Neustadt. Sieben Jahre nach Messerattackeim Ex-Madhouse ist der Täter noch nicht ermittelt. Jetzt stehen vier Männer wegen Schlägerei vor Gericht

Zwischen den Partygästen in Horror-Kostümen lag ein echter Toter. Da war die Halloween-Party in der Icepeak Vodka Lounge am Morgen des 2. November 2008 um 4.15 Uhr schlagartig zu Ende. Der Tote auf der Tanzfläche der ehemaligen Diskothek Madhouse am Valentinskamp war der 26 Jahre alte Denis T.

Der junge Mann war bei einer Schlägerei unter 30 vorwiegend russischstämmigen Partygästen durch einen Messerstich ins Herz innerlich verblutet. Nur: Wer hat ihm das angetan? Fast sieben Jahre nach der Tat hat die Polizei den Täter noch immer nicht gefasst. Mehr als 100 Zeugen waren befragt worden, nicht wenige waren jedoch zur Tatzeit schwer alkoholisiert, hatten angeblich nichts gesehen. Die meisten waren wie üblich an Halloween maskiert. Überall war Kunstblut, und die Videoaufzeichnungen aus der Bar waren so schlecht, dass sich darauf kaum etwas erkennen ließ. Rund 95 Prozent aller versuchten und vollendeten Tötungsdelikte klärt die Hamburger Polizei auf – der Halloween-Fall gehört zu den seltenen Ausnahmen.

Nach all den Jahren hat die Staatsanwaltschaft nun vier Männer angeklagt – erst jetzt, weil die Polizei nicht mehr davon ausgeht, den Messerstecher noch ermitteln zu können. Zudem zog sich das Verfahren hin, weil der Staatsanwalt durch andere Haftsachen überlastet war. Keinem der Männer, die seit Dienstag vor dem Landgericht stehen, wird der Tod von Denis T. angelastet. Der Vorwurf gegen Ragmi I., 39, Hamdi I., 36, Georgios D., 28, und Seljami I., 28, lautet: Beteiligung an einer Schlägerei. Die Vorschrift, auch Wirtshaus-Paragraf genannt, findet üblicherweise nach Schlägereien auf Volksfesten Anwendung – aber auch nur, wenn jemand infolge der Tat ums Leben gekommen oder verletzt worden ist.

Es reicht aus, sich „psychisch oder physisch“ an einer Schlägerei beteiligt zu haben. Solche Fälle landen wegen der geringen Straferwartung meist vor dem Amtsgericht. „Für die Mutter des Getöteten ist dieser Prozess mit Sicherheit ein tragisches Ergebnis der Ermittlungen“, sagte die Vorsitzende Richterin am Dienstag. Wegen des enormen Umfangs – die Akte ist 3500 Seiten dick – und der öffentlichen Bedeutung hat die Staatsanwaltschaft den Fall gleich vor das Landgericht gebracht. Zu Beginn des Prozesses wies die Richterin auf die „zweifelsfrei rechtswidrigen Verfahrensverzögerungen“ hin. Um den Prozess zu verkürzen, habe es bereits im April Gespräche gegeben – dabei sei den Angeklagten im Gegenzug für ein Geständnis und eine Geldbuße an die Mutter des Opfers ein moderates Strafmaß in Aussicht gestellt worden. Doch da spielte die Verteidigung nicht mit.

Nun wird der Prozess im Streit durchgefochten, verteilt auf acht Verhandlungstage mit 26 Zeugen, deren Erinnerungen sieben Jahre später vermutlich noch spärlicher ausfallen als kurz nach der blutigen Nacht. Die Angeklagten wollen schweigen.

Durch Zeugenhinweise, Fotos eines Partyfotografen und das Bild eines der Angeklagten, das der Polizei anonym auf einem USB-Stick zugeschickt worden war, konnte den Männern immerhin nachgewiesen werden, dass sie bei der Schlägerei im Ex-Madhouse mitgemischt hatten. Der Tod des jungen Mannes aber bleibt ungesühnt. Der Prozess geht weiter.