pickt. Rein „bio“ ist das Sortiment von Frischepost derweil nicht. „Wir kennen unsere Produzenten, jeden einzelnen haben wir besucht“, versichert Eva Neugebauer, doch die Beschränkung auf Öko-Lebensmittel ist auch eine Frage der Verfügbarkeit.

Ob „bio“ oder nicht: Der Trend zur bewussten und gesunden Ernährung rufe eine größere Nachfrage an frischen und regionalen Lebensmittel hervor, sagt Sven Tollmien, Geschäftsführer und Zukunftsforscher bei der Hamburger Beratung Trendone. Gleichzeitig hätten berufstätige Menschen im Alltag immer weniger Zeit für den Einkauf, Kochen und gemeinsames Essen mit Freunden und/oder der Familie. „Unsere Kunden sind Familien, Senioren, die sich im Internet auskennen, aber auch Werbeagenturen oder Kitas“, sagt Juliane Eichblatt über die Vielfalt der derzeit rund 250 Abnehmer, die von den Frischepost-Fahrzeugen angesteuert werden.

Die Erreichbarkeit der oft viel beschäftigten und mobilen Kunden, die nicht auf dem Sofa auf das Klingeln warten, ist allerdings eine Herausforderung. Immer mehr Firmen arbeiteten daher an technologischen Weiterentwicklungen, um das Problem der „Letzten Meile“ zu lösen, sagt Tollmien. Dabei geht es um die Schwierigkeit, die Lieferung sicher, zuverlässig und nicht zu kostenintensiv zu gestalten. Lösungen wie große Briefkästen zum Mieten sind noch in der Testphase, und auch die Kühlkette muss bei Kisten mit Käse oder Koteletts garantiert werden.

Marktneulinge wie Frischepost, aber auch das ebenfalls vor einigen Monaten gestartete Unternehmen Stadtsalat, die Vitamin-Fans ihre grüne Kost vor die Tür stellen, liefern daher auch nur in engen Grenzen. Bei Frischepost beschränkt sich das Gebiet auf Winterhude, Eimsbüttel, Altona und die HafenCity. „Erst wenn wir merken, dass außerhalb dieser Stadtteile eine große Nachfrage herrscht, weiten wir unser Angebot geografisch aus“, sagt Eva Neugebauer. Bei Stadtsalat sparen die Gründer Geld, indem sie nur mittags ausliefern.

Schließlich haben einige Wettbewerber wie supermarkt.de bereits aufgeben müssen – sie hatten die teure Logistik unterschätzt. Supermarkt.de verfolgte in Hamburg das Ziel, 4000 Produkte frisch zum Besteller zu bringen, scheiterte aber an den Kosten.

Ein mächtiger Logistikkönner wird sich derartige Hürden für sein Geschäft sehr gut durchrechnen: Denn der Internethändler Amazon will bald in Deutschland seinen in den USA bereits etablierten Lieferservice „fresh“ anbieten. Auch in Hamburg soll Amazon nach einer Lagerhalle für die Produkte suchen. Gestern gab Amazon schon bekannt, mit „Pantry“ nach Deutschland zu kommen. Dabei geht es um einen Lieferservice, der Boxen mit Dingen für die Vorratskammer liefert, von der Alufolie bis zur Chipstüte, aber keine Frischekost. In den USA umfasst das Sortiment von Amazon „fresh“ knapp 20.000 Produkte in den Kategorien Lebensmittel und Getränke. Zum Vergleich: Rewe online bietet nur etwa die Hälfte des Sortiments (rund 8000-12.000 Produkte, je nach Stadt).

Schließlich stellen sich auch traditionelle Lebensmittelgeschäfte der Aufgabe, Kunden daheim zu versorgen. Neben Rewe sind einige Edeka-Märkte aktiv, die fünf Euro für den Bring-Dienst berechnen. Dass der stationäre Handel das Feld nicht untätig den Internetplattformen überlässt, verwundert den Marktkenner Buchholz nicht. Die Differenzierung der Händler erfolge weniger über das Sortiment, als vielmehr über den Service. Die Frischepost-Gründerinnen sehen die Konkurrenz als Chance: „Durch neue Anbieter wird der Service bekannter“, sagt Eva Neugebauer, die weitere Ideen für die Kunden parat hält: „Wie wäre es mit einem Joghurt-Automaten für Firmen, den wir befüllen, oder einem Frühstücksservice für Manager?“